Das Präsidium der Technischen Universität begrüßt die Empfehlungen des Wissenschaftsrates
zur Weiterentwicklung des Berliner Hochschulsystems.
Es gibt nachfolgend zu den Teilen des Gutachtens des Wissenschaftsrates, die für die TU Berlin in besonderem
Maße relevant sind, eine erste Stellungnahme ab. In den nächsten Wochen werden die Anregungen des
Wissenschaftsrates zur weiteren Profilbildung der Universität und ihrer Fachgebiete, zum Verhältnis der
Universitäten zu den Fachhochschulen, zu den Kooperationsmöglichkeiten unter den Hochschulen und zu
den Vorschlägen zu neuen inneruniversitären Leitungsstrukturen und außeruniversitären
Steuerungsmaßnahmen für die Hochschulpolitik im Land Berlin in der TU Berlin geprüft und
diskutiert werden.
Zu einzelnen Vorschlägen des Wissenschaftsrates, die sich direkt auf die TU Berlin beziehen, äußert sich das Präsidium wie folgt:
Das Präsidium der TU Berlin betont, dass die TU Berlin mit Nachdruck an ihren Geisteswissenschaften festhalten wird, einschließlich der diesbezüglichen Magister- und Lehramtsstudiengänge. Die national und international ausgewiesenen Geisteswissenschaften der TU Berlin sind Teil des Profils der TU Berlin. Verknüpfungen von den Geisteswissenschaften hin zu den Natur- und Ingenieurwissenschaften gibt es seit geraumer Zeit (z.B. Linguistik, Medienwissenschaft u.a.). Sie werden systematisch weiter ausgebaut werden.
In seinem Gutachten würdigt der Wissenschaftsrat die herausragenden Leistungen der Germanistik an der TU Berlin und schlägt die Bildung eines "Zentrums für Gegenwartsliteratur" im Bereich der Philologien und ein "Zentrum für Theorie und Geschichte der Wissenschaft und Technik" im Zusammenhang mit den Geschichtswissenschaften an der TU Berlin vor. Weiterhin wird vorgeschlagen, dass die Zentren mit den anderen Universitäten kooperieren sollen. Das Präsidium wird die Anregungen aufgreifen und aufgeschlossen erörtern.
Das Präsidium weist darauf hin, dass derartige profilbildende Aktivitäten nur dann möglich und sinnvoll sind, wenn die grundständigen Studiengänge der Geisteswissenschaften an der TU Berlin und die Ausbildung des fachwissenschaftlichen Nachwuchses weiterhin gewährleistet sind. Nur unter dieser Voraussetzung ist es möglich, die Geisteswissenschaften der TU Berlin auch in Zukunft auf hohem fachlichen Niveau und noch stärker als bisher mit dem Gesamtprofil der TU Berlin zu verzahnen.
Der Wissenschaftsrat schlägt in der letzten Fassung seiner Stellungnahme nicht mehr vor, dass Frankreichzentrum an der TU Berlin zu schließen, sondern er hält eine eingehende Begutachtung der sog. "Regionalinstitute" (u.a. Osteuropa-Institut der FU Berlin, Großbritannien-Zentrum der HU Berlin und Frankreichzentrum der TU Berlin) durch auswärtige Wissenschaftler für notwendig, die innerhalb eines Jahres abgeschlossen sein sollte.
Das Präsidium der TU Berlin vertritt die Position, das Frankreichzentrum, das sich noch in der Aufbauphase befindet, wie bisher nach Kräften zu fördern. Die Gründung des Zentrums hat eine besondere historisch-politische Dimension, die mit der Geschichte der deutsch-französischen Beziehungen gegeben ist. Gründung und Aufbau des Frankreichzentrums erfolgten in enger Abstimmung zwischen der TU Berlin, dem Senat des Landes Berlin und der Kultur- und Wissenschaftsabteilung der französischen Botschaft. Das Zentrum erfreut sich eines großen Interesses und einer nachhaltigen Unterstützung seitens der französischen Regierung.
Der Wissenschaftsrat hat das Frankreichzentrum einzig in der Perspektive eines "Regionalinstituts" und dieses dann wiederum in einer vor allem romanistisch-orientierten Perspektive vor Augen. Beide Perspektiven gehen am tatsächlichen Charakter und Profil des Frankreichzentrums vorbei. Das Frankreichzentrum ist kein Regionalinstitut, und es ist nicht als eine Variante oder Erweiterung eines Romanistik-Instituts zu verstehen. Der besondere Zuschnitt des Zentrums wird durch diese beiden Raster nicht erfasst. Das Frankreichzentrum erfüllt in exemplarischer Weise die Anforderungen, die auch der Wissenschaftsrat an Lehr- und Forschungseinrichtungen stellt:
Vernetzung mit den beiden anderen Universitäten sowie mit außeruniversitären Einrichtungen, europäische und internationale Ausrichtung, interdisziplinäre Zusammenarbeit zwischen geistes-, natur- und ingenieurwissenschaftlichen Fächern.
Der Wissenschaftsrat empfiehlt, die Lehrerausbildung an der TU Berlin bis auf die Studienratsausbildung mit einer beruflichen Fachrichtung einzustellen.
Das Präsidium widerspricht dieser Empfehlung nachdrücklich. Dafür gibt es viele Gründe:
Zum Studienratsstudium mit einer beruflichen Fachrichtung gehört neben dem Berufsfach immer auch ein allgemeinbildendes zweites Fach. Die TU Berlin muss und will daher ein passendes, wenn auch eingeschränktes Angebot an mathematisch-naturwissenschaftlichen sowie an geistes- und sozialwissenschaftlichen Lehramtsfächern vorhalten. Dabei werden die fachwissenschaftlichen Lehrangebote weitgehend gemeinsam mit entsprechenden Diplom- bzw. Magisterstudiengängen genutzt. Hinzu kommen lediglich die notwendigen Angebote in den Fachdidaktiken sowie den Erziehungs- und Sozialwissenschaften, für die es eine inhaltliche wie organisatorische Abstimmung zwischen den Berliner Universitäten unter Einschluss der Hochschule der Künste gibt.
In den naturwissenschaftlichen Fächern ist die Lehramtskapazität nicht nur sinnvoll, sondern auch notwendig. Die TU Berlin betrachtet die Naturwissenschaften als unabdingbare Innovationsreserve für ihren ingenieurwissenschaftlichen Kernbereich und hat sie deswegen bewusst breiter angelegt, als zur Zeit für die Lehre im Service und für die eigenen Diplomstudiengänge mindestens notwendig wäre. Es ist daher sinnvoll, diese Kapazitäten für die Lehrerbildung mit zu nutzen.
Ähnliches gilt für die Geisteswissenschaften, die die TU Berlin mit Blick auf die Ingenieurwissenschaften bewusst beibehalten und mit eigenen Akzenten weiterentwickeln will. Diese Fächer müssen für eine längerfristige Entwicklungsfähigkeit eine fachliche Eigenständigkeit besitzen, so dass auch hier das Lehramtsstudium zur Ausschöpfung der Kapazitäten sinnvoll ist.
Schließlich bildet die Lehrerausbildung an einer Technischen Universität die Chance, die für unsere Gesellschaft wichtigen Aspekte technologischer Anwendungen für den Schulunterricht verfügbar zu machen.
Die Erziehungswissenschaften stellen bei der Lehrerausbildung in Berlin insgesamt ein Nadelöhr dar. Zum Sicherstellen des notwendigen Ausbildungsangebots würde ein Abbauen an einer Universität einen entsprechenden Stellenausbau an einer anderen notwendig machen. Daher haben sich die Universitäten auf eine Verteilung geeinigt, die die notwendige Lehrkapazität sichert und zugleich jeder Hochschule ein eigenes Profil ermöglicht.
Die TU Berlin hat im Zuge ihrer Strukturplanung den Umfang des lehrerbildenden Studienangebots erheblich reduziert. Die Entscheidung für den (verbleibenden) Anteil der Lehrerbildung am Profil der TU Berlin ist im Konsens aller politischen und statusrechtlichen Gruppen in den Entscheidungsgremien der Universität getroffen worden.
Die Reaktion der TU Berlin auf die Empfehlung des Wissenschaftsrates, die Hochschullehrerstellen für Rechtwissenschaft im Fachbereich Wirtschaft und Management zu streichen und die Lehre im Service von den anderen Universitäten zu beziehen, hängt davon ab, welche Servicelösung möglich ist.
Klar ist:
Der erste Vizepräsident der TU Berlin, Prof. Dr. Kurt Kutzler, wird mit der FU Berlin und der HU Berlin sondieren, welche Servicelösungen möglich sind.
Der Wissenschaftsrat hält mittelfristig drei Professuren für Volkswirtschaftslehre an der TU Berlin für ausreichend.
Das Präsidium der TU Berlin weist darauf hin, dass allein zur Abdeckung des Lehrbedarfs (in den Studiengängen Betriebswirtschaftslehre und Wirtschaftsingenieurwesen) fünf Fachgebiete (Professorenstellen) in der Volkswirtschaftslehre erforderlich sind.
Zusätzliche Kapazität für die VWL resultiert daraus, dass die in anderen Fachbereichen der TU Berlin vorhandenen VWL-Professoren in der Lehre eingebunden werden. Die Zusammenarbeit mit dem Institut für VWL könnte durch Doppelmitgliedschaften erreicht werden.
Der Wissenschaftsrat empfiehlt, an den einzelnen Hochschulen Hochschulräte einzurichten, die der Optimierung der hochschulinternen Steuerung dienen sollen. Sie sollen das Kuratorium alter Art ersetzen.
Das Präsidium der TU Berlin nimmt die Anregung gern zur Kenntnis, sieht aber im Augenblick noch keine Notwendigkeit, einen solchen Hochschulrat an der TU Berlin zu etablieren. Die TU Berlin ist mitten in einem Prozess der Struktur- und Verwaltungsreform, zu deren Kernelementen die Dezentralisierung von Verwaltungsaufgaben, die Budgetierung der Haushaltsmittel für die Fakultäten, die Mittelvergabe nach Leistungskriterien in Forschung und Lehre, Zielvereinbarungen zwischen Leitung und Fakultäten und eine umfangreiche Studienreform zählen. Die Veränderung der Gremien- und Leitungsstruktur steht für die TU Berlin, im Gegensatz zu den beiden anderen Universitäten, erst am Ende dieses Prozesses. Zu gegebener Zeit wird darüber in der Universität diskutiert werden. Die Erfahrungen, die die anderen Universitäten mit veränderten Gremien- und Leitungsstrukturen gewonnen haben, werden in diesen Diskussionsprozess mit einfließen.
Siehe auch Medieninformation Nr. 90 vom 16.5.2000: Presseerklärung der Landeskonferenz der Rektoren und Präsidenten der Berliner Hochschulen (LKRP) zum Gutachten des Wissenschaftsrats über die Strukturpläne der Berliner Hochschulen.