[TU Berlin] Medieninformation Nr. 172 - 27. August 1999
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Brisante Magisterarbeit zum Thema Prostitution und Gesundheit

Die Psychologin Monika Krüger vom Ergänzungsstudiengang Public Health an der TU Berlin beschäftigt sich in ihrer Magisterarbeit mit der gesundheitlichen Lage weiblicher Prostituierter.

Bundesfrauenministerin Christine Bergmann (SPD) hat sich dafür ausgesprochen, Prostitution als Beruf anzuerkennen. Im kommenden Jahr soll ein Gesetzesentwurf in den Bundestag eingebracht werden, wonach Prostitution nicht mehr als sittenwidriges Gewerbe gelten soll.

Bundesweit gibt es schätzungsweise 200.000 bis 400.000 Prostituierte. Obwohl dies eine beachtliche Zahl ist, werden Prostituierte in unserer Gesellschaft diskriminiert und rechtlich kriminalisiert. Selten wird die Tätigkeit von Prostituierten als das gewürdigt, was sie auch ist, nämlich eine Arbeit, mit der vor allem viele Frauen ihren Lebensunterhalt und den ihrer Familien bestreiten.

Der Paragraph 138 im bürgerlichen Gesetzbuch erklärt sexuelle Dienstleistungen als sittenwidrig. Aufgrund dieses Paragraphen dürfen Prostituierte weder in die gesetzlichen Krankenkassen noch in die gesetzliche Rentenversicherung eintreten. Sie sind einkommenssteuerpflichtig, bekommen aber weder Arbeitslosengeld oder andere Arbeitsfördermittel noch können sie sich auf Kosten des Arbeitsamtes umschulen lassen. Weil Verträge über sexuelle Dienstleistungen als rechtlich unwirksam gelten, können die Prostituierten ihr Honorar nicht bei den Freiern einklagen, umgekehrt können die Freier sie aber wegen Betruges verklagen, wenn sie die bezahlte Dienstleistung verweigern. Die Tätigkeit in der Prostitution bedeutet meistens ein Leben im gesellschaftlichen Off und hat unbestritten direkt und indirekt Auswirkungen auf die Gesundheit Prostituierter.

Die Psychologin Monika Krüger beschäftigt sich in ihrer Magisterarbeit "Prostitutionstätigkeit und Gesundheit” mit dieser Problematik. Im Vordergrund steht dabei, wie und in welchem Maß sich Belastungen, die mit dem Leben in der Prostitution verbunden sind, auf die gesundheitliche Situation, die Lebenszufriedenheit und das Wohlbefinden der Prostituierten auswirken. Zum anderen steht im Mittelpunkt, welchen Beitrag gesundheitswissenschaftliche Methoden in Hinblick auf die Entwicklung und Durchsetzung gesundheitsförderlicher Arbeits- und Lebensumstände für Frauen in der Prostitution leisten können. Monika Krüger untersucht in ihrer Arbeit auch den Unterschied zwischen Prostitutionstätigkeit und anderen Erwerbstätigkeiten. Während gesellschaftlich anerkannte Erwerbstätigkeiten geprägt sind durch positive Bedingungen wie gutes Arbeitsklima, eindeutige Beziehungen zu den Vorgesetzten, Anerkennung/Erfolg, Entwicklungsmöglichkeiten und die Sicherheit des Arbeitsplatzes, zielen die derzeit gültigen gesetzlichen Regelungen darauf ab, die Arbeitsbedingungen für Prostitutierte möglichst ungünstig zu gestalten, um sie davon abzuhalten, dieser Tätigkeit nachzugehen.

Die Magisterarbeit enthält eine umfangreiche Expertenbefragung, bei der Mitarbeiter/innen aus Beratungsstellen zu der Problematik interviewt wurden. Sie wurden unter anderem nach belastenden Arbeits- und Lebensbedingungen der Prostitutionstätigkeit befragt. Als Belastungsfaktoren nannten die Experten/innen sexuell übertragbare Krankheiten, Gewalt

durch Freier oder Zuhälter, Konkurrenzsituation und Erpreßbarkeit, Doppelleben, schlecht oder nicht vorhandenes Gesundheitsbewußtsein oder -verhalten, Drogenabhängigkeit, Alkohol- und Nikotinkonsum, fehlende Krankenversicherung, Migrationsprobleme und Illegalität.

Die Befragung hat ergeben, daß alle Prostitutionstätigkeit, so wie sie ist, als prinzipiell schädigend für die Gesundheit und das Wohlbefinden Prostituierter einzuschätzen ist und bislang als Thema auch in den Gesundheitswissenschaften ignoriert bzw. unterbewertet wird. Gesundheitspolitische Forderungen für mögliche positive Veränderungen müssen daher im Vordergrund stehen. Grundlegend für Verbesserungen ist allerdings, daß Prostitutionstätigkeit als Erwerbstätigkeit anerkannt wird, um bessere Arbeitsbedingungen für die in der Prostitution tätigen Frauen schaffen zu können.

Die Magisterarbeit von Monika Krüger ist in diesem Jahr mit dem ersten Preis des Hertha-Nathorff-Preises ausgezeichnet worden. Der Hertha-Nathorff-Preis wird seit 1995 jährlich verliehen und erinnert an die jüdische Ärztin Hertha Nathorff, geb. Einstein (1895-1993), die in den 20er und 30er Jahren engagiert im öffentlichen Gesundheitswesen Berlins tätig war.


Weitere Informationen erteilt Ihnen gern: Dipl.-Soz. Hans-Jürgen Lorenz, Gesundheitswissenschaften Public Health, Technische Universität Berlin, Tel.: 030/314-21618, Fax: 030/314-21578