TU intern - Januar 1999 - Alumni

Katrin Böhme

Auf Humboldts Spuren

Es war Liebe auf den ersten Blick: Eigentlich hatte sich Katrin Böhme an der TU Berlin für den Studiengang Geschichte eingeschrieben. Aber dann lief sie, auf der Suche nach Nebenfächern, an einer Tür mit der Aufschrift ”...Wissenschaftsgeschichte" vorbei. ”Das ist es", dachte sie damals und wechselte den Studiengang. Heute erkundet Katrin Böhme im Museum für Naturkunde die Geschichte der Gesellschaft Naturforschender Freunde zu Berlin.

Es ist schon etwas Besonderes, wenn man, vorbei am Besuchereingang des Museums für Naturkunde, durch den Diensteingang dorthin gelangt, wo der normale Besucher keinen Zutritt hat und nur noch die Mitarbeiter des Museums oder Biologie-Studierende der Humboldt-Universität anzutreffen sind. Unter den gestrengen Blicken der Pförtnerin holt mich Katrin Böhme ab. Wir steigen die Stufen hoch, bis unters Dach, wo sich ihr Arbeitszimmer befindet.

SCHMÖKERN UNTERM DACH

Der Raum erweckt ein wenig den Eindruck eines Provisoriums. Tische, Stühle und Schränke scheinen aus allen Ecken des Hauses zusammengesucht, in der Ecke steht - natürlich - ein Computer. Dann fällt der Blick auf Katrin Böhmes Arbeitsmaterial: Alte großformatige Tagebücher, eingebunden in Leder, stehen im Regal: dünnes Papier - Kopieren streng verboten - mit handschriftlichen Einträgen, die auf den ersten Blick kaum lesbar erscheinen, da in Sütterlin geschrieben.

”Das kann man lernen" erklärt Katrin Böhme lachend. Bei den Büchern handelt es sich um einen Teil der historischen Sammlung der Gesellschaft Naturforschender Freunde zu Berlin, kurz GNF genannt. Sie soll in einem von der Volkswagenstiftung finanzierten Gemeinschaftsprojekt des Museums für Naturkunde und der auch heute noch existierenden GNF archivarisch erschlossen und über eine Datenbank und ein Stichwortverzeichnis den Historikern zugänglich gemacht werden.

”Dies ist von Interesse", erklärt Katrin Böhme, ”da es sich dabei um eine sehr alte und vor allem geschlossene Sammlung handelt". Alle Tagebücher, die seit Gründung der Gesellschaft 1773 angelegt wurden, sind erhalten. Außerdem hatte die Gesellschaft viele berühmte Mitglieder. ”Anhand deren Aktivitäten können Aussagen über die Rolle der GNF in der Berliner Wissenschaftslandschaft getroffen werden". Doch damit möchte Katrin Böhme sich vorerst noch zurückhalten, denn ”das soll ja erst noch herausgefunden werden". Beim Studium der Bücher trifft sie zum Beispiel auf den Botaniker Karl Ludwig Willdenow oder den Astronomen Wilhelm Förster. Christian Gottfried Ehrenberg, einer der Begründer der Mikropaläontologie, gehörte der GNF ebenso an wie der Chemiker Martin Heinrich Klaproth, der u. a. die Elemente Zirkonium, Uran, Titan und Chrom entdeckte. Auf Klaproths Vorschlag wurde auch Alexander von Humboldt in die Gesellschaft Naturforschender Freunde zu Berlin aufgenommen. ”Klaproth schlug den Herrn von Humboldt vor, derselbe soll zur künftigen Wahl notiert werden", heißt es dazu in einer Tagebuchaufzeichnung vom 12. März 1793.

Biographische Einzelstudien zu verschiedenen Mitgliedern, die sich auf die Tagebücher der GNF stützen, existieren bereits. Katrin Böhmes Arbeit besteht nun darin, diese historische Sammlung systematisch zu erschließen - das heißt zunächst einmal zu lesen. ”Meine momentane Arbeit bezeichne ich als Übersetzen", erklärt sie, ”die Sprache des 18. Jahrhunderts war natürlich eine andere als die heutige". Es gilt, die verschiedenen Handschriften zu entziffern, die oft recht umständliche Wortwahl zu interpretieren und die Aussagen zu bewerten, indem man sich über Umfeld und Hintergrund informiert, ”eine spannende und fesselnde Arbeit", meint Katrin Böhme dazu.

WISSENSCHAFTSGESCHICHTE IST GREIFBAR

Das Museum für Naturkunde ist für sie längst ein alter Bekannter. Schon von 1985 bis 1991 war sie dort tätig, damals als Präparatorin. Die Begegnung mit dem Museum und seinen historischen Sammlungen hat dann wohl maßgeblich zu ihrer Studienwahl beigetragen. ”In diesen Sammlungen ist Wissenschaftsgeschichte greifbar" sagt Katrin Böhme über das bereits seit der Universitätsgründung 1810 existierende Museum für Naturkunde, damals noch in den Räumen des heutigen Hauptgebäudes der Humboldt-Uni. ”Millionen und Abermillionen von Objekten: Insekten, Säugetiere, Vögel, Fische, Fossilien, Gesteinsproben, finden sich in den Sammlungen, deren Alter zum Teil bis in das 18. Jahrhundert zurückgeht. Die Mitarbeiter des Museums sind immer wieder auch mit dessen Geschichte konfrontiert."

Parallel zu ihrer Arbeit im Museum machte Katrin Böhme 1990 ihr Abitur an der Abendschule. 1991 schrieb sie sich an der TU Berlin zunächst für Geschichte, später für das Studium der ”Geschichte der exakten Wissenschaften und Technik" ein. Der Kreis schließt sich gegen Ende des Studiums 1997. Im Rahmen ihrer Magisterarbeit kehrt Katrin Böhme zum Museum für Naturkunde zurück, wo sie sich mit der Rolle der Botanik in der GNF beschäftigt. Dabei entstand auch die Idee, sich um die Erschließung des Archivs zu kümmern. Daß diese Arbeiten im Rahmen des jetzigen Projektes nur auf zwei Jahre beschränkt sind, bedauert Katrin Böhme sehr, ”das ist zu wenig Zeit, um alle Bände zu lesen". Bleibt die Hoffnung auf ein Folgeprojekt und dann, irgendwann in ferner Zukunft, vielleicht auch die Promotion.

urs


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