TU intern - Oktober 1999 - Medien
Fremdsprachenunterricht: Dialog zwischen Mensch und MaschineZentraleinrichtung Moderne Sprachen eröffnet multimediales Sprachlernzentrum
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Noch herrscht Aufbaustimmung, aber am 1. November werden in der fünften Etage des TU-Hochhauses 20 Multimedia-Computer installiert sein | ||
Am 1. November eröffnet die Zentraleinrichtung Moderne Sprachen
der Technischen Universität Berlin (ZEMS) ein Multimedia-Sprachlernzentrum.
Die Einrichtung bietet neben Multimedia-Computern, die das individuelle
Erlernen verschiedener Sprachen unterstützen sollen, auch
traditionelle Audio- und Videoarbeitsplätze. Sie ist in der
fünften Etage des TU-Hochhauses am Ernst-Reuter-Platz 7 zu
finden. Finanziert wurde das Multimedia-Sprachlernzentrum mit
408000 DM aus Fördermitteln, die nach dem Hochschulbauförderungsgesetz
(HBFG) zur Verfügung standen.
Ausschlaggebend für die Einrichtung des Multimediazentrums war die Tatsache, dass an der Technischen Universität der Bedarf an Fremdsprachenkursen drastisch anstieg. Der Ausbau eines Bereichs, in dem Studierende mit Hilfe multimedialer Unterrichtsmaterialien selbständig lernen können, bot sich an, um der Überfüllung der Kurse entgegenzuwirken. Die Chancen und Grenzen dieses multimedialen Selberlernens wurden zuvor von einer Arbeitsgruppe der ZEMS untersucht und auf der Basis der Ergebnisse ein entsprechendes Konzept entworfen. SELBSTÄNDIG, ABER NICHT ALLEIN Auch wenn die Lernenden im neu eröffneten Multimediazentrum in die Lage versetzt werden, Sprachen selbständig zu lernen, so sollen sie dabei doch nicht allein gelassen werden. Dies wird zum einen durch ein differenziertes Beratungsangebot erreicht. Zum anderen werden sogenannte Kombinationskurse (Kombikurse) angeboten, die sowohl Unterrichtsphasen mit Lehrer als auch Selbstlernphasen beinhalten. Entscheidend ist, dass die Selbstlernphasen in den Unterrichtsstunden gründlich vor- und nachbereitet werden. Aus diesen Grundsätzen ergaben sich folgende Konsequenzen für die Gestaltung des Multimediazentrums: Neben 20 Multimedia-Computern gibt es je acht Arbeitsplätze mit traditionellen Audio- und Videorecordern. Die Computerplätze - davon einer behindertengerecht - sind mit modernen Flachbildschirmen (LCDs) ausgestattet, die den Blickkontakt zwischen Lehrenden und Lernenden möglichst wenig behindern. Dies ist nötig, damit im Rahmen von Kombikursen auch Unterrichtsphasen, bei denen kein Computer benötigt wird, im Sprachlernzentrum stattfinden können. Lernmaterialien sind für Deutsch als Fremdsprache, britisches und amerikanisches Englisch, Spanisch, Französisch, Portugiesisch, Italienisch und Chinesisch vorhanden. Es werden allgemeinsprachliche und fachsprachliche Kurse angeboten, außerdem besteht die Auswahl zwischen Programmen, die nach verschiedenen didaktisch-methodischen Grundlagen aufgebaut sind. Zu den einzelnen Programmen wurden Beschreibungen angefertigt, die Auswahl und Benutzung erleichtern. Das Zentrum verfügt über zwei Beratungsplätze. Die Lernberatung obliegt den wissenschaftlichen Mitarbeitern und vor allem den studentischen Hilfskräften. Letztere waren von vornherein entscheidend am Aufbau des Zentrums beteiligt. Die Lernberatung hilft auch bei der Vermittlung und Betreuung von Lernpatenschaften (Lernen in "Tandems"). Während der vorgesehenen Öffnungzeit, täglich 10-18 Uhr, sollten mindestens je eine Person für Aufsicht und Lernberatung präsent sein. Da die Zahl der studentischen Hilfskräfte sehr knapp bemessen ist, müsste sie bei großer Nachfrage deutlich erhöht werden. KEINE VERDRÄNGUNG DER LEHRE Hinter dem Konzept des Multimedialabors steht die Überzeugung, dass multimediales Selberlernen im universitären Sprachlernbereich eine Zukunft hat. Es muss jedoch festgestellt werden, dass von einer Verdrängung des lehrkraftgeleiteten Fremdsprachenunterrichts keine Rede sein kann. Was erreichbar sein dürfte, ist die qualitative und, da dies die Abbrecherquote senkt, auch quantitative Verbesserung des Sprachenlernens. Indem die Lehrenden von Dingen entlastet werden, die die Lernenden sinnvoll selbst erarbeiten können, werden sie frei für die Entwicklung TU-spezifischer Lernmaterialien und für die verbesserte individuelle Betreuung der Kombi- und Selberlernenden.
Heinrich H. Müller,
Lernen mit Multimedia?Die Arbeitsgruppe der ZEMS kam zu einer - in Grenzen - positiven Einschätzung des multimedialen Selberlernens. Hier einige Ergebnisse ihrer Arbeit: Multimedialität ermöglicht eine weitgehende Individualisierung des Lernens. CD-ROM- und Internet-Kurse eignen sich für den Erwerb oder die Auffrischung von Sprachkenntnissen auf der Anfänger- und Mittelstufe. Auf der Mittel- und Fortgeschrittenenstufe eröffnen CD-ROM und Internet mit ihrem riesigen Vorrat an authentischen Texten, Bildern, Tondateien und Animationen interessante Möglichkeiten für das Sprachstudium. Hierbei kommen freiere Lernformen zum Zuge. Für Studierende einer Technischen Universität sind dabei die Websites der Technischen Hochschulen und der Industrie des Ziellandes besonders interessant, da sie die Auseinandersetzung mit der natur- und ingenieurwissenschaftlichen Fachsprache erleichtern. Einen ähnlichen Zweck erfüllen zum Teil Fach-Sprachkurse auf CD-ROM, zum Beispiel multimediale Einführungen in die E-Technik für Studierende an amerikanischen Universitäten. Darüber hinaus ermöglichen E-Mail, Mailing-Listen und elektronische Chatrooms die schriftliche Telekommunikation, nicht nur mit Mitgliedern des Ziellandes, sondern auch mit Lehrkräften und anderen Lernenden. Internetradio und Internet-TV, die sich freilich erst mittelfristig durchsetzen dürften, eignen sich für authentische Hörverstehensübungen. Ebenfalls noch verbesserungsbedürftig und daher heute im Selbstlernbereich nur beschränkt nutzbar sind Neuerungen wie Spracherkennungs- und Ausspracheprogramme sowie Videokonferenzen, mit denen sich das Sprechvermögen schulen lässt. Das multimediale Selberlernen wird erschwert durch eine verwirrende Vielfalt von Sprachlernprogrammen, die heute auf dem Markt sind. Hinzu kommt, dass viele Programme längere Einarbeitungszeiten erfordern. Da bei freieren Übungen eine Fehlerkorrektur nicht möglich ist, verwenden viele Programme langweilige "Drill- und Killübungen", die jegliche Motivation "abtöten". Schließlich sind die meisten Studierenden von der Schule her an einen lehrkraftzentrierten Fremdsprachenunterricht gewöhnt. Die hat zur Folge, dass ihnen lernstrategische Entscheidungen schwerfallen und sie sich mit dem Selberlernen überfordert fühlen. H. M./J. L. © 10/'99 TU-Pressestelle |