TU intern - Januar 2002 - Internationales

Zwischen Hörsaal und Sushi-Bar

Japanische Erlebnisse von Erdbeben bis Vergnügungsviertel


Fernöstliche Genüsse satt hatte Florian Dressler in Tokio

Nun ist es schon wieder ein Vierteljahr her, dass ich meine Füße im Rahmen eines Austauschprogramms des Auslandsamtes auf japanischen Boden gestellt habe. Die ersten Tage waren von Fragen geprägt wie: “Was braucht man denn so für einen ordentlichen (japanischen!) Haushalt? Sind 10 DM teuer für einen Topf? Warum gibt es eigentlich nur so hässliche Muster für Decken?“ Hier in Tokio läuft eben alles etwas anders. Vom viel zitierten Kulturschock kann ich zwar nicht sprechen, jedoch gibt es so einige Dinge, an die man sich erst einmal gewöhnen muss. Auch lernt man, dass 16,5 Quadratmeter und ein eigenes Bad für Tokio absoluter Luxus sind.

Ach ja, und dann ist da ja auch noch die Universität, bei deren Erwähnung die meisten Japaner einen voller Respekt anschauen: “Sophia University“ oder auf japanisch “Jochi Daigaku“. Der Campus ist von einem absolut internationalen Umfeld geprägt und bei 800 Studenten sehr familiär. Japanisch-Kurse sind für alle Austauschstudenten obligatorisch und haben es mit zwei Stunden pro Tag sowie täglichen Tests ganz schön in sich. Dafür merkt man spürbare Fortschritte und Erfolge beim Einkaufen (“Ich habe tatsächlich das Richtige bekommen!“). Das ständige Grinsen der Lehrerinnen ist allerdings gewöhnungsbedürftig.

Neben dem Studium gibt es für einen “Gai-Jin“ (so nennt man hier alle Ausländer) in Tokio und Umland natürlich viel zu erleben: Tempel, Schreine, Sumo-Ringen, Fischmarkt, Karaoke-Singen, Clubbing, Cocktail-Bars, Coffee-Shops sowie Sushi-Bars und andere Restaurants. Da sich die Japaner sehr den alkoholischen Getränken verschrieben haben, sieht man immer wieder “All-you-can-drink“- Angebote für einen fixen Betrag. Schwierig ist nur, den Break-Even-Point auszurechnen, ab dem sich die Sache lohnt.

Wer hier lebt, den wird es sicherlich oft nach “Shibuya“ ziehen: eines der überwältigenden Subzentren Tokios, überall ziemlich hohe Gebäude, hell erleuchtet, Leuchtreklame, an den Häusern riesige Videoleinwände … und so weit das Auge reicht, Menschen über Menschen in dieser surreal erleuchteten Szenerie. Es soll wohl die belebteste Kreuzung der Welt sein. Mit das Interessanteste dort ist der Anblick der Menschen. An die alltägliche Kleidung im japanischen Stadtbild muss man sich erst einmal gewöhnen. Ich habe noch nie Leute gesehen, die sich SO abgefahren kleiden. Die Farbkombinationen, die ich hier schon gesehen habe, hätte ich niemals für möglich gehalten. Und wenn man sich mal den Spaß macht und in ein Kaufhaus geht, wo nur die japanischen Girlies einkaufen, dann trifft einen fast der Schlag: 30 cm hohe Plateauschuhe, oder im Gegensatz dazu High-Heels, mit denen man jemanden erstechen kann, hellgrüne bis orange Sonnenbrillen, Taschen aus allen Arten von Plüsch und Synthetik. Auch die Handys sind hier extrem abgefahren: superklein, superleicht, und man glaubt gar nicht, was da alles an Elektronik drinsteckt. Sie sind bestimmt zwei Generationen weiter als diejenigen, die man in Deutschland bekommt. Wenn man sie in der Hand hält, denkt man wirklich, es wäre eine Attrappe, die mal eben aus dem Kaugummiautomaten gezogen wurde. Sie haben zum Teil integrierte Kameras, mit denen man Bilder machen und kurze Filme aufnehmen kann, um das alles dann per E-Mail an seine Freunde und Verwandten zu verschicken. Trotz aller Vielfalt fahren die U-Bahnen nur bis Mitternacht, obwohl man beim Kauf eines Tickets eher annimmt, man habe einen ganzen Zug erworben. Die Alternative “Taxi“ liegt allerdings preislich jenseits von Gut und Böse.

Wenn auf einmal bei 0,0 Promille alles anfängt zu schwanken, ist das allerdings für einen Europäer bedenklich. Aber auch an die regelmäßigen, schwachen Erdbeben gewöhnt man sich. Die Stadt bietet einen “Anti-Desaster-Drill“ für “Gai-Jins“ an. Dort lernt man dann im Erdbebensimulator, wie man sich in schwereren Fällen richtig verhält.

In diesen drei absolut fantastischen Monaten traf ich viele neue Menschen, erlebte zahlreiche Dinge, lernte den japanischen “way-of-life“ kennen und bin nicht zuletzt in meinem Studium der Wirtschaftswissenschaften weitergekommen. Infos gibt es bei der Erstberatung des Auslandsamtes.

Florian Dressler,
Student


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