TU intern - Oktober 1999 - Forschung

Offen für alle

Gibt es überhaupt Frauen?" Wer dieser vielleicht verwirrend klingenden Frage nachgehen will, der muß hoch hinaus. Im 20. Stock des TU-Hochhauses, am Ernst-Reuter-Platz 7, spricht Dr. Käthe Trettin am 3. November zu dieser Frage. Ihr Vortrag findet im Rahmen des Forschungskolloquiums des Zentrums für Interdisziplinäre Frauen- und Geschlechterforschung der TU Berlin (ZIFG) statt. So wie die Lage seiner Büro- und Seminarräume ist vielleicht auch das Zentrum selbst eine besondere Einrichtung an einer Technischen Universität, in der Frauen in manchen Fachbereichen auch heute noch selten anzutreffen sind.

Gegründet wurde das Zentrum für Interdisziplinäre Frauen- und Geschlechterforschung am 18. Dezember 1996 als Einrichtung des Fachbereichs 1 Kommunikations- und Geschichtswissenschaften. Es soll sich, wie es im Entwicklungsplan des FB 1 heißt, "in Forschung und Lehre mit der historischen und aktuellen Entwicklung der Geschlechterverhältnisse und deren Relevanz für die Ordnung von Gesellschaften insgesamt" beschäftigen. Dabei will das Zentrum die drei Bereiche Lehre, Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses und Forschung gleichberechtigt wahrnehmen. Es wurde bewußt darauf verzichtet, einen eigenen Studiengang anzubieten. Vielmehr sollen fächerübergreifend Studierende aus allen Fachrichtungen angesprochen werden. Dies bedeutet allerdings nicht, dass die Veranstaltungen des Zentrums nur "dem Luxus freiwilliger Horizonterweiterung" dienen. "Man kann hier auch richtige Scheine erwerben und Einführungen in wissenschaftliche Arbeitstechniken erhalten", erklärt Ulrike Weckel, wissenschaftliche Assistentin am ZIFG.

Im Bereich der Forschung widmet sich das ZIFG den Schwerpunkten "Wissenschaftsforschung als Geschlechterforschung" und "Kulturgeschichte der Geschlechterverhältnisse". Beim ersten Schwerpunkt geht es zum Beispiel darum, herauszufinden, wie naturwissenschaftliche Denkmodelle, Fragestellungen, Methoden und die soziale Organisation wissenschaftlichen Arbeitens durch Vorstellungen vom Geschlechterverhältnis beeinflusst werden. Im zweiten Forschungsschwerpunkt soll untersucht werden, wie sich die kulturelle Einordnung von Menschen aufgrund ihres Geschlechts auf die Strukturierung der Gesellschaft und auf die Beziehungen zwischen den Menschen auswirkt.

In den vergangenen Monaten haben Professor Dr. Karin Hausen, die Leiterin des ZIFG, und ihre Mitarbeiterinnen Bilanz gezogen. Der dabei entstandene Bericht, der unter anderem der Vorbereitung einer Evaluierung dient, fasst die Arbeiten des ZIFG in Lehre und Foschung, die Entwicklungen der vergangenen Jahre, aber auch Perspektiven für die Zukunft, zusammen. Die Wissenschaftlerinnen können darin auf eine sehr erfolgreiche Einwerbung von Drittmitteln verweisen. Für sieben Projekte sind seit 1995 1450000 DM in die Kassen des ZIFG geflossen. Hinzu kommt eine Förderung von 70000 DM für Kongresse, die vom ZIFG organisiert bzw. mitveranstaltet wurden. Das ZIFG ist darüber hinaus an der Nachwuchsgruppe "Geschlecht, Ressourcen und Gesundheit in der Erwerbs- und Familienarbeit" beteiligt. Dieser positiven Drittmittel-Bilanz steht die Sorge über die regulären finanziellen Mittel des Zentrums in der Zukunft gegenüber. Es fehle Planungssicherheit, da das Zentrum über die schrumpfenden regulären Haushaltsmittel des FB1 versorgt wird. Das Zentrum, so Karin Hausen, stelle auch ein Gegenbild zu der an der TU Berlin besonders gravierenden Unterrepräsentanz von Frauen dar. Sie weist darauf hin, dass damit die Chance besteht, hier einen bundesweit einmaligen, höchst attraktiven Forschungsschwerpunkt zu gewinnen.

Übrigens: Auch die "Lust an der Mathematik" kann durchaus einer weiblichen Seele innewohnen. Wer's nicht glaubt: am 24. November, 18.15 Uhr, Ernst Reuter-Platz, über den Dächern von Berlin.

urs


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