TU intern - Mai 1999 - Wissenschaft

Den Ansprüchen älterer Menschen gerecht werden

Haushaltsgeräte sind nicht immer an die Bedürfnisse älterer Menschen angepaßt
Altern sollte als Chance begriffen werden: für die Gesellschaft ebenso wie für neue Dienstleistungen und neue Produkte. So lautete eine der Schlußfolgerungen, mit denen die DFG-Forschergruppe SENTHA, "Seniorengerechte Technik im häuslichen Alltag", ihren Workshop Mitte März zusammenfaßte. Die interdisziplinäre Arbeitsgruppe, an der mehrere Institute der TU Berlin beteiligt sind, hat sich zum Ziel gesetzt, Produkte zu entwickeln, die den Anforderungen älterer Menschen besser gerecht werden. Im Rahmen des Workshops kamen die Möglichkeiten, aber auch die Grenzen ihrer Arbeit zur Sprache.

SENIOREN ALS KUNDENGRUPPE

Fest steht, daß die Unabhängigkeit älterer Menschen durch seniorengerecht gestaltete Haushaltsgeräte unterstützt werden kann. Das Alterszittern (Tremor) in den Händen beispielsweise macht es schwierig oder gar unmöglich, Geräte sachgerecht zu bedienen, wenn deren Bedienelemente zu klein oder zu eng beieinander angeordnet sind.

Fest steht auch, daß die Industrie dabei ist, ältere Menschen, die einen immer größeren Anteil an der Bevölkerung ausmachen, als Kundengruppe zu entdecken. Die Akzeptanz von seniorengerechten Produkten wird allerdings stark davon abhängen, welche Formensprache sie haben und wie sie angepriesen werden, da in der heutigen Gesellschaft das Alter negativ besetzt ist. So warnte der Arbeitswissenschaftler Ralph Bruder beispielsweise davor, Produkte ausdrücklich als seniorengerecht zu bezeichnen. Statt dessen solle als Bezugsgröße - etwa für die Kraftressourcen der Nutzer - lieber eine wertneutrale Spanne "von-bis" angegeben werden.

Übertriebene technische Hilfe, auch das wurde im Rahmen des Workshops diskutiert, könne allerdings auch neue Abhängigkeiten schaffen. Technik kann den Nutzern Reize zur Gestaltung ihres Lebens oder Übung ihrer Möglichkeiten nehmen, beispielsweise wenn ein Fahrstuhl dazu verleitet, die Muskeln nicht mehr zu trainieren. Der Umgang mit Technik soll Spaß machen können und anregende Reize bieten. Deshalb sollte bei aller angestrebten technischen Unterstützung alter Menschen das Training der verbliebenen psychischen und physischen Fähigkeiten an erster Stelle stehen.

Neben der Entwicklung neuer technischer Geräte kann auch die Architektur den spezifischen Bedürfnissen älterer Menschen Rechnung tragen.

ÜBERGANGSZONEN ZUM ÖFFENTLICHEN

Sabine Theis-Krömer von der RWTH Aachen forderte dazu Wohnbereiche, die sowohl dem Bedürfnis nach Nähe zu anderen als auch dem nach Distanz Rechnung tragen, und zwar so, daß beide Möglichkeiten vom Bewohner selbst beeinflußt werden können. So solle die Privatsphäre keine scharfe Grenze haben, sondern einladende Übergangszonen zum Öffentlichen aufweisen. Auf diese Weise könne auch die den älteren Menschen so wichtige Sicherheit vermittelt werden. Die Signalisierung eines Wunsches nach Kontakt (oder nach Ungestörtseinwollen) kann beispielsweise bei einem entsprechend gestalteten Wohnbereich durch das einfache Auf- oder Zuziehen eines Vorhangs geschehen.

Harald Schnur


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