TU intern - Juli 1999 - Wissenschaft

Wenn der Tag zur Nacht wird ...

Totale Sonnenfinsternis am 11. August 1999

Sonnenfinsternis am 11. Juli 1991 in Baja California, Mexiko
Totale Sonnenfinsternisse gehören wohl zu den eindrucksvollsten Naturschauspielen auf unserer Erde. Wer selbst Zeuge eines dieser Ereignisse wurde, versteht die damit verbundenen Ängste der frühen Kulturen und Naturvölker - ist doch unsere gesamte Lebensgrundlage vom Sonnenschein abhängig.

Mit der wissenschaftlichen Aufklärung wich die Angst der Neugierde: vor dem Satelliten-Zeitalter waren die wenigen Minuten der Totalität die einzige Möglichkeit der Astronomen, die strahlenförmige Sonnenkorona zu studieren, die sonst völlig überstrahlte äußerste Sonnenatmosphäre. So wurden und werden immer noch gut vorbereitete wissenschaftliche Expeditionen zu totalen Sonnenfinsternissen geschickt. Aber auch eine zunehmende Anzahl von interessierten Laien läßt sich dieses einmalige Ereignis nicht entgehen - vor allem, wenn dazu noch eine reizvolle Landschaft lockt. Ich selbst hatte die Möglichkeit, totale Sonnenfinsternisse am Strand von Baja California, in den chilenischen Hoch-Anden und in der Karibik zu erleben. Meine Eindrücke möchte ich hier kurz schildern - vielleicht sind ja auch Sie am 11. 8. in der Totalitätszone.

Wenn man sich in dem Gebiet postieren möchte, in dem die Sonnenfinsternis total wird, sollte man auf besondere Regelungen und auf mögliche Auswirkungen eines großen Andranges vorbereitet sein. So führte 1994 die Anfahrt von Zehntausenden Touristen zur Finsternis in den chilenischen Hoch-Anden zu einer Auto-Lawine mitten in einer lebensfeindlichen Gebirgswüste und machte eine vorübergehende Einbahnstraßenregelung auf der einzigen Straße nach Bolivien erforderlich - in den gesamten 24 Stunden vor und nach dem Ereignis. Außerdem stiegen die Preise für Nahrungsmittel sprunghaft an: So wurden bis zu 20 US $ für sogenannte ”Eclipse Burger" verlangt und bezahlt. Man kommt also besser rechtzeitig, sucht sich eine ruhigere Ecke und hat etwas Verpflegung, Getränke und eine gute Karte dabei.

Den Verlauf der partiellen Phasen einer Sonnenfinsternis beobachtet man am einfachsten mit Hilfe eines Stückes Pappe, in das man ein ein bis zwei Millimeter großes Loch gebohrt hat, durch welches man das Sonnenlicht auf eine ca. ein Meter entfernte matt-weiße Fläche (z. B. Schreibpapier) fallen läßt. Nach dem Prinzip der ”Camera obscura" entsteht dort ein etwa 10 mm großes, auf dem Kopf stehendes Sonnenbild. - Sehen Sie dagegen auf keinen Fall direkt in die Sonne! Auch mit einer Sonnenbrille können Ihre Augen dabei Schaden nehmen! Ungefährlich ist es nur mit speziellen, sehr starken Filtern (z. B. Schweißer-Gläser der Stärke 13).

DIE ZEIT SCHEINT ZU FLIEGEN

Mit zunehmender partieller Verfinsterung wird das Sonnenlicht immer fahler, seine Kraft nimmt auch auf der Haut spürbar ab, und die Schatten werden unnatürlich scharf. Aber das ist nur das Vorspiel - wer sich jetzt nicht im Totalitätsstreifen befindet, der versäumt die Hauptsache! Der Lichtabfall in den letzten Momenten vor der Totalität ist dramatisch, die letzten Strahlen der Sonnensichel weichen binnen weniger Sekunden, und an einem tief dunkelblauen Himmel steht plötzlich der weißliche Strahlenkranz der Sonnenkorona. Der Himmel am Horizont ist hellorange verfärbt wie in einer späten Abenddämmerung - aber hier kommt der Lichtschein von ringsherum! Sofern einzelne Wolken am Himmel stehen, heben sie sich dunkel vom Himmel ab und sind dramatisch orangefarben von unten beleuchtet. Die Planeten und allerhellsten Sterne werden am Himmel sichtbar, aber es wird nie völlig dunkel. Das Fehlen jeglicher Schatten in diesem sehr reduzierten Licht und die merkwürdige Farbgebung dazu erzeugen einen befremdlichen, aber unbeschreiblich schönen Natureindruck - besonders, wenn man sich einen Beobachtungsort im Freien mit guter Sicht ausgesucht hat.

Wenn die Sonne vollständig vom Mond verdeckt ist, kann man auch ohne Gefahr von Augenschäden direkt zu ihr herauf schauen. Mit dem bloßen Auge können Sie jetzt die Korona mit ihren Strahlen und Bögen betrachten. Aber allzu schnell (am 11. 8. 1999 nach nur zwei Minuten und 20 Sekunden) sind diese kurzen Momente der Totalität zu Ende! Man verschätzt sich dabei total: Überflutet mit einer Unmenge an ungewöhnlichen Wahrnehmungen erscheint für das überforderte Gehirn diese Zeit geradezu geflogen zu sein. Plötzlich bricht mit einer unbeschreiblichen Intensität der erste Sonnenstrahl am Mondrand hervor, und in einer Sekunde verblaßt die Sonnenkorona wie ein Spuk. Die Schatten kehren zurück, nur das noch sehr fahle Licht erinnert an das eben Gesehene. - Eine Stunde später ist alles wieder so wie immer, aber für Sie wird diese gleißende Sonne dort oben am Himmel ihre langweilige Selbstverständlichkeit verloren haben!

Klaus-Peter Schröder, Institut für Astronomie und Astrophysik


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