TU intern - Januar 1999 - Medien

Gibst Du mir, so geb' ich dir

Zu Gast bei der Tauschstelle der Unibibliothek

Man kann jahrelang an einer Universität studieren und doch gibt es immer noch Einrichtungen, von denen man nichts gehört hat. Zu diesen Abteilungen könnte an der TU Berlin die Tauschstelle der Unibibliothek gehören. Manch einer, der die Pflichtexemplare seiner Doktorarbeit bei der Dissertationsstelle abgab, das Werk damit der Öffentlichkeit zugänglich machte und dafür die letzte Unterschrift erhielt, die ihn noch von der Urkunde zum Dr. rer. nat., Dr.-Ing. oder Dr. phil. trennte, stand gleich daneben, ohne es zu wissen. Wohl nur die wenigsten ahnen, daß ihr Werk von dort vielleicht schon bald den Weg nach München, Dortmund oder sogar ins Ausland antreten wird.

In der Franklinstraße 15, Hinterhof, erste Etage, treffe ich Werner Villwock, den Leiter der Publikationsstelle der Unibibliothek. Er erklärt, was es mit der dortigen Tauschstelle auf sich hat. ”Die Tauschstelle ist eine Unterabteilung der Dissertationsstelle. Beide bilden zusammen mit dem Schriftenvertrieb die Abteilung Publikationen". In der Praxis besteht die Tauschstelle aus einem Raum mit vielen Regalen, in denen noch mehr Postfächer, insgesamt sind es etwa 100, untergebracht sind. Kleine Namensschilder daran geben an, wo die Sendung hingehen soll. Zum Beispiel zur Technischen Hochschule in Aachen, zur Gesamthochschule in Duisburg oder zur Uni München, aber auch ausländische Namen, wie Technische Hogeschool Eindhoven oder British Library, Boston, sind dort vermerkt. Gesammelt werden in diesen Fächern Exemplare der eingehenden Dissertationen, ausgewählt danach, für welchen der vier Bereiche Naturwissenschaft, Technik, Wirtschaftswissenschaft oder Geisteswissenschaften man sich beim Adressaten interessiert. Ist ein größerer Stapel von Dissertationen zusammengekommen, wird gepackt und das Paket an die jeweilige Uni verschickt. Im Gegenzug dazu senden die Bibliotheken der anderen Universitäten ihre Dissertations-Exemplare zur Tauschstelle nach Berlin, die sich heute vor allem für Arbeiten aus Naturwissenschaft und Technik interessiert. Früher kamen bis zu 6000 Eingänge im Jahr bei der Tauschstelle an. Seitdem der Schwerpunkt bei Naturwissenschaft und Technik liegt, sind es noch rund 3500 Dissertationen. Diese werden katalogisiert und dann an die Einbandstelle der Hauptbibliothek weitergeleitet.

Das rege Tauschgeschäft trägt erheblich dazu bei, daß sich die Dissertationen nicht, wie oft vermutet, in endlos langen Regalen der Dissertationsstelle stapeln. ”Heute gibt's wegen der verringerten Pflichtabgabe und wegen des Tauschs kaum noch Reste" erklärt Werner Villwock. ”Von einer Dissertation zum Dr.-Ing. beispielsweise gehen 35 Exemplare in den Tausch. Ein oder zwei Arbeiten gelangen in die Hauptbibliothek, zwei weitere Exemplare werden zur Deutschen Bibliothek nach Leipzig geschickt, die per Gesetz dazu verpflichtet ist, alles zu sammeln, was in Deutschland gedruckt wird". So bleiben von den Pflichtexemplaren der Dissertationen nicht mehr viele übrig, seit die Kultusministerkonferenz im Jahr 1988 empfahl, die Anzahl der Pflichtexemplare von 150 und mehr auf 40 zu reduzieren. ”Gott sei Dank" sagt Werner Villwock, ”wir hatten vorher Magazinräume, die nichts als Kosten verursacht haben". Etwa 500 Dissertationen werden im Jahr an der TU Berlin eingereicht. Die meisten davon, rund 70 Prozent, dienen der Erlangung des Dr.-Ing. Pflichtexemplare, die nicht getauscht werden oder in die Hauptabteilung kommen, landen für wenigstens vier Jahre im Dissertationsarchiv. Dieses ist zwar nicht für den Publikumsverkehr geöffnet, kann aber, wenn eine Dissertation nicht mehr zu finden ist, für Suchende schon einmal die letzte Rettung bedeuten. Existieren mehrere Exemplare einer Arbeit, so können diese für einen Unkostenbeitrag von 5 DM erworben werden.

Von den Entwicklungen im Bereich der neuen Medien wird auf Dauer auch die Publikationsstelle der TU nicht ”verschont" bleiben. Schließlich befürwortete der Akademische Senat Mitte vergangenen Jahres, daß Dissertationen in Zukunft auch als elektronische Version abgeliefert werden können. Obwohl Werner Villwock manchen Entwicklungen in diesem Bereich eher reserviert gegenüber steht, ”das ist modisch und einiges liegt im Bereich des Aktionismus", sieht er auch die Vorteile der neuen Medien. Elektronisches Publizieren beispielsweise könne große Erleichterungen, insbesondere Zeitersparnis, bei Literatursuche und Fernleihe bringen, während durch Multimediadarstellungen zusätzliche Informationen übermittelt würden. Daß die Papierversion einer Dissertation ganz verschwindet, kann er sich jedoch nicht vorstellen. ”Es wird noch weniger gedruckte Exemplare geben und eine elektronische Publikation parallel dazu", lautet seine Vorhersage.

Ursula Resch-Esser


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