MEINUNGEN AUS DER PRAXIS

Andreas Müller Andreas Müller

Unternehmer des Jahres

Wenn Andreas Müller an seine Studienzeit zurückdenkt, ist eine Erfahrung noch besonders lebendig: das Tutorenmodell an der TU Berlin. Während er zwischen 1981 und '85 am Fachbereich Informatik studierte, arbeitete er viel in Gruppen. Mindestens zwei Tutorien besuchte er pro Semester, teilte sich die Arbeit mit Kommilitonen auf und wurde von studentischen Tutoren betreut. "Da hatte man die Möglichkeit, sehr, sehr praxisorientiert zu arbeiten und erhielt durch die Tutoren eine gute Betreuung", erinnert sich Müller. "Außerdem half diese Art der Arbeit dabei, sich eine gewisse soziale Kompetenz und Kommunikationsfähigkeit zu erarbeiten."

Wie wichtig diese Qualitäten im Berufsleben eines Informatikers sind, weiß Müller genau. Er ist heute Chef des Berliner Softwareunternehmens Acotec. Die Firma beschäftigt knapp 150 Mitarbeiter und hat Zweigstellen in Hamburg, München, Wiesbaden, England, Frankreich und Indien. Der Acotec-Jahresumsatz lag im vergangenen Jahr bei fast 20 Millionen DM.

Der Weg vom TU-Diplom 1985 bis zu Acotec 1997 ist eine Erfolgsstory: Nach dem Diplom arbeitete Müller dreieinhalb Jahre bei Siemens, verbrachte über ein Jahr in Kanada und Australien, erklomm in schnellen Schritten die firmeninterne Karriereleiter. Allerdings nicht schnell genug, denn 1988 kündigte er kurz nach seiner letzten Beförderung. Grund: "Siemens konnte mir nicht den Arbeitsfreiraum, die Flexibilität und die Motivation geben, die ich wollte."

Deshalb gründete Andreas Müller mit fünf Gesellschaftern die Firma Acotec. Die Software, die die Firma im Berliner Innovations- und Gründerzentrum in der Voltastraße herstellt, ist hauptsächlich für Windows-PCs. Mit ihr können die Rechner auf das ISDN-Netz zugreifen oder mit anderen Computern vernetzt werden. Ein Jahr nach Firmengründung gibt es bereits den Berliner Innovationspreis. Und 1995 wird Andreas Müller vom Berliner Wirtschaftssenator sogar zum "Unternehmer des Jahres" gekürt.

Vor wenigen Wochen war der TU-Absolvent anläßlich der Berliner Gründertage wieder an seiner ehemaligen Hochschule und nahm an einer Diskussion im Audimax teil. Beim Kaffee im Hauptgebäude "sind schon Erinnerungen hochgekommen", erzählt der heute 37jährige. Zum Beispiel, daß das Studium auch stark durch Anonymität geprägt gewesen sei. "Aber trotzdem: Ich will diese Zeit nicht missen."

Heute bemängelt Firmenchef Müller am meisten, daß es sehr schwierig sei, mit Lehrstühlen zusammen Projekte durchzuführen. "Das funktioniert ja ohne weiteres in großen Projekten", kritisiert er. In kleinen und mittleren Projekten, für die eine Firma nicht extra Personal abstellen könne, funktioniere das aber nicht. Das gilt, so Müller, nicht nur für Professoren, sondern auch für Studenten: "Obwohl wir immer wieder Aushänge machen, ist es auch sehr schwierig, an die Studenten heranzukommen, zum Beispiel für Studien- und Diplomarbeiten."

Müllers Fazit: "An universitäre Kontakte dieser Art kommt man als Außenstehender nur sehr schwer ran. Man braucht einfach mehr Transparenz, wer wo forscht und mit wem man als Unternehmer reden kann."

rs


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