[TU Berlin] Medieninformation Nr. 131 - 23. Juni 1999
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Sozialisation und Vorurteil - Zur Prägung von Feindbildern bei Kindern und Jugendlichen

Workshop am 3. Juli 1999 an der TU Berlin

Jugendliche Gewaltbereitschaft und rechtsextreme Manifestationen beunruhigen die Öffentlichkeit seit der Wende in wachsendem Maße. Versteht man diese Äußerungen als politisch relevante Störungen zwischen Jugendlichen und Erwachsenen, dann ist zu fragen, was Kinder in beiden Teilen Deutschlands nach dem Zusammenbruch der NS-Gesellschaft lieben und hassen, was sie verachten und verehren sollten, wenn sie gute Kinder mit Erfolgschancen in ihrer Gesellschaft sein wollten?

Durch welche Feindbilder bzw. Freundbilder, durch welche Idealisierungen und Enttäuschungen sind die jüngeren durch die älteren Generationen in Deutschland geprägt? Inwiefern sind wir als Erwachsene in der deutschen Gesellschaft seit drei Generationen mitbeteiligt am Entstehen von rassistischen Feindbildern bei jungen Menschen? Und auf welche Normen, Ideale und idealisierten Freundbilder hin haben Erwachsene in beiden deutschen Gesellschaften ihre Kinder bewußt oder unbewußt geprägt?

Das Zentrum für Antisemitismusforschung der TU Berlin organisierte in Zusammenarbeit mit dem Berliner Arbeitskreis für Beziehungsanalyse einen interdisziplinären Workshop, in dem Probleme aus historischer, beziehungsanalytischer und soziologischer Perspektive diskutiert werden können. In Referaten und Diskussionsgruppen sollen Erziehungsideale und Vorbilder der Sozialisation sowie die jeweilige Realität in beiden Teilen Nachkriegsdeutschlands kritisch betrachtet werden.

Angesichts rechtsradikaler Jugendlicher muß man, wie Experten des Verfassungsschutzes, Soziologen, Historiker, Psychologen und Psychoanalytiker unabhängig voneinander herausgefunden haben, von zweierlei Tatsachen ausgehen. Erstens: Die Täter der rechtsradikalen Szene unterscheiden sich nicht signifikant von der Mehrheit der Gesellschaft, sie wurzeln in der Mitte der Gesellschaft. Bei ihr findet jedoch diese Feststellung wenig Anklang, stört sie doch vorgefaßte Ansichten, daß die Täter nur wenige "Verrückte" aus sozial auffälligen Schichten seien, also isolierte und isolierbare einzelne. Tatsächlich ist diese Feststellung alarmierend, sie bedeutet nämlich, daß grundsätzlich aus den wenigen rasch sehr viele Radikale werden können. Zweitens: Die Täter haben Beziehungsstörungen - diese Feststellung wird allgemein akzeptiert, aber zugleich besagt sie so wenig im Detail, daß viele nichts mit ihr anzufangen wissen.

Intergenerationale Fragestellungen stehen im Mittelpunkt dieser Tagung. Sie sind für diejenigen unumgänglich, die gegenwärtig in Theorie und Praxis nach Mitteln und Wegen suchen, um die Akzeptanz demokratischer Werte der Toleranz und Würde des Menschen bei jungen Menschen zu fördern. Denn jugendlicher Rechtsradikalismus, Intoleranz und Fremdenhaß sind weder ein isoliertes noch ein isolierbares Phänomen; sie kommen vielmehr, darin sind sich Forscher aus vielen Disziplinen einig, aus der Mitte der Gesellschaft, d. h. aus den aktuellen und historischen Beziehungen in der alltäglichen Lebenswelt.

Wir möchten Sie herzlich zu dem Workshop "Sozialisation und Vorurteil" einladen und bitten Sie, auch ihre Ressorts für Politik und Gesellschaft auf diesen Termin hinzuweisen:

Zeit: am Sonnabend, dem 3. Juli 1999, Beginn um 10.00 Uhr
Ort: TU Berlin, Architekturgebäude, Straße des 17. Juni 152, Hörsaal A 060, 10623 Berlin

Der Berliner Arbeitskreis für Beziehungsanalyse wurde im Juni 1997 gegründet und fördert die Beziehungsanalyse in Theorie und Praxis. Der Arbeitskreis veranstaltet Vorträge und Workshops zur Pflege kollegialer und interdisziplinärer Diskurse, zur Fall-Supervision, zur berufsbegleitenden Weiterbildung in beziehungsanalytischer Paar- und Familientherapie und -beratung und zur Familienselbsterfahrung. Er wendet sich an alle Berufsgruppen aus medizinischen, psychologischen, sozialen, pflegerischen und anderen therapeutischen Bereichen, an Wissenschaftler aller Disziplinen sowie an Lehrer, Theologen, Juristen, Politiker, Familienmitglieder und weitere Interessierte.


Weitere Informationen erteilt Ihnen gern: Dr. Ute Benz, Geschäftsstelle des Berliner Arbeitskreises für Beziehungsanalyse, Tel.: 030/742 80 31, Fax: 030/743 37 69, und Ingeborg Medaris, Zentrum für Antisemitismusforschung der TU Berlin, Tel.: 030/314-25676, Fax: 030/314-21136.