[TU Berlin] Medieninformation Nr. 47 - 23. März 2000
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Ein "Brückenbauer" zwischen Deutschland und Israel

Das Technion Israel Institute of Technology verlieh Bundespräsident Dr. Johannes Rau an der TU Berlin die Ehrendoktorwürde

Siehe auch Medieninformation Nr. 43 vom 17. März 2000

Am 23. März 2000 verlieh das Technion Israel Institute of Technology Bundespräsident Dr. Johannes Rau die Ehrenpromotion und würdigte damit einen Politiker, der sich wie kaum ein anderer um die Freundschaft zwischen Deutschland und Israel, insbesondere auch auf dem Gebiet der wissenschaftlichen Kooperation verdient gemacht hat. Aber nicht nur das: Das Technion verlieh diese hohe Würde anlässlich seines 75-jährigen Bestehens auf eigenen Wunsch in der TU Berlin. Damit steht die Veranstaltung auch für die engen wissenschaftlichen Kooperationen zwischen Deutschland und Israel, zwischen dem Technion Haifa und der Technischen Universität Berlin. Beide Universitäten kehrten damit zu ihrem engen Verhältnis aus den Gründerjahren des Technions zu Beginn des 20. Jahrhunderts zurück, das durch den Nationalsozialismus ein jähes und grausames Ende fand.

"Die Entstehung des Technion ist eng mit Berlin und im besonderen mit der Vorläufereinrichtung unserer Universität, der Technischen Hochschule Berlin, verbunden", betonte TU-Präsident Hans-Jürgen Ewers in seiner Begrüßung. Professoren der Technischen Hochschule, wie Georg Schlesinger und Wilhelm Franz, gehörten zum wissenschaftlichen Beirat, der den Aufbau des Technions zu Beginn des 20. Jahrhunderts mit Rat und Tat unterstützte. Heute ist die TU Berlin dem Technion Haifa besonders durch den Georg-Schlesinger-Stiftungslehrstuhl, "das Kernstück unserer Partnerschaftsverträge", so Präsident Ewers, verbunden.

Der beste Freund Israels und des Judentums

Johannes Rau
Johannes Rau
Im Anschluss an Prof. Dr. Hans-Jürgen Ewers sprachen die Berliner Bürgermeisterin Christa Thoben, der Präsident des Technion Israel Institute of Technology, Maj. Gen. Dr. h. c. Amos Lapidot, und der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Paul Spiegel, Grußworte. Auch Amos Lapidot betonte die enge Verbindung des Technions zu Berlin und zur damaligen Technischen Hochschule. Er erläuterte: "Die ersten Schritte wurden von Deutschland gemacht, und viele der Lehrer des Technion erhielten ihr wissenschaftliches Training und ihr technologisches Expertenwissen in Deutschland." Lapidot rekapitulierte die Geschichte des Technion Haifa von der Gründungsidee um 1907, über die Einrichtung der ersten Technion Gesellschaft unter der Präsidentschaft von Albert Einstein 1923, bis hin zum heutigen Entwicklungsstand der Universität und ihrer Bedeutung für Israel. "Es gibt", so Amos Lapidot, "kein Beispiel einer Institution, die so eine entscheidende Rolle beim Aufbau einer Nation gespielt hätte." Die enge Verbundenheit des Technion mit Deutschland wurde durch die Naziherrschaft unterbrochen, und bis in die achtziger Jahre hinein gab es keine erneute Annäherung. Daher würdigte Amos Lapidot besonders die mittlerweile wieder bestehenden vielfältigen Kooperationsprojekte mit Deutschland, unter ihnen das sogenannte "Umbrella Agreement", an dessen Zustandekommen Dr. Johannes Rau als Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen maßgeblich beteiligt war.
"Es gibt keinen besseren Weg für Deutschland und Israel, ihre Beziehungen durch Wissenschaft und Technologie zu verstärken und zum Wohle der Menschheit gemeinsam wissenschaftliche und technologische Erfolge zu erzielen", sagte Lapidot zum Ende seiner Rede.
Der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Paul Spiegel, gratulierte dem Technion zum 75jährigen Bestehen, aber auch "für die weise Entscheidung, Bundespräsident Johannes Rau mit der Ehrendoktorwürde auszuzeichnen". Spiegel hob die Verdienste Raus um die Beziehungen zwischen Deutschland und Israel hervor und bezeichnete den Bundespräsidenten als "Brückenbauer" und als "den wohl besten Freund Israels und des Judentums".

Verdienste um die wissenschaftliche Zusammenarbeit

Amos Lapidot
Amos Lapidot
Daraufhin wurde Dr. Johannes Rau die Würde eines Ehrendoktors, Doctor Honoris Causa, des Technion Israel Institute of Technology verliehen. Die Begründung in der Urkunde, die auf Englisch, Deutsch und Hebräisch verlesen wurde, lautet: "In Würdigung seines nachhaltigen und ausgeprägten Interesses an der Förderung der Beziehungen zwischen dem Technion und seinen Wissenschaftlern und der Bundesrepublik Deutschland und ihren akademischen und wissenschaftlichen Einrichtungen, sowie der herzlichen Freundschaft, die er Israel und dem Technion sowohl persönlich als auch in seiner Eigenschaft als führender Staatsmann entgegenbringt." In seiner Laudatio würdigte Amos Lapidot erneut die Verdienste Johannes Raus um die wissenschaftliche Zusammenarbeit zwischen Deutschland und Israel, sei es als Gründungsmitglied der Deutschen Techniongesellschaft, als Wissenschaftsminister und später Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen oder als Bundespräsident. "Johannes Rau", so Lapidot, "war an der vordersten Front derjenigen, die das Vertrauen und die Freundschaft zwischen dem deutschen und dem israelischen Volk wiederaufgebaut haben."

"Das Technion ist wieder da"

Johannes Rau bedankte sich beim Technion Haifa für die erteilte Würde und freute sich besonders, dass die Verleihung in Deutschland stattfand. Denn, so Rau, "es ist ja keine Selbstverständlichkeit, dass eine israelische Universität in Deutschland zu einer solchen Feier einlädt." Auch Johannes Rau beschrieb die zunächst engen Verbindungen des Technion zu Deutschland und ihre Zerstörung durch den Nationalsozialismus. Dass die Feier zum 75. Geburtstags des Technion in Deutschland begangen wurde, verstand Rau als "Rückkehr zum Ursprung". Anschließend berichtete er von seinem Staatsbesuch in Israel im Februar dieses Jahres und der Bedeutung der Friedensbemühungen im Nahen Osten. Dabei betonte er besonders die Rolle der Universitäten: "Den Universitäten kommt bei der Aufgabe, Frieden zu schaffen, - in den Köpfen und im privaten Leben – daher eine herausragende Rolle zu. Schon die Gründung des Technion, der Versuch, von Deutschland aus etwas zur Qualifizierung und Motivierung einer jungen Generation in einem noch nicht existierenden Lande beizutragen, war ja ein wahrlich jugendliches, scheinbar utopisches Unterfangen. Es war eine unglaublich optimistische und zukunftsorientierte Idee. Heute ist sie selbstverständliche Realität. Aus diesem Geist entsteht humaner Fortschritt. Aus diesem Geist entsteht Friede."

Dank

Auch der beeindruckende Festvortrag zum Abschluss der Veranstaltung stand ganz im Zeichen der wissenschaftlichen Kooperation. Unter dem Titel "Deutschland – Israel: Brückenschlag durch Wissenschaft" sprach der ehemalige deutsche Botschafter in Israel und jetzige Präsident des Berliner Roten Kreuzes, Dr. h. c. Klaus Schütz, über die lange gemeinsame Geschichte von Juden und Deutschen. Bis weit ins zwanzigste Jahrhundert hinein hätten die Deutschen, auch die Juden in Deutschland, kein Interesse am Nahen Osten gehabt. Das änderte sich laut Schütz erst in der Folge des Zionismus. Dieser habe in den deutschen Juden eine neue Art von "Verantwortlichkeit" geweckt, die zu einem verstärkten Interesse an und zur Unterstützung von Israel führte, an deren Beginn die karitative Arbeit des "Hilfsvereins der deutschen Juden" stand. Den Kulminationspunkt dieser Entwicklung sieht Schütz im Technion Haifa. "Ich meine", so Schütz, "dass das Technion Haifa der Ort ist, an dem dies alles abgelesen werden kann." Dann setzte der Nationalsozialismus der gemeinsamen Annäherung ein jähes Ende. Und gerade in einer Feierstunde dürfe, so Klaus Schütz, nicht vergessen werden, was den Juden in den Jahren vor der Wannseekonferenz angetan worden sei.
Er betonte besonders die Rolle der Universitäten - auch der Technischen Hochschule Berlin -, an denen der Antisemitismus aggressiver, brutaler und verbreiteter war als sonst in der Gesellschaft. In der Zwischenzeit ist es wieder zu einer Annäherung im Verhältnis zwischen Deutschen und Juden gekommen. Dennoch, so erinnerte Schütz, wird "es noch lange einen Graben geben zwischen Juden und Deutschen. Seine Tiefe ist schwer auszuloten." Sein Dank galt daher besonders denjenigen, die sich in den Jahren seit dem Holocaust bemüht haben, diesen Graben zu überwinden, unter ihnen Konrad Adenauer, David Ben Gurion und Willy Brandt. Er galt aber auch Johannes Rau für seine Bitte um Vergebung vom 16. Februar dieses Jahres in Israel: "Dafür gebührt Ihnen, Herr Bundespräsident, unser aller Dank – weit über den Tag hinaus."


Weitere Informationen erteilen Ihnen gerne Dr. Kristina Zerges und Mirjam Kaplow von der Pressestelle: TU Berlin, Tel: 030/314-22919 oder -23922, Fax: 030/314-23909 oder E-Mail: Pressestelle@tu-berlin.de.