TU intern - Januar 1999 - Menschen
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Ob im Wasser, in der Luft oder im Boden - überall um uns herum laufen komplizierte biologische und physikalisch-chemische Prozesse ab. Das Zusammenwirken dieser Prozesse bildet die Grundlage des Lebens. Schon relativ geringe Störungen des Systems können verheerende Folgen nach sich ziehen. Mit den chemischen Prozessen und Wechselwirkungen in der Biospähre beschäftigt sich Wolfgang Rotard, neu berufener Professor für Umweltchemie an der TU Berlin. Sein Fachgebiet ist eine noch junge Wissenschaftsdisziplin, die in den letzten 20 Jahren entstand. Grob gesagt widmen wir uns der Herkunft und dem Schicksal von natürlichen und von den Menschen verursachten sogenannten anthropogenen Stoffen. In Zusammenarbeit mit anderen naturwissenschaftlich-technischen Disziplinen werden deren Bildung, Verteilung, Anreicherung, Abbau und Wirkung untersucht", erläutert Professor Rotard. Besondere Aufmerksamkeit widmen die TU-Forscher am Fachgebiet Umweltchemie den besonders langlebigen - sogenannten persistenten - anthropogenen Stoffen und deren Verhalten in der Umwelt. Nicht selten führen diese zu einer Belastung unserer Umwelt. Ursache sind weniger einzelne Katastrophen, wie Tschernobyl, Seveso oder Bhopal, sondern vor allem der massenhafte Einsatz solcher Stoffe oder unerwünschte Beimengungen in Chemikalien. Schlagwörter wie Ozonloch und Klimakatastrophe stehen für Prozesse, bei denen menschliche Einwirkungen den Lebensraum Erde möglicherweise nachhaltig beeinflussen. Ziel unserer Forschung muß es sein, durch Schadstoffvermeidung oder -minimierung die Umweltqualität zu verbessern. Das bedeutet, eine umweltverträgliche Lebens- und Produktionsweise zu entwickeln und Gefahrenpotentiale zu mindern", sagt Wolfgang Rotard. Die komplexen Verhaltens-, Transport- und Wechselwirkungsmechanismen von Schadstoffen in der Umwelt können zur Zeit allerdings noch nicht ausreichend durch Modelle beschrieben werden. In den meisten Fällen ist daher eine empirische Vorgehensweise notwendig. Dazu werden Methoden der angewandten Umweltanalytik eingesetzt. Ein Beispiel ist die sich über die Nahrungskette anhäufende inakzeptabel hohe Dioxinbelastung von gestillten Säuglingen. Um herauszufinden, daß letztlich die emissionsbedingte, aber extrem geringe Dioxinbelastung der Luft dafür verantwortlich war, mußte ein Analyseverfahren entwickelt werden, mit dem Dioxine noch in Bereichen von 10-12 Gramm pro Kubikmeter Luft nachweisbar ist. Weitere Forschungsvorhaben zur Grundwassersanierung, zur Isolierung und Identifizierung von Algentoxinen sowie zur Umweltproblematik von langlebigen Chlorparaffinen, die als Weichmacher oder Schmieröl verwendet werden, und Flammschutzmitteln sind in Planung. Zur Zeit laufen bereits zwei Projekte zum Thema Schadstoffminderung" im Rahmen des Sonderforschungsbereichs 193 Biologische Behandlung industrieller und gewerblicher Abwässer" sowie ein Projekt zur Erkennung der Quellen von Abwasserverschmutzungen mit Hilfe chemometrischer Methoden. Dabei werden statistische Methoden und computergestützte Datenanalysen eingesetzt. Auch organisatorisch soll sich etwas ändern. Bisher war das Fachgebiet Umweltchemie als Hauptfach in den Studiengang Technischer Umweltschutz" eingebunden. Zukünftig soll es auch am neuen Vertiefungsfach bzw. Hauptfach Bodenschutz/Bodensanierung und maßgeblich am Fachgebiet Luftreinhaltung (Atmosphärenchemie, Immissionen) beteiligt sein. Christian Hohlfeld © 1/'99 TU-Pressestelle |