TU intern - Mai 1999 - Frauen
"Nur die Positionen, aber nicht die Macht"Jutta Limbach zur Situation der Frauen heute und zur Geschlechtergerechtigkeit im 21. Jahrhundert
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"Selbstverständliches Angebot auf gleiche politische Teilhabe" |
Nur noch wenige Monate trennen uns vom Beginn des 21. Jahrhunderts. Dieser Jahrhundert-, ja Jahrtausendwechsel verführt zu Wünschen und Visionen. ( ) Die Losung eines neuen Feminismus (Natasha Walter, The new feminism, 1998) ist bereits ausgegeben. Dieser zeichnet, wenn auch kein kühnes, so doch ein hoffnungsfreudiges Zukunftsbild des heraufkommenden weiblichen Jahrhunderts: Danach werden in weiteren 100 Jahren gleichviel Frauen und Männer in Parlamenten zusammensitzen. Die Staatsspitzen werden vom weiblichen Element kräftig durchmischt sein. ( ) DANK DER MÄNNER Zunehmend wächst in dem Laufe des kommenden Jahrhunderts der Dank der Männer an die streitbaren Feministinnen des vorigen Jahrhunderts für egalitär formulierte Quotenregelungen wie etwa die des § 1 Abs. 3 des Gesetzes über den Berliner Verfassungsgerichtshof. Danach müssen "Männer und Frauen jeweils mindestens drei (der neun) Verfassungsrichter stellen". ( ) Gewiß, so justiert Natasha Walter dieses Bild, werden sich nicht alle in genau der gleichen Weise benehmen. Wir werden nach wie vor weniger Frauen auf Fußballplätzen begegnen, dafür mehr Frauen finden, die sich die Nägel lackieren und mit Blumen schmücken. ( ) Auch mögen vorzugsweise Frauen die kleinen Kinder betreuen. Doch wir werden wissen, so die Zukunftshoffnung der neuen Feministinnen, daß diese Aufgabenteilung das Resultat einer freien Wahl und nicht durch soziale oder wirtschaftliche Zwänge herbeigeführt ist (frei nach Natasha Walter, The new feminism, London 1998, S. 257). Das sind in Anbetracht der in diesem Jahrhundert erreichten Rechtsfortschritte in der Frauenfrage weder verwegene Hoffnungen noch gar kühne Traume. Aber wer wüßte besser als wir, daß Rechtsgleichheit für sich allein noch nicht Chancengleichheit oder gar die Gleichstellung der Frau in der Wirklichkeit bewirkt. ( ) Der in der letzten Bundestagswahl erreichte Frauenanteil von 30,6 Prozent ist ohne Zweifel ein Erfolg. In der gegenwärtigen Bundesregierung sind 15 Männer und fünf Frauen versammelt. Immerhin herrscht in zwei Länderkabinetten Geschlechterparität (Nordrhein-Westfalen und Hamburg). Aber seien wir ehrlich: Die Frauen teilen sich mit den Männern in den Kabinetten und Parlamenten nur die Positionen, aber nicht die Macht. ( ) Dieses Mißverhältnis in der Verteilung von politischer und wirtschaftlicher Macht ist keineswegs naturgegeben oder gar zufällig. ( ) Die Frauen in den Spitzenpositionen von Politik, Wirtschaft und Kultur zeichnen sich durch eine Gemeinsamkeit aus: Sie sind entweder alleinstehend, kinderlos oder aus dem Gröbsten heraus. Denn nach wie vor ist die Kinderfrage eines der größten ungelösten Probleme der Frauenfrage. ( ) VEREINBAREN VON FAMILIE UND BERUF Dieses Problem der Vereinbarkeit von Familien- und Berufsarbeit lasse ich aber heute hier dahingestellt, um mich ( ) auf die Partizipation von Frauen an politischer und wirtschaftlicher Macht zu konzentrieren. Auch hier sind den Frauen durch die Verfassung, die Gesetze und die Satzung der Parteien wichtige Startvoraussetzungen geschaffen worden. Frauen können heute berufstätig sein, ohne die Genehmigung des Ehemannes einholen oder dessen Kündigung befürchten zu müssen, wenn sie die Hausarbeit vernachlässigen sollten. Das egalitäre, Mann und Frau gleichberechtigende und gleichverpflichtende Familienrecht ist eine Frucht des Gleichberechtigungssatzes des Grundgesetzes. Die durch diesen herausgeforderte Reform ist aber auch dem Bundesverfassungsgericht zu danken, das den zögerlichen und mitunter halbherzig agierenden Gesetzgeber immer wieder angefeuert hat. ( ) Obwohl allenthalben vom back lash, vom Rückschlag im Sinne einer Rückkehr zu den traditionellen Geschlechterrollen die Rede ist, schießen internationale Konferenzen, die sich mit der politischen Partizipation von Frauen beschäftigen, nur so ins Kraut. Die einen - mehr wissenschaftlich ausgerichteten - Tagungen beschäftigen sich zum einen mit der Analyse der bisher weitgehend mißlungenen oder allenfalls bescheidenen "Feminisierung der Politik". Zum anderen gehen sie ( ) den Fragen nach, ob Frauen einer gleichen Repräsentation in politischen Gremien bedürfen und ob der beharrlich geringe Anteil der Frauen im politischen Leben liberale Gesellschaften zu einer Revision der Gesetze und Satzungen - etwa der Parteien - herausfordert, um künftig eine Geschlechterparität zu erreichen. Nun bin ich der Meinung, daß wir in der Bundesrepublik mit den Gleichstellungsgesetzen der Länder und den frauenpolitischen Maßnahmen der politischen Parteien durchaus etwas Zukunftsträchtiges und Beispielhaftes aufzuweisen haben. Kehren wir die Aufmerksamkeit kurz den Quotenregelungen der deutschen Parteien zur Gleichstellung von Frauen zu. Gewiß läßt sich nicht leugnen, daß der hohe Frauenanteil von Kandidatinnen noch nicht die Attraktivität einer Partei für Wählerinnen begründet. Das belegt der bescheidene Erfolg der kleinen, sehr frauenfreundlichen Parteien. Daß Frauen nicht "mit einer Stimme" sprechen oder wählen, belegt schon der Mißerfolg der starken Frauenbewegung in den USA, deren Frauenorganisationen zu den am besten organisierten in der Welt gehören (Birgit Meier). Das Bemühen um Geschlechterparität in den politischen Gremien begründet für sich allein nicht die Popularität einer politischen Partei. Geschlechterparität ist kein Prinzip, sondern eine Strategie. Will ich die Köpfe in der Wahl herausfordern, bedarf es eines Programm - sei es eines mit frauenspezifischen Inhalten oder mit anderen politischen Zielen. Es mag so sein, muß aber keinesfalls so sein, sollte vor allem nicht so sein, daß Frauen in der Politik sich ausschließlich mit Frauenpolitik beschäftigen. Empirische Studien zeigen, daß sich Politikerinnen in Parteien, Parlamenten und Regierungen vorzugsweise für Frauenpolitik sowie für eine liberale, an Menschen- und Bürgerrechten orientierte Politik für die sozial Schwachen und politisch Unterrepräsentierten einsetzen. ALLE POLITIKFELDER Birgit Meier bezeichnet es zu Recht als fraglich, ob dies zu einer erhofften Feminisierung der Politik und der Gesellschaft ausreicht. ( ) Erfolgreiche Politik von Frauen wird nicht zuletzt davon abhängen, inwieweit es ihnen gelingt, sich auch die übrigen Politikfelder zu erobern. Welche Gelder etwa für Frauenprojekte, Kinder- und Jugendprogramme zur Verfügung gestellt werden, wird nicht allein in dem einschlägigen Ressort, sondern im Finanzressort entscheidend mitverantwortet. In diesem Kreise sind wir uns darin einig, daß unser Interesse an der politischen Partizipation der Frauen nicht mit der Frage steht und fällt, ob und inwieweit Frauen eine feministische Politik betreiben oder einen angeblich weiblichen Führungsstil pflegen. Niemand von uns wird leugnen, daß Frauen einen anderen Erfahrungshorizont als Männer haben, daß sie die Aufmerksamkeit vorzugsweise auf soziale Probleme richten, die in der männerdominierten Politik zu kurz kommen. Nicht zu vergessen, daß Frauen durch die außenorientierten Ritualien der Politik (noch) nicht verformt sind. Und so mag die Antwort von Jane S. Jaquette auf die Frage durchaus zutreffen, wie es kommt, daß in den letzten zehn Jahren immer mehr Frauen politische Ämter bekleiden? Sie meint: "Mit der Verdrängung von Sicherheitsbelangen durch soziale Fragen in der politischen Landschaft nach dem Kalten Krieg ergaben sich Chancen für neue Führungsstile und eine Neuordnung politischer Prioritäten." Doch diese kausale Erklärung zunehmender Frauenpartizipation in der Politik darf nicht zu einem Rechtfertigungsmuster werden. Das heißt, die Frage, inwiefern sich durch die gleiche Partizipation von Frauen die Politik ändert, darf nicht zur Legitimationsfrage der Geschlechterparität hochstilisiert werden. Frauen müssen nicht die Nützlichkeit ihres politischen Engagements für die Gesellschaft dartun. Wer hätte je Männer mit dieser utilitaristischen Gretchenfrage konfrontiert? Oder wer hätte je gefragt, ob es genügend gescheite und sachkundige Männer für politische Ämter gibt? ( ) Die Frauen haben in der Demokratie ein selbstverständliches Anrecht auf gleiche politische Teilhabe. Sie müssen nicht erst Goethes Sentenz unter Beweis stellen, daß der Umgang mit Frauen das Element guter Sitten sei. Frauen sind nicht das bessere Geschlecht. Sollte die vermehrte Präsenz von Frauen auf der politischen Bühne verfeinernd auf die Austragung von Konflikten wirken, so ist das eine erfreuliche Nebenfolge, aber nicht die Rechtfertigung ihrer Mitwirkung. FURCHT VOR KONTROVERSEN Diese Klarstellung diskreditiert nicht im mindesten die feministischen Politikziele, die auf die Erweiterung der männlichen Problemsicht und das Aufbrechen der Vorherrschaft des männlichen Geschlechts in Politik, Gesellschaft, Kultur und Wirtschaft zielen. Im Gegenteil. ( ) Nach wie vor ist demoskopischen Umfragen zufolge das Desinteresse der Frauen an Fragen der Politik und Wirtschaft bemerkenswert. ( ) Ein Grund für die geringere Neigung von Frauen, sich an politischen Diskussionen zu beteiligen, ( ) ist die Furcht vor aufgeladenen Kontroversen (Renate Kocher). Offenbar müssen vor allem die Frauen lernen, daß sich die Demokratie nicht durch die Eintracht ihrer Bürger auszeichnet als vielmehr durch die Fähigkeit, in politischen Auseinandersetzungen immer wieder zu einem Kompromiß und idealerweise zu einem Konsens zu kommen.
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