TU intern - Juli 1999 - Hochschulpolitik

Ein Ausbruch von Frustration

TU-Präsident Ewers zum Bericht des Personalrats

Was Herr Bedewitz in seinem Bericht über die Personalversammlung am 11. Juni 1999 freundlich als ”temperamentvolle Rede" des Präsidenten beschreibt, war ein spontaner Ausbruch von Frustration über die Behandlung ”der Leitung" in dieser, aber nicht nur in dieser Personalversammlung. Meine Frustration macht sich vor allem an der Widersprüchlichkeit der an ”der Leitung" geübten Kritik fest: Treten wir mit einem bis ins Detail ausgefeilten Maßnahmenvorschlag im Rahmen der Verwaltungs- und Strukturreform vor die universitätsinterne Öffentlichkeit, werden wir der undemokratischen Mauschelei, der Verhinderung von Partizipation und der Überrumpelung bezichtigt. Beteiligen wir dagegen, wie wir es durchgängig tun, den Personalrat sowie Vertreter und Vertreterinnen der jeweils Betroffenen an dem Entscheidungsprozeß in einem frühen Stadium, wo wir selber noch gar nicht wissen, was wir letztendlich ”wollen sollen", werden wir der Konzeptionslosigkeit geziehen, weil wir Fragen nach dem angestrebten Endzustand im Detail natürlich (noch) nicht beantworten können. Denn wir wollen es ja gemeinsam mit den Betroffenen herausfinden.

ENTSCHEIDUNGSVERFAHREN NICHT VERSTANDEN?

Wer also in einer solchen Situation Fragen nach detaillierten Folgewirkungen und deren Kompensation stellt oder gar seine Mitarbeit von der vorherigen Beantwortung solcher Fragen durch ”die Leitung" abhängig macht, hat entweder das Entscheidungsverfahren nicht verstanden oder handelt in Verhinderungsabsicht. Ich unterstelle letzteres niemandem und versuche deshalb im folgenden, anhand der vom Vorsitzenden des Personalrates genannten Beispiele das Entscheidungs- und Umsetzungsverfahren kurz zu erläutern:

ZRZ und Referat V B: Die Leitung hat 1998 ein Gutachten über den Neustrukturierungsbedarf im Bereich der gesamten Informations- und Kommunikationsdienstleistungen von den Herren Grötschel und Gotschewski erbeten, das anschließend von der IuK-Präsidialkommission evaluiert und in Richtungsempfehlungen umgesetzt wurde, die auch ZRZ und V B betreffen. Zur Detaillierung und Umsetzung der Empfehlungen habe ich Prof. Rebensburg zum IuK-Beauftragten ernannt. Er arbeitet jetzt mit seinem Team - u. a. auch unter Einbeziehung der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen von V B - daran, den Bedarf, die Kosten und die Möglichkeiten der organisatorischen Umsetzung für die gesamten IuK-Dienstleistungen zu ermitteln und sie dem Präsidium zur Entscheidung vorzulegen.

DAS ZIEL IST KLAR, NICHT DER WEG

Für den Bereich des (ehemaligen) Referats V B lernen die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen das neue Konzept am schnellsten kennen, weil sie es mitgestalten, und haben damit die besten Möglichkeiten, sich selber mit ihren Fähigkeiten und Neigungen in der neuen Struktur zu positionieren. Man kann das natürlich auch so formulieren, wie Herr Stumpf es (siehe Text von Herrn Bedewitz) auf der Personalversammlung tat.

Budgetierung: Dies ist eines der schwierigsten und mühsamsten Reformprojekte, in dem zwar das Ziel klar ist (nämlich Verantwortung zu dezentralisieren und Anreizsysteme zur vernünftigen Ausübung dieser Verantwortung zu entwickeln), aber nicht der genaue Weg zum Erreichen dieses Ziels. Natürlich kann Frau Becker-Syed beklagen, daß (auch) der Präsident die Antworten (noch) nicht kennt, aber was anderes hätte man bei dieser offenen Vorgehensweise unter Beteiligung unterschiedlicher Interessengruppen erwarten dürfen?

Controlling: In der Tat beabsichtige ich im Augenblick nicht, über das Projekt ”Controlling" zu informieren, weil es (noch) nichts zu informieren gibt. Wie das Controlling aussehen wird, hängt weitgehend von der Art der Budgetierung ab. Und wenn das so ist, muß man eben einen Schritt nach dem anderen machen.

Ausschluß betriebsbedingter Kündigungen: Nachdem die Verträge zwischen dem Senat von Berlin und den Hochschulen bis zum Jahr 2002 verlängert und die beschlossene Sollstruktur der TU Berlin damit im wesentlichen für die nächsten drei Jahre gesichert ist, kann selbstverständlich daran gedacht werden, den Verzicht auf betriebsbedingte Kündigungen bis zum Jahre 2002 zu verlängern. Voraussetzung dafür ist allerdings noch die Zustimmung des Abgeordnetenhauses zu den Verträgen. Zusätzlich muß geklärt sein, wie Senat und Abgeordnetenhaus mit dem noch ausstehenden Votum des Wissenschaftsrates zu den Strukturplänen der Hochschulen im Hinblick auf finanzielle Konsequenzen für die Universitäten umgehen wollen.

MEHR FLEXIBILITÄT UND MOTIVATION

Selbst wenn diese Entscheidung positiv in dem Sinne ist, daß die Substanz der von der Universität beschlossenen Sollstruktur finanziell gesichert bleibt, müssen sich alle Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen darüber im klaren sein, daß die TU für den Verzicht auf betriebsbedingte Kündigungen einen Preis zahlen muß. Denn praktisch blockiert der jetzt bekannte bzw. absehbare Überhang dem Umfang nach nicht nur die gesamten Mittel der Innovationsreserve, der TU-internen Forschungsförderung, der Projektförderung in der Lehre und der Nachwuchsprogramme für Frauen, sondern verlangsamt auch ganz erheblich die Geschwindigkeit, mit der neue Schwerpunktfelder aufgebaut und dringend erforderliche Wiederbesetzungen von Professorenstellen vorgenommen werden können. Diesen Preis kann die TU nur zahlen, wenn alle ihre Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen das ihnen gebotene Privileg der Jobsicherheit mit einem Mehr an Flexibilität und Motivation beantworten und auf diese Weise die Qualität unserer Dienstleistungen und unserer Reputation zu heben helfen. Mit kämpferischen Reden, eine ”Reform zum Nulltarif" sei nicht zu bekommen, ist es da nicht getan.


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