TU intern - Mai 1999 - Frauen

Visionen für die Zukunft der Frauen

Zum Gründungskongreß der Europäischen Akademie für Frauen in Politik und Wirtschaft

Eine gezielte Frauenförderung durch Quoten forderte Rita Süßmuth
Die Stimmung war gut, als sich am 17. April dieses Jahres im Roten Rathaus mehrere hundert Frauen versammelten, die es in Politik, Wissenschaft und Wirtschaft zu Rang und Namen gebracht haben - unter ihnen Professorinnen, Ministerinnen und Unternehmerinnen, aber auch viele neugierige junge Frauen, die noch ganz am Anfang ihrer Laufbahn stehen. Sie waren aus allen Teilen Deutschlands und aus dem Ausland zusammengekommen, um ihre Visionen und Ziele für die Zukunft zu diskutieren.

Anlaß des Treffens war die Gründung der "Europäischen Akademie für Frauen in Politik und Wirtschaft e. V.", deren Vorsitzende und Initiatorin die TU-Professorin Barbara Schaeffer-Hegel vom Fachbereich Unterrichts- und Erziehungswissenschaften (FB 2) ist. "Wir wollen mit der Akademie in der neuen Hauptstadt Berlin eine starke und machtvolle Verbindung von vielen Frauen und vielen Frauenverbänden und -netzwerken schaffen, um die Forderung nach geschlechter- und generationsgerechten Reformen wirkungsvoll in die Entscheidungsgremien von Politik und Wirtschaft sowie in die Öffentlichkeit zu tragen", formulierte Barbara Schaeffer-Hegel die Ziele der Akademie in ihrer Begrüßungsansprache.

VISIONEN FÜR EIN BESSERES LEBEN

Auf dem Gründungskongreß wurden die Ziele und Aufgaben der "Europäischen Akademie für Frauen in Politik und Wirtschaft" in Form von Vorträgen und Diskussionen debattiert: Die amüsante und eloquente Einstiegsrede hielt die Präsidentin des Bundesverfassungsgerichtes Prof. Dr. Jutta Limbach. In ihrem Vortrag "Geschlechtergerechtigkeit im 21. Jahrhundert" breitete sie ihre Visionen für ein besseres Leben der Frauen nach der Jahrhundertwende aus (Auszüge aus der Rede s. u.). Gefolgt wurde Jutta Limbach von Susanne Porsche, der Geschäftsführerin der Media Productions München GmbH. Susanne Porsche plädierte in ihrem Vortrag "Frauen in der Führung - Chancen für die Wirtschaft" für eine gleichberechtigte Anteilnahme von Frauen in Führungspositionen jenseits der Quotenregelung und auf der alleinigen Basis ihres Könnens und ihrer Qualifikation: "Es darf im Sinne der berechtigten Ansprüche aller Frauen nur um Qualität nicht um Quantität gehen", sagte Susanne Porsche und machte sich damit Feinde im Publikum. Versöhnlicher stimmte dagegen der Vortrag von Dr. Norbert Bensel, Mitglied im Vorstand der debis AG, in dem es um "Gleichberechtigung in Unternehmen - Chancen für weibliche Führungskräfte" ging. Bensel zeigte auf, wie ein Unternehmen durch interne Maßnahmen der Netzwerkbildung, aber auch durch eine freiere Arbeits- und Zeiteinteilung weibliche Führungskräfte unterstützen kann.

Das Nachmittagsprogramm des Kongresses im Hotel Grand Hyatt eröffnete Prof. Dr. Rita Süssmuth mit dem Vortrag "Frauen in die Politik - Wege aus der Machtlosigkeit". Anders als Susanne Porsche plädierte sie für eine gezielte Frauenförderung durch "Förderprogramme, Quoten bzw. Quoren, Frauenbeauftragte, Frauenförderpläne, denn", so Rita Süssmuth, "die Mehrheit der Frauen hat in unserer Gesellschaft die Erfahrung gemacht, daß Können und Qualifikation keine Garantie für ihre Beteiligung ist."

Gegen Ende ihres Vortrags erinnerte Rita Süssmuth an die Verpflichtung der Akademie gegenüber Frauen, denen es weniger gut gehe. Diese mit entsprechenden Programmen finanziell und ideell zu unterstützen sei eine wichtige Aufgabe. Inwieweit die Akademie diese Verantwortung einlösen wird, muß sich noch zeigen. Gegenwärtig bietet die Akademie Frauen, die sich noch vor dem Berufseinstieg befinden, Unterstützung durch zwei Programme: "Preparing Women to lead" und "Innovation durch (E)Quality-Management" helfen Hochschulabsolventinnen beim Berufseinstieg und bereiten sie auf Führungspositionen vor. Neben Programmen zum Berufseinstieg bietet die Akademie Trainings- und Coachingseminare für Frauen in Führungspositionen an.

LÜCKE IM MITTELFELD

Zum gegenwärtigen Zeitpunkt fehlen jedoch Angebote für all jene Frauen, die sich zwischen Einstieg und Führungsposition befinden, die sich beruflich weiterentwickeln möchten und gerade deshalb die Unterstützung der Akademie vielleicht am nötigsten haben. Es wäre zu wünschen, daß die Europäische Akademie für Frauen in Politik und Wirtschaft diese Lücke im "Mittelfeld" durch entsprechende Angebote schließt.

Den Schlußpunkt der Redebeiträge setzte Barbara Schaeffer-Hegel mit dem Vortrag "Frauen und Macht heute - Gerechtigkeit für die Generation von morgen."

Im Anschluß an die Vorträge fand eine Podumsdiskussion mit Vertreterinnen der Medien und Frauenverbände aber auch mit Expertinnen aus dem Bereich der Karriereberatung statt. Die Vielfalt der Zusammensetzung spiegelte sich auch in der Unterschiedlichkeit der Diskussionsbeiträge, die von Ratschlägen zur persönlichen Karriereplanung über die Interessen des Deutschen Frauenrates mit mehreren tausend Mitgliedern bis hin zu einer gewünschten Resolution zum Kosovo-Konflikt reichten. In der Kürze der Zeit ließ sich diese Vielfalt nicht auf einen Nenner bringen, so daß die Akademie nach Abschluß des offiziellen Kongreß-Programms in erster Linie ein Bild ihrer Vielseitigkeit, aber auch ihrer Disparität bot.

UNTERSCHIEDLICHE STANDPUNKTE

Deutlich wurde vor allem, wie viele sehr unterschiedliche Frauen und unterschiedliche Standpunkte die Akademie unter ihrem Dach vereint. Sicherlich liegt darin auch ihre Stärke: Zum ersten Mal bringt die Europäische Akademie einflußreiche Frauen aus den unterschiedlichsten Bereichen der Gesellschaft zusammen. Dadurch hat sie die Möglichkeit, für mehr Durchlässigkeit zwischen Wirtschaft, Politik und Verwaltung zu sorgen, und kann wesentlich zu einer besseren Verständigung und Kooperation innerhalb der Gesellschaft beitragen. Ein erster Schritt in diese Richtung wurde mit dem Gründungskongreß Mitte April gemacht, und man darf gespannt sein, wie die Akademie ihr Potential in Zukunft nutzen und in die Praxis umsetzen wird.

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