TU intern - November 1999 - Alumni

40000 km hat Nils Hellner während eines Stipendiums rund ums Mittelmeer zurückgelegt
Nils Hellner

Reise durch die Jahrtausende

Italien, Tunesien, Zypern, Israel, Ägypten, Jordanien, Syrien, Libanon, die Türkei und Griechenland: Bei wem steht nicht das eine oder andere dieser Länder ganz weit oben auf der Hitliste der Urlaubsziele? Nils Hellner hat sie alle gesehen. Er war in Taormina auf Sizilien, bei den Pyramiden Ägyptens und der Akropolis in Athen. Insgesamt 40000 Kilometer hat Hellner zwischen Oktober 1994 und November 1995 unter die Räder genommen und die antiken Stätten der Länder gleich im doppelten Wortsinn erfahren. Er war unterwegs als Stipendiat des Deutschen Archäologischen Instituts in Athen (DAI). "Eine", wie er sagt, "in der Forschungswelt wohl einmalige Gelegenheit, den eigenen Forschungsgegenstand ausgiebig kennenzulernen."

Und der heißt: Bausubstanz, genauer gesagt alte Bausubstanz. Nils Hellner ist Bauforscher. Nach seinem Studium der Architektur an der TU Berlin hat er sich für eine der vielen Nischen entschieden, die dieser Studiengang bietet. Sein Interesse gilt der theoretischen und praktischen Beschäftigung mit Gebäuden quer durch die Jahrtausende - egal, ob es dabei um ein denkmalgeschütztes Haus aus dem 20. Jahrhundert oder um die Reste eines Tempels aus dem dritten Jahrtausend vor Christus geht.

Das Interesse an antiken Bauwerken, aber auch die Freude am Reisen müssen Nils Hellner wohl schon in die Wiege gelegt worden sein. Zwei Monate nach seiner Geburt, im Februar 1965 in Göttingen, reist er mit seinen Eltern nach Athen, wo diese als Photographen am DAI arbeiten. Hellner besucht dort Grundschule und Gymnasium, bevor er 1976 nach Berlin kommt. Nach dem Abitur wird sein Reisedrang zunächst von der ZVS gebremst, die ihm einen Studienplatz an der TU Berlin zuweist. Doch neben "nächtelangem Zeichnen und hohen Kosten für Zeichenmaterialien und Modelle" hatte das Studium in Berlin auch seine guten Seiten. Hellner wusste die freizügige und fördernde Studienatmosphäre an der TU Berlin ebenso zu schätzen wie das Umfeld der Stadt mit seiner sehr offenen Architekturdiskussion. Das breit gefächerte Angebot und die freie Themenwahl der Diplomarbeit boten ihm bereits im Studium die Möglichkeit der "Nischensuche" für den späteren Beruf.

GRABUNGSASSISTENT AM HERAION

Dieser bringt Nils Hellner zurück nach Griechenland. 1993 wird er Grabungsassistent am Heraion von Samos. Schon seit 1910 sind deutsche Archäologen und Architekten an dieser Fundstätte aktiv. Sie zählt zu den größten Heiligtümern der griechischen Antike, ihre Blütezeit lag im fünften Jahrhundert vor Christus. "Zu meinen Aufgaben dort gehörte die Vorbereitung der meist zweimonatigen Grabungen vor Ort", erklärt Hellner. "Gearbeitet wird im Team von acht bis 20 Personen, darunter Archäologen, Anthropologen, Paläozoologen, Paläobotaniker, Geologen, Geophysiker und Grabungstechniker. Bei anderen Grabungen können aber auch schon einmal bis zu 100 Personen beteiligt sein. Hinzu kommen die Arbeiter, die das eigentliche Graben, d. h. das Schaufeln übernehmen." Als Architekt ist Hellner für die Bauaufnahme der zu Tage kommenden Architektur und die Koordination der Einmessung der gesamten Grabung zuständig. Hinzu kommt eine abschließende zeichnerische Dokumentation - "bei Windstille und ohne Schatten muß man auch schon einmal bei 60-70°C einen Plan zeichnen können". In Athen muß das Archiv mit Grabungstagebüchern, Fundinventar, Planinventar, Photos und Quellenhinweisen verwaltet werden. Gerade hier und bei der Präsentation der Ergebnisse auf Kongressen sind wissenschaftliches Arbeiten und präzises Formulieren in Wort und Schrift gefragt, "Fähigkeiten, die man sich als Architekt meist schwer erarbeiten muß", sagt Hellner. Neben den Arbeiten im Heraion hat er auch bei Unterwasservermessungen in den antiken Hafenanlagen von Delos oder in antiken Schiefersteinbrüchen von Kea mitgearbeitet.

WISSENSCHAFTLER IN BAYERN

1996 hat es ihn nach Bayern verschlagen, wo er ein Jahr später die Prähistorikerin Dr. Elisabetta Borgna heiratete, die er während seiner Arbeit in Athen kennengelernt hatte. Auch sein Sohn Nicolas wurde in München geboren. Als wissenschaftlicher Assistent arbeitet er dort am Lehrstuhl für Baugeschichte der TU München, betreut Studierende, veranstaltet Seminare und Übungen bevor er sich - meist abends - mit der eigenen Dissertation beschäftigt. Forschungsaufenthalte unter der Sonne von Samos sind auf die vorlesungsfreie Zeit beschränkt. Jedenfalls vorerst, denn Hellners Pläne für die Zukunft stehen fest: ein zweites Kind, Promotion Ende 2000 und: eine Arbeit irgendwo in einem warmen Land.

urs


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