TU intern - Mai 1999 - Wissenschaft
Von der Brille zum LaserskalpellIndustrie und Forschung treffen sich zur 100. Tagung der Deutschen Gesellschaft für angewandte Optik an der Technischen Universität Berlin
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Laserlicht ist heute aus der angewandten Optik nicht mehr wegzudenken | ||
"Alle hatten den Wunsch nach intensivem Gedanken- und
Ideenaustausch - besonders auch zwischen Forschung und Industrie."
Was klingt wie ein Wunsch aus unseren Tagen beschreibt einen Vorgang,
der viele Jahre zurückliegt. 1923 trafen sich Fachkollegen
aus Hochschulen und Industrie, um die Deutsche Gesellschaft für
angewandte Optik zu gründen (DGaO). Mit 54 Teilnehmern tagten
sie zum ersten Mal im Physikalischen Hörsaal der Handelshochschule
Berlin. Ihr Gedankenaustausch muß fruchtbar gewesen sein:
Im Mai 1999 treffen sich die Mitglieder der DGaO zu ihrer hundertsten Tagung.
"Während man damals mit dem Begriff Optik hauptsächlich Brillen, Fotoapparate, Ferngläser oder Mikroskope in Zusammenhang brachte, sind heute viele neue Bereiche hinzugekommen", erklärt Hans Joachim Eichler. Er ist Professor am Optischen Institut der TU Berlin und Geschäftsführer der Tagung. Optische Anwendungen sind heute in nahezu allen Bereichen des Lebens zu finden. Dies zeigen auch die Schwerpunkte der Konferenz, die unter anderem bei der Informations- und Kommunikationstechnologie, der Medizin und der Weltraum- und Umwelttechnik liegen. Röntgenteleskope beispielsweise, mit denen auch der kürzlich gestartete Röntgensatellit ABRIXAS ausgestattet ist, sollen bei der Erforschung des Weltalls helfen und unter anderem Schwarze Löcher aufspüren. Kein einfaches Unterfangen, da diese "sterbenden Sterne" nicht direkt nachzuweisen sind. Sie ziehen nicht nur alle Materie in ihrer Umgebung, sondern sogar das Licht an. Die energiereichere Röntgenstrahlung dagegen kann sich dem Sog entziehen und dazu genutzt werden, die schwarzen Löcher aufzuspüren. Voraussetzung dafür sind die Röntgenteleskope, die mit bisher nicht gekannter Präzision hergestellt wurden. In einer Gemeinschaftsarbeit von Forschung und Industrie mußten neue Verfahren entwickelt und neue Materialien ausgewählt werden. RÖNTGENLITHOGRAPHIE An Fortschritten im Bereich der Röntgenoptik hat auch die Halbleiterindustrie Interesse. Ihr geht es darum, die Strahlung in der Lithographie einzusetzen. Mit ihren extrem kleinen Wellenlängen könnte sie die Herstellung kleiner Strukturen und damit kleinerer, schnellerer und preiswerterer Bauelemente ermöglichen. Als "irdische" Quellen solcher Röntgenstrahlung werden Synchrotrone eingesetzt wie zum Beispiel der Elektronenbeschleuniger BESSY II in Berlin-Adlershof.
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Optische Geräte beim Einsatz in der Augenheilkunde | ||
Die Lasermedizin ist ein weiteres Einsatzgebiet der angewandten
Optik, für die zum Beispiel an der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt
und der Laser- und Medizin-Technologie gGmbH Berlin (LMTB),
einem An-Institut der TU, Verfahren und Geräte entwickelt
werden. Neben dem Abtragen und Schneiden an der Körperoberfläche
können mit Hilfe der scharf gebündelten, leistungsstarken
Laserstrahlung, die durch Glasfasern übertragen wird, heute
auch Gefäßerkrankungen behandelt oder Tumore im Körperinneren
entfernt werden. Diese "minimal invasiven" Methoden
der Chirurgie sind für die Patienten sehr schonend. Auch
in der medizinischen Diagnostik gewinnen neue optische Verfahren
an Bedeutung. Die Kohärenztomographie mit Laserlicht soll
z. B. die Durchleuchtung des menschlichen Gewebes ohne den Einsatz
von Röntgenstrahlung ermöglichen.
HOHE KAPAZITÄTEN FÜR DATENÜBERTRAGUNGSNETZE Von großem Interesse für die Wirtschaft dürften auch Entwicklungen im Bereich der Informations- und Kommunikationstechnik sein. Klaus Petermann vom Fachgebiet Hochfrequenztechnik der TU Berlin untersucht Möglichkeiten, die Kapazität der Datenübertragungsnetze zu erhöhen. Aufgrund des rasanten Wachstums des Internets wird dessen Kapazität voraussichtlich in einigen Jahren erschöpft sein. Die optische Datenübertragung per Laserstrahl und Glasfaser soll weiterhelfen. Die Industrie entwickelt Verfahren, bei denen bis zu 100 Wellenkanäle gleichzeitig über eine einzige Glasfaser übertragen werden. Es konnten auf diese Weise bereits mehrere Terabit pro Sekunde (1012 bit/s) durch eine einzelne Glasfaser verschickt werden. Für diese Datenmenge benötigte man mit herkömmlichen Methoden über 100 Millionen Fernsprechverbindungen. OPTISCHE DATENSPEICHER Ebenfalls um eine Erhöhung der Kapazität geht es bei den optischen Datenspeichern. In den Labors von Hans Joachim Eichler arbeitet man an holographischen Datenspeichern. Hier beruht die Kapazitätssteigerung darauf, daß an einer Stelle mehrere Informationen abgelegt werden, ohne daß diese sich gegenseitig stören. Während auf der CD von heute viele kleine Vertiefungen angebracht sind, die der Laserstrahl ausliest, sollen die CDs der Zukunft mit winzig kleinen Gittern versehen werden, welche übereinanderliegen können. Das Auslesen erfolgt mit Lasern unterschiedlicher Wellenlänge (oder Farbe), wobei die Gitter jeweils nur für bestimmte Wellenlängen sichtbar sind. Die Wissenschaftler versprechen sich von diesem Verfahren Erhöhungen der Speicherkapazität auf 100 GByte. "Photonen oder Lichtteilchen", da ist sich Hans Joachim Eichler sicher, "werden einen bestimmenden Faktor in Forschung und Wirtschaft des 21. Jahrhunderts darstellen." Schon jetzt haben die CDs, die optisch ausgelesen werden, die magnetisch abgetasteten Disketten in der Unterhaltungselektronik zurückgedrängt. Das Telekom-Netz in den neuen Bundesländern ist flächendeckend mit Glasfasern bestückt. "Nachdem sich die Optik bei der Übertragung von Daten durchgesetzt hat, müßte in Zukunft auch die Signalverarbeitung optisch durchgeführt werden", sagt Eichler. Aber dazu ist noch einiges an Entwicklungsarbeit nötig, an deren Ende optische Computer und Prozessoren stehen könnten. Ursula Resch-Esser
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