[TU Berlin] Medieninformation Nr. 101 - 7. Mai 1997
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Akademischer Senat der TU Berlin zur Ausstellung des TU-AStA:

"Soldaten sind Mörder: Kriegsverbrechen der Wehrmacht in Jugoslawien 1941-1944"

Auf der heutigen Sitzung des Akademischen Senats (AS) der TU Berlin wurde einem Dringlichkeitsantrag des AStA zur Ausstellung "Soldaten sind Mörder: Kriegsverbrechen der Wehrmacht in Jugoslawien 1941-1944" nicht stattgegeben. Leider konnte der AStA dem AS keine Antwort auf die Frage geben, wie er mit der Ausstellung zu verfahren gedenke, wenn der AS mit Mehrheit die Maßnahmen des Präsidenten billigen würde. Mit dieser Position erschien vielen Mitgliedern im AS eine Dringlichkeit der Diskussion nicht gegeben. Präsident Ewers kündigte an, daß auf der nächsten Sitzung des AS über die Vorlage des AStA grundsätzlich diskutiert werden wird.

Präsident Ewers gab vor dem AS ein Statement zur Ausstellung des AStA ab, das wir Ihnen nachfolgend im Wortlaut wiedergeben möchten. Aus dem Statement ist ersichtlich, daß es dem Präsidenten nicht um politische Zensur geht, wie vom AStA behauptet, sondern darum, daß er ausschließlich seiner Rechtsaufsicht nachkommen muß. Bis zur Klärung der Rechtslage und der Grundsatzdiskussion im AS wird die Ausstellung geduldet.


Stellungnahme des Präsidenten der TU Berlin, Prof. Hans-Jürgen Ewers:

In der öffentlichen Diskussion der bisherigen Verweigerung von Räumen der TU Berlin für diese Ausstellung wird der entscheidende Punkt vom AStA und seinen Claqeuren im politischen Umfeld verfehlt: Es geht hier um eine Maßnahme der Rechtsaufsicht, nicht der politischen Zensur, die weder im Gesetz vorgesehen, noch von mir gewünscht ist. Im Gegenteil lehne ich selber jede Art politische Zensur ab. Es geht auch nicht um die Frage, ob der TU-AStA ein allgemein-politisches Mandat hat, sondern um die Grenzen des gesetzlich eingeräumten politischen Mandats.

Das politische Mandat des AStA unterliegt nach dem Gesetz und ständiger Rechtsprechung einer Begrenzung dort, wo die Rechte der zwangsverfaßten Studierenden betroffen sind. Sie müssen Mitglied der verfaßten Studentenschaft sein, deren Organ der AStA ist, und sie müssen deshalb vor politischen Wertungen geschützt werden, die die jeweiligen Amtsinhaber namens der Studierendenschaft abgeben. Der AStA unterliegt also bei der von ihm betriebenen allgemeinpolitischen Bildungsarbeit einem Neutralitätsgebot. Und der Streit zwischen dem AStA und der TU-Leitung kann sich nur auf die Frage beziehen, ob die jeweils vom AStA geplanten Veranstaltungen dieses Neutralitätsgebot beachten.

Um die Einhaltung des Neutralitätsgebots prüfen zu können, muß man die geplante Ausstellung im Detail kennen. Die Prüfung erfordert fundierte Kenntnisse des Ausstellungsgegenstandes. Ich habe den AStA deshalb gebeten, die Ausstellung mir und fachlich versierten Professoren dieser Universität zugänglich zu machen. Der AStA hat dies in Verkennung der Rechtslage als politische Zensur bezeichnet und abgelehnt. Er hat mich stattdessen aufgefordert, die im Wege des Rechtsbruchs im Lichthof der TU aufgebaute Ausstellung zu besichtigen und öffentlich zu diskutieren, wohl wissend, daß ich einer solchen Einladung aus rechtlichen Gründen gar nicht folgen konnte. Er hat weiterhin nachdrücklich kundgetan, daß nach einer langen Kette von Rechtsbrüchen in der Vergangenheit er sich auch in Zukunft rechtsaufsichtlichen Verfügungen nicht beugen wird.

Dies ist die Situation, mit der sich der AS und alle Gruppierungen dieser Universität vom Grundsatz her auseinandersetzen müssen. Die von allen gewünschte demokratische Diskussion in der TU Berlin bricht zusammen, weil eine Gruppe sich das Recht nimmt, die Regeln beliebig zu brechen. Insofern muß der AStA zunächst den Zustand des Rechts wiederherstellen, wenn er diesen Dialog will. Die TU-Leitung hat diesen Dialog mehrfach mündlich und schriftlich angeboten."


Vertreter der Fraktion der Liberalen Mitte und der Unabhängigen Fraktion haben im Anschluß an die AS-Diskussion folgende Erklärung abgegeben, die wir Ihnen gern zur Kenntnis geben möchten:

"Die unterzeichnenden Mitglieder des Akademischen Senates und des Kuratoriums der Technischen Universität Berlin verurteilen aufs Schärfste den Versuch des AStA, mit der nicht genehmigten Durchführung der Ausstellung "Verbrechen der Wehrmacht in Jugoslawien 1941-1944" ein politisches Mandat in der Technischen Universität auszuüben, das weit jenseits seines gesetzlichen Bildungsauftrages liegt.

Der akademische Anspruch einer Universität und das Hausrecht des Präsidenten verpflichten die Leitung der Universität, bei Veranstaltungen in ihren Räumen Sorge dafür zu tragen, daß die weltweit akzeptierten Normen für wissenschaftliche Kontroversen nicht verletzt werden; die Einhaltung dieser Normen wird in der Regel durch Gutachterverfahren gesichert. Der AStA der TU Berlin hat sich bisher geweigert, das Ausstellungskonzept angesehenen Historikern wie Prof. Reinhard Rürup oder Prof. Wolfgang Benz, dem Leiter des Zentrums für Antisemitismusforschung, vorzustellen. Daraufhin durfte der Präsident der Ausstellung nicht genehmigen.

Der Umstand, daß der AStA der TU Berlin sowohl die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit den Fachwissenschaftlern innerhalb der TU Berlin gescheut hat als auch auf die Inanspruchnahme von Rechtsmitteln verzichtet hat, sondern lediglich auf populistische, politische Pressionen im Akademischen Senat und in der Öffentlichkeit setzt, beweist, wie fadenscheinig sein dokumentarisches Anliegen und wie eindeutig seine politischen Absichten sind.

Wir mißbilligen ausdrücklich den Bruch des Hausfriedens durch den AStA, lediglich die Sorge um die schützenswerte akademische Autonomie veranlassen uns in Abwägung der Verhältnismäßigkeit der Mittel, gegenüber dem Präsidenten nicht auf Ordnungsmaßnahmen zu drängen, die dem Rechtsbruch abhelfen.

Wir bedauern, daß mit diesem Vorgang die notwendige Auseinandersetzung mit der jüngeren Geschichte in einem universitären Rahmen nachhaltig erschwert wird. Gleichzeitig fordern wir den AStA der TU Berlin zu einer Arbeitsweise auf, mit der sich auch die Mehrheit der TU ebenso wie die Mehrheit ihrer verfaßten Studentenschaft identifizieren können."

Prof. Dr.-Ing. Günther Clauss, Fachbereich 10 Verkehrswesen und Angewandte Mechanik (Liste Unabhängige Hochschullehrer); Prof. Dr. Diether Gebert, Fachbereich 14 Wirtschaft und Management (Liste Unabhängige Hochschullehrer); Eberhard Hees, Fachbereich 11 Machinenbau und Produktionstechnik (Unabhängige WiMis); Dr. Matthias Hirche, Fachbereich 8 Architektur (Dauer-WM); Prof. Dr.-Ing. Bernd Hillemeier, Fachbereich 9 Bauingenieurwesen und Angewandte Geowissenschaften (Liste Unabhängige Hochschullehrer); Prof. Dr. Klaus Germann, Fachbereich 9 Bauingenieurwesen und Angewandte Geowissenschaften (Liberale Mitte); Prof. Dr. Kurt Kutzler, Fachbereich 3 Mathematik, (Liste Unabhängige Hochschullehrer); Prof. Dr.-Ing. Horst Nowacki, Fachbereich 10 Verkehrswesen und Angewandte Mechanik (Liste Unabhängige Hochschullehrer); Prof. Dr. Helmut Schwarz, Fachbereich 5 Chemie, (Liste Unabhängige Hochschullehrer); Prof. Dr. Uwe Tröger, Fachbereich 9 Bauingenieurwesen und Angewandte Geowissenschaften (Liste Unabhängige Hochschullehrer); Prof. Dr. Conrad Wiedemann, Fachbereich 1 Kommunikations- und Geschichtswissenschaft (Liberale Mitte)


Weitere Informationen erteilt Ihnen gern Dr. Kristina Zerges, Leiterin Presse- und Informationsreferat der TU Berlin, Tel.: 030/314-23922 oder -22919.