[TU Berlin] Medieninformation Nr. 206 - 19. Oktober 1999
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"Haste mal ´ne Mark?" oder was tun gegen Jugend-Obdachlosigkeit?

Einladung zur Gründung des Internationalen Straßenkinder-Archivs

Auch sie gehören zum heutigen Erscheinungsbild von Großstädten: Straßenkinder, die ohne festen Wohnsitz und ohne regelmäßige Einkünfte durch die Häuserschluchten ziehen. UNICEF geht davon aus, dass weltweit 100 bis 200 Millionen Kinder auf der Straße leben und arbeiten. Aufgrund der zunehmenden Armut und Verstädterung ist mit einem Anstieg zu rechnen. Industrienationen wie Deutschland bleiben von dieser Entwicklung nicht verschont. Genaue Zahlen gibt es nicht, doch schätzen Experten die Zahl der Straßenkinder auf rund 40.000 bis 50.000. In Berlin werden etwa 3.000 bis 5.000 vermutet. Ihren Lebensunterhalt bestreiten die Kinder durch gegenseitige Fürsorge und Betteln. Der Spruch "Haste mal ´ne Mark?" und die ausgestreckte Hand eines bettelnden Jugendlichen dürfte so manchem Hauptstädter schon begegnet sein. Gelegentlich nehmen "Straßenkinder" auch staatliche oder karitative Fürsorge in Anspruch.

Wissenschaftliche Untersuchungen zum Thema "Straßenkinder" gibt es ebenso wie zahlreiche Projekte nationaler und internationaler Organisationen, die die Situation der "Straßenkinder" verbessern wollen. Wirkung und Erfolge dieser Bemühungen sind jedoch selten dokumentiert und ein Austausch zwischen den verschiedenen Gruppen findet nur selten statt. In Berlin wird mit dem "Internationalen Straßenkinder-Archiv" eine zentrale Anlaufstelle geschaffen, die am 28. Oktober 1999 ihre Arbeit aufnimmt.

Zur Eröffnung, die am 28. Oktober 1999 um 17.00 Uhr stattfindet, wird die erste Vorsitzende der Kommission des Förderungsprogrammes für Frauenforschung, Prof. Dr. Waltraut Kerber-Ganse, sprechen. In diesem Rahmen wird es außerdem eine Fotoausstellung, Videovorführungen und Lesungen geben.

Die Veranstalter/innen möchten Sie hiermit herzlich zur Pressekonferenz anlässlich der Eröffnung einladen.

Zeit: am Donnerstag, dem 28. Oktober 1999, 16.30 Uhr
Ort: Internationales Straßenkinder-Archiv, Weinbergsweg 23, 10119 Berlin

Das Internationale Straßenkinder-Archiv ist ein Projekt der Internationalen Akademie INA gGmbH und der Gesellschaft für Internationale Kultur- und Bildungsarbeit e. V. Berlin. An der Gründung des Archivs, die durch die Initiative der TU-Absolventin Frau Dr. Dolly Conto Obregón zustande kam, waren unter anderem Studierende der Erziehungswissenschaft der TU Berlin beteiligt. Zu den Unterstützern des Archivs gehören der Fachbereich Erziehungs- und Unterrichtswissenschaften und die Arbeitsstelle "Dritte Welt" der TU Berlin.

Die vordringlichste Aufgabe des Archivs wird die Auswertung, Dokumentierung und Veröffentlichung der Ergebnisse von Theorie und Praxis sein. Daraus soll ein Dokumentationszentrum entstehen, das Wissenschaftler/innen, Fachleuten und Interessierten alles notwendige Material zugänglich macht. Dahinter steht auch der Wunsch, Forschungsarbeiten auf dem Gebiet zu beschleunigen und neue Forschungsfelder zu eröffnen. Daher soll das Archiv auch ein Forum für den Erfahrungsaustausch bieten. Die Erkenntnisse aus den Analysen und der Forschungstätigkeit werden in ein Beratungsangebot einfließen, das sich sowohl an politische Institutionen und freie Trägerorganisationen als auch an Wissenschaftler/innen und alle in dem Bereich Tätigen richtet.

Ein besonderer Bereich des Internationalen Straßenkinderarchivs ist der Aufbau und die Verstärkung eines Schwerpunktes über die Lebenssituation von Straßenmädchen, sozial gefährdeten Mädchen und Frauen. Ziel dieses Schwerpunktes ist, Voraussetzungen für Forschungsvorhaben in diesem Bereich zu schaffen. Er wird im Rahmen des Förderprogramms Frauenforschung von der Senatsverwaltung für Arbeit, Berufliche Bildung und Frauen gefördert.

Darüber hinaus wird das Archiv Fort- und Weiterbildungskurse für Pädagogen/innen, Streetworker/innen und Lehrer/innen anbieten. Studierenden, die in dem Bereich arbeiten wollen, wird durch ein Servicepaket zur Vor- und Nachbereitung von Auslandspraktika geholfen. Aber auch die breite Öffentlichkeit soll mit Vortragsreihen, Filmabenden, Ausstellungen und Konferenzen angesprochen werden.

Mit dieser Arbeit möchte das Archiv einen Beitrag dazu leisten, dass mittelfristig ein Bewusstsein für die Verantwortung gegenüber dem Problem sozial gefährdeter Mädchen und Jungen geschaffen wird. Einige der "Straßenkinder" sind nämlich Ausreißer, die nur für einen kurzen Zeitraum der Familie oder einem Heim entfliehen, um ihrer Umwelt eine Art Signal zu geben. Andere, die sogenannten Treber, haben mit ihrem gewohnten Leben endgültig gebrochen und führen häufig eine illegale Existenz in subkulturellen Milieus wie zum Beispiel die Punk-Szene. Nicht selten droht Straßenkindern aber auch das Abrutschen in die harte Drogenszene, in Prostitution und Kriminalität. Ursachen für die Flucht sind nicht nur materielle Armut, sondern auch familiäre Konflikte und Gewalt. Viele begreifen ihr Dasein als "Straßenkind" auch als Protest gegen die herrschenden Verhältnisse in der Gesellschaft. Langfristiges Ziel der Initiatoren/innen ist es, die Lebenssituation der "Straßenkinder" konkret zu verbessern.

Das Internationale Straßenkinder-Archiv, Weinbergsweg 23, 10119 Berlin wird ab dem 29. Oktober 1999 dienstags bis freitags, 10.00 bis 16.00 Uhr und nach Absprache geöffnet sein.


Weitere Informationen erteilt Ihnen gerne: Frau Dr. Dolly Conto Obregón, Internationales Straßenkinderarchiv, Forschungs- und Beratungszentrum, Weinbergsweg 23, 10119 Berlin, Tel: 030/44 02 46-52, Fax: -54, E-Mail: dolly.conto@strassenkinder-archiv.de