TU intern - Mai 1999 - Studium
In der Werkstatt schweißen oder Räder einspeichenStudierende bei der Konstruktion eines Solarmobil-Bausatzes
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Projektstudium macht's möglich: Schweißen und Räder einspeichen gehörte ebenso zu den Lehrinhalten wie Präsentationstechnik und Projektmanagement | |
Die Anforderungen an Absolventen haben sich verändert,
und viel theoretisches Wissen, eine besondere Diplomarbeit oder
gute Beziehungen reichen oft nicht mehr aus, um eine berufliche
Karriere zu beginnen. Deshalb erproben einige Fachbereiche der
TU Berlin zur Zeit neue Methoden der Ausbildung.
Viele technische Probleme sind effektiv nur zu lösen, wenn sich Entwickler mehrerer Fächer an seiner Lösung beteiligen. Warum also soll man nicht schon in der Ausbildung lernen, mit Technikern anderer Fächer zusammenzuarbeiten oder ein Projekt erfolgreich zu präsentieren? Aus diesen Gedanken heraus entwickelte sich das Studienreformprojekt Fachübergreifendes Innovationslernen, das im Wintersemester 1998/99 zum ersten Mal eine Veranstaltung an der TU Berlin anbot. Die unter der Koordination der Professoren Dietrich Naunin und Heinz-Hermann Erbe stehende Veranstaltung bot 15 Studierenden vier verschiedene Projekte an, von denen eines in der Konstruktion eines Solarmobil-Bausatzes bestand. EINE IDEE PRAKTISCH REALISIEREN Als sich Anfang des letzten Wintersemesters einige Studierende zu dieser Veranstaltung anmeldeten, dachten sie sich schon, daß in diesem Semester anders gelernt und gearbeitet werden würde, als es sonst in Seminaren oder Vorlesungen der Fall ist. Aber kein Teilnehmer der Gruppe ahnte, daß er auf einmal in der Werkstatt stehen würde, um zu schweißen oder Räder einzuspeichen. Projektstudium an der TU bedeutet, eine Idee praktisch zu realisieren. Die Idee alleine oder ein Plan reichen nicht mehr aus: Das Gerät soll fertig werden und zu benutzen sein. Die Vorgabe präzisierte die Gruppe selbst und einigte sich schließlich auf die Konstruktion eines Bausatzes: ein Gefährt auf drei Rädern, das aus Teilen besteht, die einfach zu bekommen sind. Viele Fahrradteile sollten eingebaut werden. "Unsere Idee war, den Bausatz so zu konstruieren, daß sich Schüler oder Auszubildende das Mobil selbst zusammenbauen. Sie könnten dann Wettbewerbe organisieren und sich auf diese Weise mit dem Thema der regenerativen Energie auseinandersetzen", erklärt Nils Thamling. Er studiert ebenso wie vier weitere Teilnehmer Energie- und Verfahrenstechnik. Matthias Frechen hat zwar als Student der Gebäudetechnik auf den ersten Blick nicht viel mit dem Bau von Fahrzeugen zu tun. In seiner Freizeit entwickelt er aber Liegefahrräder und gründete bereits eine Firma dafür. Auch Lars Krüger sammelte schon beim Bau zweier Elektromobile praktische Erfahrung. Die Idee mit dem Bausatz könnte es den Schülern ermöglichen, selbst über Verbesserungen nachzudenken und das Mobil weiterzuentwickeln. NICHT ALLES LIEF NACH PLAN Trotz der schon vorhandenen Erfahrung in der Gruppe lief anfangs nicht alles nach Plan: Erst sollte die Arbeit auf die Herstellung der Pläne und das Kontrollieren der Fertigung begrenzt sein. Aber plötzlich waren die Werkstätten ausgebucht, und die handwerklichen Arbeiten mußten in Eigenarbeit ausgeführt werden. Die Gruppe suchte eine neue Werkstatt und arbeitete sich in die Geheimnisse des Schweißens ein. Andere Probleme waren schon eher zu erwarten: Wie verhält sich ein Dreirad bei Kurvenfahrt? Wie konstruiert man da die Lenkung? Welcher Motor eignet sich am besten? Welche Bremsen sind die effektivsten? Nun galt es, bestimmte Themen auch theoretisch anzusprechen. Als Gegenstand von Referaten erarbeitete ein Projektteilnehmer einen Vorschlag zur Lösung, den die Runde diskutierte. So kamen alle technischen Fragen zur Sprache. Zu der öffentlichen Abschlußpräsentation Mitte Februar stellte die Gruppe den fast 50 Zuhörern ein fahrbereites Mobil vor: eine Mischung aus Dreirad und Liegefahrrad mit Flachdach. Drei Solarmodule versorgen die Batterie mit elektrischem Strom. LERNEN FÜRS LEBEN Auf dem Lehrplan des Projekts standen auch Präsentationstechnik und Projektmanagement. Eine Idee sei nur wenig wert, wenn sie im Unternehmen nicht so präsentiert werden könne, daß das Projekt auch umgesetzt würde, erklärt Andreas Manthey, der zusammen mit Robert Volkheimer und Heinrich Büssing die Projektgruppe betreute. "Mehr und mehr werden an unsere Absolventen Anforderungen gestellt, die in den Lehrplänen bisher nicht vorgesehen sind. Auf diese Anforderungen wollen wir mit dem Studienreform-Projekt reagieren und Kenntnisse vermitteln, die im Berufsleben einen hohen Stellenwert haben." Die Erfahrungen mit dem Reformprojekt schätzen alle Teilnehmer und Betreuer als sehr gut ein, auch wenn anfängliche Schwierigkeiten nicht ausblieben. In einem neuen Programm zu lernen bedeutet eben auch, mit Überraschungen zu leben und sie in den Lernplan einzubauen. Der Austausch mit den anderen Gruppen des Reformprojektes gab allen Teilnehmern die Möglichkeit, neue Anregung für die eigene Arbeit zu bekommen. Die Ausbildung in der Energie- und Verfahrenstechnik sei sehr speziell auf die Betreibung von Kraftwerksanlagen zugeschnitten, erklärt Lars Krüger, der sich für die Teilnahme am Projekt entschied, um Bereiche der Energietechnik kennenzulernen, die im Alltag eine größere Rolle spielen. Das Reformprojekt wird im Sommersemester fortgeführt. Informationen dazu sind unter Tel. 312-2 45 01 zu erhalten. German von Blumenthal © 5/'99 TU-Pressestelle |