TU intern - Juli 1999 - Wissenschaft

Das Wasser der Wüste

Nutzung der Grundwasserressourcen in der Ostsahara

Vor 8000 Jahren entstanden riesige Grundwasserressourcen in der Ostsahara
”Das Wasser der Wüste" untersuchten Wissenschaftler in einem der wohl erfolgreichsten Sonderforschungsbereiche (Sfb) der Deutschen Forschungsgemeinschaft. Der Sfb 69 ”Geowissenschaftliche Probleme in ariden und semiariden Gebieten", an dem auch Wissenschaftler der TU Berlin beteiligt waren, endete Mitte der neunziger Jahre. Das Engagement der TU-Forscher in dieser Region der Erde ging jedoch weiter. Dr. Ulf Thorweihe, Forschungsschwerpunkt GEOSYS der TU Berlin, berichtet:

Die enormen Grundwasservorkommen der Ostsahara, die vor allem in Libyen und Ägypten liegen, werden seit Anfang der 60er Jahre intensiv erschlossen. Jedoch wurde lange Zeit nicht über die Frage nachgedacht, woher im trockensten Raum der Erde diese Wassermassen stammen könnten. Erste Untersuchungen in den späten 20er Jahren favorisierten ein Modell großräumiger Grundwasserströmung aus regenreichen Gebieten südlich der Sahara. Diese Hypothese, die ein Gleichgewicht von Grundwasserzustrom und -entnahme unterstellt, sei sie natürlich in den Oasen oder künstlich in den Erschließungsprojekten, war über Jahrzehnte Grundlage aller Landesplaner vor Ort.

Diese Strömung kann jedoch aufgrund der begrenzten Durchlässigkeit der Gesteine, des extrem kleinen Gefälles des Grundwasserspiegels und der damit verbundenen extrem kleinen Fließgeschwindigkeit, innerhalb kurzer Zeiträume nichts zu diesem Gleichgewicht beitragen. Viele hunderttausende Jahre wären nötig, um mit ihrer Hilfe Grundwasserentnahmen zu ergänzen.

Es war eine der großen Herausforderungen des Sonderforschungsbereichs ”Geowissenschaftliche Probleme in ariden und semiariden Gebieten" der Berliner Hochschulen in den frühen achtziger Jahren, die Entstehungsgeschichte der Grundwasserressourcen in diesem Raum neu zu interpretieren. Methoden der Isotopenhydrologie und der numerischen Simulation belegten die Grundwasserbildung aus lokalen Niederschlägen während vergangener Feuchtzeiten. Die letzte Feuchtphase, in der Neubildung und Entnahme im Gleichgewicht standen, ging vor 8000 Jahren zu Ende. Danach gingen die Niederschlagsraten sukzessive zurück, vor 4000 Jahren erreichte die Sahara ihr heutiges Bild.

In den achtziger Jahren war die wissenschaftliche Herleitung der Entstehungsgeschichte dieser für Wüstengebiete enorm wichtigen Ressource eine Sensation, die zunächst auf viel Widerstand stieß. Es hat viele Anstrengungen gekostet, die Akzeptanz dieses Sachverhalts zu erreichen. Aber es hat sich gelohnt: Heute gibt es weder in Ägypten noch in Libyen, wo die großen Grundwassererschließungsprojekte liegen, Zweifel an der These nichterneuerbarer Grundwasserressourcen, die während vergangener Feuchtphasen gebildet wurden. Die Untersuchungen haben aber auch gezeigt, daß die Grundwassermengen weit größer sind als bisher angenommen, und daß daher in ausgewählten Gebieten Grundwasser viele Jahrzehnte bis Jahrhunderte gefördert werden kann. Die Limitierung ist nicht das Wasser, sondern der zunehmende finanzielle Aufwand, es zu fördern.

Aus dieser veränderten Politik der Landesentwicklung entstand Anfang der neunziger Jahre das Sekretariat Observatoire du Sahara et du Sahel (OSS), dessen Aufgabe es ist, die Evaluierung der saharischen Grundwasserreserven auf einen wissenschaftlich modernen und aktuellen Stand zu bringen. Dies berücksichtigt unter anderem, daß die Nutzung des Grundwassers in allen Regionen der Sahara sukzessive gesteigert wurde, was vor dem Hintergrund der extremen klimatischen Bedingungen hingenommen werden muß. Für das Gebiet der Ostsahara haben sich die beteiligten Länder Ägypten, Libyen, Sudan und Tschad auf eine gemeinsame Nutzungsstrategie geeinigt und die ägyptische Institution CEDARE (Center for Environment and Development for Arab Region and Europe) beauftragt, die Koordination dieses Projekts wahrzunehmen. Dabei sind Hydrologen und Hydrogeologen der TU Berlin, die im Sfb 69 für die Erfassung der Grundwasserressourcen verantwortlich waren, gebeten, diese zweite regionale Grundwasserevaluierung wissenschaftlich zu begleiten. Sie sollen die geologischen, hydrogeologischen und hydrologischen Erfahrungen, die in der Vergangenheit für ein Gebiet von 2 Mill. km2 gewonnen wurden, in die Simulationsarbeit einbringen. Es wurde seitens der TU eine Studie ´state of art´ vorgelegt, eine hydrogeologische Karte der Ostsahara wird derzeit erarbeitet. Das Projekt wird finanziert durch IFAD (International Fund for Agricultural Development) zunächst bis Juni 2000.


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