TU intern - Juli 1999 - Alumni
Uwe Ahrens

Raumfahrt und menschliche Ersatzteile

”Das Skelett ist eines der komplexesten Systeme im menschlichen Körper." Der so spricht, hat nicht etwa ein Medizinstudium hinter sich. Uwe Ahrens ist Absolvent des Studienganges Luft- und Raumfahrttechnik der TU Berlin und Vorstandsvorsitzender einer Implantate-Firma, der aap Implantate AG.

”Wir haben uns auf die Fahnen geschrieben, menschliche Ersatzteile zu bauen", faßt Ahrens das ehrgeizige Programm seines Unternehmens zusammen. ”Zur Zeit kümmern wir uns um die ,Funktionseinheit Skelett'", erklärt er weiter, ”dieses wird häufig unterschätzt, aber es ist ein sehr komplexes System. Es umfaßt verschiedene Zellarten, eine eigene Blutversorgung, ein eigenes Lymphsystem und sogar eine eigene Haut. Schäden am Skelett zu heilen ist ähnlich kompliziert, wie zum Beispiel ein Kunstherz zu bauen."

Über 5000 verschiedene ”Ersatzteile" für das menschliche Skelett können die Kunden des Unternehmens, die aus über 40 Ländern kommen, bestellen. Das Angebot umfaßt Teile wie Schrauben, Nägel, Platten oder künstliche Gelenke. Eine Neuentwicklung, die sicher bald auf den Markt kommen wird, ist ein Nagel, der nach der Implantation wachsen und dadurch einen Knochen verlängern kann. Für den Oberschenkel will aap demnächst ein ganzes Baukastensystem auf den Markt bringen. Forschungsarbeiten zum Wachstumsverhalten von Knochenzellen brachten auch Erkenntnisse darüber, wie Gefäßwachstum stimuliert werden kann. Dies könnte ein erster Schritt sein auf dem Weg zu ”autologen Implantaten". Organe, die aus körpereigenen Zellen geklont wären und die Gefahr einer Abstoßung nach der Operation nicht mehr beinhalten würden. Voraussetzung für ihre Integration wäre jedoch ein funktionierendes Gefäßsystem, das Organ und Körper verbindet.

Eigentlich wollte Ahrens, der zunächst eine Lehre als Werkzeugmacher bei VW absolvierte, Medizin studieren. ”Aber da bin ich um 0.1 in der Note am Numerus Clausus vorbeigerutscht". Ahrens schrieb sich für Physik ein, merkte aber bald, daß er damit seinem Ziel, etwas zu tun, was Technik und Medizin verbindet, nicht näher kommen würde. Per Zufall erfuhr er von einer Tutorenstelle im Institut für Luft- und Raumfahrt. ”Wir haben dort Programme zur Verformung anisotroper Werkstoffe geschrieben", erzählt Ahrens, ”da war der Schritt zu den Knochen nicht mehr weit". Zusammen mit seinem Assistenten bestimmte und optimierte er das Krafteinleitungsverhalten von Prothesen. Ahrens verließ die Uni nicht nur mit seinem ersten Kunstknochen, sondern auch mit einem Vertrag der Firma Mercon in der Hand, für die er bereits an der TU Aufträge bearbeitet hatte. Als das Unternehmen geschlossen werden sollte, übernahm Ahrens 30 Angestellte sowie den größten Teil des Maschinenparks und gründete die aap GmbH & Co KG.

Heute hat das Unternehmen über 100 Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen, eine eigene Vertriebstochter in den USA und einen Jahresumsatz von rund 10,5 Millionen Mark. ”Wer hier arbeiten will, muß extrem bereit sein, neue Dinge zu lernen", erklärt Ahrens die Anforderungen an seine Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen. ”Alle durchlaufen zunächst ein Trainingsprogramm. Dazu gehört es auch, im OP eines Krankenhauses Erfahrungen zu sammeln. Nur wer die Praxis kennt, kann auch die passenden Produkte entwickeln". In Puncto Praxiserfahrung setzt auch Ahrens Kritik an der Uni an. ”Dort wird viel zu wenig Kostenbewußtsein gelehrt". Auch in Sachen Menschenführung lasse die Ausbildung an der Uni sehr zu wünschen übrig.

BÖRSENGANG IM MAI

Im Mai des Jahres ging die Anfang 1997 zu einer AG umgewandelte aap an die Börse. ”Die Firma börsenfest zu machen war der größte Streß, den ich mit dem Unternehmen jemals erlebt habe", berichtet Uwe Ahrens über die zweijährige Vorbereitungszeit. ”Aber wenn man den Ehrgeiz hat, ein Unternehmen zum global player zu machen, dann muß man diesen Schritt irgendwann tun", und das hat man bei der aap fest geplant.

Ursula Resch-Esser

In der TU intern stellen wir in der Rubrik "Meinungen aus der Praxis" jeden Monat einen Alumni vor. Wir berichten darüber, wie ihr Berufseinstieg aussah, was sie heute tun und was sie über die TU Berlin denken. Die bisher erschienenen Porträts haben wir für Sie in einer Übersicht dargestellt.


© 7/'99 TU-Pressestelle