TU intern - Juni 1999 - Studium

Architekturstudierende bauen in Mexiko

Gemeinschaftshäuser in Lehm- und Holzbauweise in Indiodörfern

Sieben Wochen lebten und arbeiteten die Studierenden des Fachbereichs Architektur mit den Indios der Region Oaxaca in Mexiko
Ein Praktikum fernab der Hochschule in der mexikanischen Provinz? Für 22 Studierende des Fachbereichs Architektur der TU Berlin wurde dieser Traum Wirklichkeit. Sie verbrachten Anfang dieses Jahres zwei Monate in vier verschiedenen Dörfern im südlichen Bundesstaat Oaxaca. Sieben Wochen lang lebten und arbeiteten sie mit den Indios dieser Region. Bei einfachster Unterbringung und Verpflegung - dreimal täglich Tortillas und schwarze Bohnen - bauten sie zusammen mit den Dorfbewohnern mehrere Gemeinschaftshäuser und eine Dachziegelwerkstatt. "Dieses Praktikum wurde eine der reichsten und vielleicht auch prägendsten Zeiten unseres Studiums", resümierten die Studierenden, die während ihres Aufenthaltes zahlreiche Freundschaften geschlossen hatten.

Die Vorbereitungen für den Bau der Gebäude führten die Studierenden in einem Entwurfseminar von Prof. Ingrid Goetz und Susanne Dussel im Wintersemester 1998/1999 durch. Da die einzelnen Dorfgemeinschaften dringend Gemeinschaftshäuser benötigten, stellte die katholische Kirche der Provinz Oaxaca Grundstücke zur Verfügung. In den Gemeinschaftshäusern sollen Alphabetisierungs-, Ernährungs- und Gesundheitskurse stattfinden.

EINE BASIS ZUM LEBEN

Bereits im Vorjahr hatten zwei Drittsemesterstudenten während der Semesterferien drei Lehmhäuser und eine Dachziegelwerkstatt für verwitwete Frauen in dem Dorf Zaniza gebaut und eingerichtet. Die alleinstehenden Frauen, die seit Jahren unter der Armutsgrenze lebten, hatten sich in einer Cooperative zusammengeschlossen, um ihre katastrophalen Lebensbedingungen zu verbessern. Heute bietet ihnen die Ziegelwerkstatt eine wirtschaftliche Basis zum Leben.

Angeregt durch die Erfahrungen der Studenten im Vorjahr, wollte eine große Anzahl von Studierenden, zum größten Teil Frauen, dieses Projekt in Mexiko weiterführen. Die Finanzierung der Reisekosten der Studierenden und der Werkzeuge und Baumaterialien für die Gemeinschaftshäuser übernahmen das Auslandsamt der TU Berlin, die Gesellschaft von Freunden der TU Berlin, der DAAD sowie private Sponsoren und Firmen. Bemerkenswert ist, daß die Studierenden eigene Gelder für den Kauf der Baumaterialien spendeten.

In Oaxaca angekommen, galt es die Schwierigkeiten der Baumaterialbeschaffung und des Transportes in die unzugänglichen und von jeglicher Kommunikation abgeschnittenen Dörfer zu bewältigen. In jeder Dorfgemeinschaft wurden Versammlungen einberufen , in denen in spanisch und zapotekisch die Projekte an Hand der mitgebrachten Modelle diskutiert wurden. Die Entwürfe fanden große Zustimmung und die Dorfbewohner beschlossen, sich nicht nur an den Bauarbeiten zu beteiligen, sondern auch die Studierenden während dieser Zeit unterzubringen und zu beköstigen.

Die Bauten wurden von vornherein für die ortsüblichen Baumaterialien, nämlich Flußsteine für die Fundamente und Lehmsteine für die Wände konzipiert. Im Dorf Río Humo, wo Holzbau Tradition ist, verwendeten die Studierenden ausschließlich den Werkstoff Holz. Die Dorfbewohner lernten neue, einfach herzustellende Bautechniken, wie z. B. die Ringbalkentechnik, die die Lebensdauer und Erdbebensicherheit der Häuser erhöht. In Zusammenarbeit mit dem Institut für Tragwerkslehre des Fachbereichs Architektur und Mitarbeitern der Bauingenieurfakultät, die auch an dem Projekt vor Ort teilnahmen, wurden einfache und wirtschaftliche Lösungen für die Dachkonstruktionen aus Holz entwickelt.

Im Dorf Teojomulco bauten die Studierenden zusammen mit den Frauen einer neuen Frauencooperative eine weitere Dachziegelwerkstatt. Die Frauen lernten die technisch einfache Herstellung der Zementdachziegel, ein Verfahren, das den Verbrauch kostbaren Brennholzes erspart, da die Ziegel nicht gebrannt werden müssen. Die Gemeinschaftshäuser konnten so schon mit den neuen Zementdachziegeln eingedeckt werden. Dieses Konzept überzeugte den Marie-Schlei-Verein e. V. (Hilfe für Frauen in der dritten Welt), der den Bau der Ziegelwerkstatt finanzierte.

Nach dem guten Gelingen dieses abenteuerlichen Unternehmens ist geplant, im nächsten Jahr weitere Projekte in diesen Dörfern mit interessierten Studierenden zu verwirklichen, sofern sich neue Finanzierungsmöglichkeiten realisieren lassen.

Prof. Ingrid Goetz, Susanne Dussel

Wer sich für das Projekt interessiert, kann vom 4. Juni bis 9. Juli 1999 die Ausstellung "Studenten bauen in Mexiko" im Architekturgebäude, Straße des 17. Juni 152, im Foyer 1. OG, besuchen. Die Ausstellung zeigt Fotos und Pläne des Projektes und versteht sich als Baustellenreportage. Sie ist von montags bis freitags von 9-20.00 Uhr zugänglich.


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