TU intern - November 1999 - Studium
Unvorbereitet auf der ZielgeradenPsychologische Beratung hilft bei Angst vor Examensarbeit
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Endspurt: Im Studium bedeutet dies meist das Schreiben der Examensarbeit. Doch während Sportler für diesen Moment hart trainieren, landen Studierende häufig unvorbereitet auf der Zielgeraden | |
Das Schreiben der Examensarbeit ist die letzte große
Hürde, bevor das Studium der Vergangenheit angehört
und der Start ins Berufsleben endgültig beginnen kann. Doch
was geschieht, wenn diese Hürde unüberwindbar scheint
und die Schwierigkeiten beim Schreiben übergroß werden?
Die Pyschologische Beratung
der TU Berlin kann weiterhelfen.
Elke ging es nicht gut, schon seit längerem, eigentlich seit der Zeit, in der sie angefangen hatte, sich mit dem Gedanken zu beschäftigen, ihre Diplomarbeit zu schreiben. Sie sollte der fulminante Abschluss eines eher lauen Studiums sein, der Beweis, dass die ganze Studienzeit trotz Jobbens nebenher doch etwas gebracht hatte. Ihr Meisterstück sozusagen. Aber wie sah es jetzt damit aus? Schon ein Thema zu finden war nicht ganz einfach gewesen: "Jobtauglich" sollte es sein, nicht zu umfangreich und gleichzeitig auch noch interessant. Der Prof, den sie dann versuchte für ihr Wunschthema zu interessieren, war kurz, knapp und gar nicht interessiert. Immerhin hatte sie jetzt einen Betreuer, wenn auch nur auf dem Papier, denn Termine bekam sie selten und nur, wenn sie einen Nachdruck an den Tag legte, den sie nicht hatte. Eher schämte sie sich ihrer mageren Ergebnisse. Ihr Alltag hatte sich verändert. War vorher, durch Vorlesungen und Job, eine ziemlich feste Struktur da gewesen, dehnte sich nun ein ungenutzter Tag endlos aus. Eigentlich wollte sie ja arbeiten, aber mit jedem Tag fiel der Anfang schwerer, da das Defizit des vergangenen Tages aufgearbeitet werden musste. Eine Zeit lang konnte sie sich wenigstens spät abends noch an den Schreibtisch setzen, aber seit sie diesen Kampf verloren hatte, wagte sie sich nicht mehr in ihren Fachbereich. Seit mehreren Tagen mied sie sogar den Stadtteil, in dem ihr Fachbereich lag. Mit Freunden verabredete sie sich seitdem auch nicht mehr, einerseits, weil sie meinte, dass diese Zeit ihr zum Arbeiten fehlte, andererseits, weil sie sich schämte, über gar nichts anderes mehr reden zu können. Ihr Leben stagnierte. So oder ähnlich sehen die Geschichten aus, mit denen sich die Studenten und Studentinnen herumschlagen, die in die Gruppe "Examensarbeit - aber wie?" kommen. Dieses Gruppenangebot der Psychologischen Beratung der TU Berlin findet immer wieder neue Teilnehmer/ innen, denn Probleme beim Schreiben der Abschluss- oder auch nur der Studienarbeit sind ein häufiges Phänomen. War man während des Studiums, trotz aller Vereinzelung, noch eingebunden in den festen Ablauf von Studienalltag und Prüfungen, so muss die Abschlussarbeit nun allein bewältigt werden. Viele sind nun zum ersten Mal ganz auf sich alleine gestellt. Vielfach fehlen Techniken. Wie soll so eine Arbeit aussehen? Was muss hinein, was führt zu weit? Wie strukturiere ich meinen Arbeitsalltag, wo setze ich Prioritäten? Da viele Studenten sich neben dem Studium ihren Lebensunterhalt verdienen müssen, ist es ganz einfach, "keine Zeit" zu haben, indem dem Broterwerb Vorrang gegeben wird. Auch der zu hohe Anspruch an die eigene Arbeit kann eine Falle sein, wenn es nicht mehr darum geht, etwas so gut zu machen, wie man kann, sondern die Auszeichnung erreicht werden soll, ohne Rücksicht auf die eigenen Grenzen. Wer arbeitet schon gerne auf ein Ziel hin, von dem er intuitiv weiß, dass es unerreichbar ist? Das Anliegen der Examensgruppe ist es, diesen Fragen mit anderen zusammen nachzugehen und eine jeweils individuelle Handlungsstrategie zu erarbeiten. Dabei ist es von besonderer Bedeutung, dass jedes Mitglied der Gruppe sowohl betroffen als auch Experte oder Expertin ist. Die meist sechs Gruppenteilnehmer/innen können so zu einem eingeschworenen Team zusammenwachsen. Voraussetzung dazu ist die Bereitschaft, sich den anderen zu öffnen. Der Zusammenhalt der Gruppe kann zu einem Baustein beim endlichen Gelingen der Examensarbeit werden.
Ulrike Meibohm © 11/'99 TU-Pressestelle |