TU intern - November 1999 - Jubiläum

Vom Vorzug geladener Gäste vor einer kritischen Öffentlichkeit

Herr Präsident Ewers hat in seiner Ansprache auf dem Festakt am 15. Oktober als Teil seiner Zukunftsvision ein "Wir-Verständnis aller TU-Angehörigen, aus dem gemeinsame Kraftanstrengungen [erwachsen]" und ein "vertrauensvolle[s] Klima" angemahnt. Angesichts einer de facto nichtöffentlichen Veranstaltung ist dies eine interessante Forderung:

Der Festakt fand außerhalb der Vorlesungszeit statt, Pressemitteilungen enthielten keine Angabe der Uhrzeit oder des Ortes derVeranstaltung, der Festakt war nur mit Einlasskarte zugänglich und der Trakt rund um das Audimax wurde von uniformierten Sicherheitsleuten abgeriegelt. Insbesondere Studierende der Universität hätten, so sie interessiert gewesen wären, keine Chance zur Teilnahme gehabt. Gestatten Sie einem AStA-Mitarbeiter den Hinweis, dass eine derartige Einlasskontrolle bei einer Veranstaltung des AStA zu erheblichen Streitigkeiten geführt hätte. Das Präsidialamt hätte nämlich (zu Recht!) mit Hinweis auf die Raumvergabeverordnung der TU die Öffentlichkeit der Veranstaltung zur Voraussetzung für eine Raumvergabe gemacht!

Der Charakter dieser privaten Geburtstagsfeier des Präsidenten hat mich dann auch nicht weiter überrascht. 80 % der Anwesenden, um nur einen Umstand zu nennen, waren Männer, alle Redner männlichen Geschlechts, und die einzige Frau auf der Bühne hatte die Aufgabe, den Männern Wasser einzuschenken ... Und das lässt sich mit einem "Wir-Verständnis aller TU-Angehörigen" vereinbaren? Ich wüsste gerne, ob ich diesen Stil ebenfalls als Teil der Zukunftsvision von Herrn Präsident Ewers verstehen soll. Sollte der Kreis der auf dem Festakt Anwesenden ein Beispiel für die künftige Zusammensetzung der TU-Mitglieder sein? In seinen Worten, die "Aktionäre"? (Mindestanforderung an die zukünftige Teilhabe an der Universität wäre dann also, mal eben etwas Geld für den Erwerb von Aktien übrig zu haben. Es gab übrigens Zeiten, in denen das Wort "Teilhabe" jenseits des Handelsrechts noch eine ganz andere Bedeutung hatte!)

Dem geladenen Publikum schienen seine Äußerungen zu gefallen. Offenherzig und ohne jeden Widerspruch konnte er auf dieser Veranstaltung über all die Dinge herziehen, die ihm an der derzeitigen Universität nicht passen. Gegenüber vielen ihrer Mitglieder war diese Rede jedoch eine klare Kampfansage.

Ich spare mir an dieser Stelle den Kommentar zur Forderung nach Studiengebühren, meine Positionen und die des Präsidenten sind bekannt. Und die pauschale Kennzeichnung der Einstellung von Fächern als Verhinderung von "Wildwuchs" in der Lehre und Forschung mögen andere diskutieren. Meine Aufmerksamkeit gilt hier drei anderen Themen:

Nach Einschätzung von Herrn Präsident Ewers (und sein Nachredner, Herr Dr. Keitel, äußerte sich ähnlich) war das Ergebnis der Einführung einer "weitreichende[n] politisch-bürokratische[n] Mitbestimmung" und der Öffnung der Universitäten "für den Massenansturm der immer größeren Schar von Studierwilligen" Anfang der 70er Jahre die Ursache für einen "erhebliche[n] Qualitätsverlust in der Lehre und auch in der Forschung". Eine solche Position ist eigentlich nur als elitäre Hochnäsigkeit zu kennzeichnen: wenn viele studieren wollen, besagt sie, dann hindern sie die wenigen, die den Bildungserwerb wirklich verdient haben, an deren Weiterkommen. Und dass demokratische Kontrolle den echten Führungspersönlichkeiten nur hinderlich sei, ist in diesem Zusammenhang auch schon oft behauptet worden. Zumindest gewisse Kreise würden gerne die politische Grundposition, Wissenschaft und Bildung als demokratisierenden und demokratischen Faktor der Gesellschaft zu sehen, als Mode abtun. Herrn Präsident Ewers sollte jedoch nicht der Fehler unterlaufen anzunehmen, dies sei gesellschaftlicher Konsens.

Ebensowenig kann die Sammlung arbeitsmarktpolitischer Begriffe, die in seiner Rede enthalten waren, unwidersprochen bleiben. Wer "bedrohliche finanzielle Engpässe", "Nebeneffekte wie starke Motivationssteigerung" und "erhebliche Flexibilität der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter" in einem Atemzug erwähnt, kann zwar auf Zustimmung von allen hoffen, die ihr Schäfchen im Trockenen haben. Für alle Angestellten können solche Formulierungen aber nur eine Bedeutung haben: Wer hier nicht spurt, für den ist in Zukunft eben kein Geld mehr da - das Versprechen, ohne Kündigungen auszukommen hin oder her.

Den dritten Punkt nehme ich hier auf, weil er mich als studierender Wissenschaftshistoriker amüsiert: Herr Präsident Ewers fordert für die Forschungsschwerpunkte "von vornherein [eine] Partnerschaft mit einer Reihe von größere[n], aber auch mittlere[n] und kleinere[n] Unternehmen" und verspricht sich davon unter anderem gemeinsame Wettbewerbsvorteile "bei der weltweiten Privatisierung infrastruktureller Dienstleistungen"...Von der TU gebaute Abwasserrohre und Ampelanlagen? TU-Consulting für Telefontarife? Zusammen mit der Vorstellung, der Staatszuschuss an die TU sollte anhand ihres selbst erwirtschafteten Budgets ermittelt werden, erinnert mich dies an die Art, wie ursprünglich die preußische Akademie der Wissenschaften finanziert wurde: über ein Monopol für die Seidenraupenzucht und eines auf die Herstellung von Kalendern. Ich gebe allerdings zu, eine Pfründe ist mir als Finanzierungsquelle doch um einiges lieber als der unsinnige Glaube, die Qualität von Wissenschaft ließe sich aus ihrem Preis bestimmen, und damit könne sich die Gesellschaft aus ihrer steuernden Rolle gegenüber den Universitäten ruhig zurückziehen.

Für seine schöne neue Welt des marktförmigen Bildungsunternehmens konnte Herr Präsident Ewers sich auf seinem Festakt ohne Öffentlichkeit leicht eine Runde von Claqueuren einladen. Erschreckend ist allerdings das, was ich als Reaktion der Universitätsöffentlichkeit wahrnehme. Geballtes Desinteresse, die Hoffnung, mit dem Ende der Amtszeit des Präsidenten würde die derzeit schwächere politische Meinung schon wieder Mittel und Wege finden oder das bockige "Ich-habe-hier-doch-sowieso-nichts-mehr-zu-melden" aus den Fächern, deren Abwicklung letztlich beschlossen wurde, bestimmen derzeit das Bild. Die Studierenden, die MitarbeiterInnen, die politische Öffentlichkeit, an deren Adresse Herr Präsident Ewers seine Zumutungen richtete, scheinen sich nicht provoziert zu fühlen.

Warten wir also ab, ob an dieser Universität in den nächsten Jahren nicht nur wie zuletzt über Verteilungsfragen gezankt wird, sondern ob auch die Frage nach der grundsätzlichen Position von Wissenschaft in der Gesellschaft den Streit anfachen kann. Ich jedenfalls wünsche es mir.

Claus Colloseus, AStA

Richtig - Falsch

Richtig ist, dass der Festakt außerhalb der Vorlesungszeit stattfand. Falsch ist allerdings die Behauptung, dass die Pressemitteilungen keine Angabe der Uhrzeit oder des Ortes enthielten. Tatsächlich ist die Pressemitteilung 191b vom 5. Oktober 1999 überschrieben mit den Worten: ACHTUNG! BEGINN DES FESTAKTS IST UM 14.00 UHR. In der im WWW veröffentlichten Pressemitteilung waren sowohl Uhrzeit als auch Ort der Veranstaltung angegeben.

Richtig ist, dass uniformierte Sicherheitsleute im TU-Gebäude anwesend waren. Falsch ist allerdings, dass Studierende keine Möglichkeit zur Teilnahme an der Veranstaltung hatten. Zum einen wurde über die Studienbüros der Fachbereiche Architektur und Bauingenieurwesen ein Kontingent von 800 Karten für die Studierenden zur Verfügung gestellt. Darüber hinaus bestand die Möglichkeit, unmittelbar vor dem Beginn der Veranstaltung Eintrittskarten an einer eigens dafür eingerichteten Ausgabestelle im Foyer des Hauptgebäudes, neben dem Eingang, in Empfang zu nehmen.

tui


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