[TU Berlin] Medieninformation Nr. 149 - 6. Juli 1999
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Judenfeindlichkeit als Musterbeispiel für Minoritätenkonflikte

Dr. Werner Bergmann ist neuer TU-Professor für Antisemitismusforschung

Seit dem Sommersemester 1999 ist Dr. habil. Werner Bergmann Professor für das Fachgebiet Antisemitismusforschung an der TU Berlin. Er tritt die Nachfolge des langjährigen TU-Professors Dr. Wolfgang Scheffler an, der von 1986 bis 1994 am Zentrum tätig war.

Schwerpunkte von Bergmanns Arbeit sind die Soziologie und Geschichte des Antisemitismus sowie angrenzende Gebiete wie Fremdenfeindlichkeit und Rechtsextremismus. Zu den Forschungsaufgaben, die er als erstes aufgreifen möchte, zählt ein Projekt über Judenfeindlichkeit in der Weimarer Republik. "Trotz ihrer Schlüsselstellung für den NS-Antisemitismus gehören der Erste Weltkrieg und die Weimarer Republik immer noch zu den am wenigsten erforschten Perioden", begründet der neu berufene Professor das Vorhaben. Untersucht werden soll zum einen die tatsächliche soziale, politische, kulturelle und ökonomische Integration oder Nicht-Integration der Juden in die deutsche Mehrheitsgesellschaft. Dabei geht es auch um die Frage, wie die jüdische Minderheit das Zusammenleben selbst wahrgenommen hat. Ein anderer wichtiger Aspekt ist die ideologische, propagandistisch forcierte und zum Teil auch gewalttätige Ausgrenzung der jüdischen Minderheit durch völkische und nationale Bevölkerungskreise und Organisationen.

Die bisher auf Deutschland bezogene empirische Antisemitismusforschung möchte Werner Bergmann zu einem europäischen Forschungsverbund erweitern, um so zu quantitativ vergleichbaren Ergebnissen zwischen einzelnen Ländern zu kommen. Hilfreich könnten hierbei die bestehenden Kontakte zu ungarischen, polnischen, russischen, österreichischen und englischen Kollegen sein.

Ein bereits laufendes Forschungsprojekt befaßt sich mit "Entstehung und Verlauf von Pogromen im 19. und 20. Jahrhundert". Im Mittelpunkt steht die Frage nach der Rolle der Ideologie für das Entstehen sozialer Spannungen und die Anwendung kollektiver Gewalt.

Im 1982 gegründeten Zentrum für Antisemitismusforschung der TU Berlin, die einzige und zentrale Einrichtung ihrer Art in Europa, betrachtet man den Antisemitismus als eine Art Musterbeispiel für die Erforschung von sozialen Vorurteilen und Gruppenkonflikten. Viele Konflikte und Problemstellungen sind aus der Geschichte des Zusammenlebens von Juden und Nichtjuden bekannt. Sie wiederholen sich heute strukturell bei der gegenwärtigen Neuformierung von Gesellschaften in Europa. Daher werden auch allgemeine und übergreifende Forschungen zu Vorurteil und Diskriminierung, zu allen Formen gewaltsamer Verfolgung von ethnischen Gruppen bis hin zum Völkermord sowie zu Minoritätenkonflikten zu den künftigen Forschungsaufgaben von Werner Bergmann zählen.

Die genannten Forschungsschwerpunkte finden sich auch in seiner Lehre wieder, die sich dem interdisziplinären Anspruch des Zentrums entsprechend an interessierte Studenten aller Fachrichtungen wendet. Vor allem in den Vorlesungen werden deshalb Themen von übergreifendem Interesse, zum Beispiel Vorurteil und Rassismus, "Ethnische Säuberungen" und "Kollektive Gewalt" behandelt.

Werner Bergmann, geboren 1950 in Celle, studierte Kunsterziehung an der Hochschule für Bildende Künste in Hamburg sowie parallel dazu Soziologe, Sozialkunde und Philosophie an der Universität Hamburg. 1981 promovierte er dort im Fach Soziologie und legte ein Jahr später das Zweite Staatsexamen für das Lehramt an Gymnasien ab. Danach war er eine kurze Zeit lang als Lehrer an einem Hamburger Gymnasium tätig. 1984 ging Werner Bergmann an das Zentrum für Antisemitismusforschung der TU Berlin, wo er zuletzt Oberassistent war. 1996 habilitierte er sich im Fach Soziologie an der Freien Universität Berlin mit einer Arbeit über "Antisemitismus in öffentlichen Konflikten. Kollektives Lernen in der Geschichte der politischen Kultur der Bundesrepublik 1949 -1989". Neben der wissenschaftlichen Tätigkeit war Werner Bergmann unter anderem 1987 bis 1988 Mitglied der "Berliner Kommission gegen Antisemitismus" beim Regierenden Bürgermeister von Berlin und saß von 1988 bis 1996 im erweiterten Vorstand der "Gesellschaft für die Erforschung der Geschichte der Juden".


Weitere Informationen erteilt Ihnen gerne: Prof. Dr. Werner Bergmann, Zentrum für Antisemitismusforschung der TU Berlin, Tel: 030/314-25853, Fax: -21136, E-Mail: berg0154@mailszrz.zrz.TU-Berlin.de