[TU Berlin] Medieninformation Nr. 249 - 23. Dezember 1999
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Auch Forscher dürfen tricksen

Wissenschaftler der TU Berlin suchen nach neuen Lösungen für die Schallminderung an Rad und Schiene

An Hauptstraßen, S- und U-Bahnlinien oder Autobahnen - der Lärmpegel, dem die Anwohner ausgesetzt sind, überschreitet nicht selten einen Wert, der gesundheitsgefährdend ist. Maßnahmen, um den hohen Schallpegel zu senken, sind dringend notwendig. In den Laboren der Technischen Universität (TU) Berlin sucht man nach neuen Wegen der Schallminderung vor allem an Rad und Schiene, denn auch der Gütertransport mit dem Zug wird sich erhöhen. Prognosen gehen dabei von zehn Prozent aus. Um die Lärmbelästigung zu verringern, greifen die Berliner Forscher in die "physikalische Trickkiste". "Unser Interesse gilt vor allem den Schallabschirmwänden neben den Gleisen. Wir wollen sie verbessern, ohne ihre Höhe zu ändern", beschreibt Akustik-Professor Michael Möser den Forschungsauftrag, "denn ein Meter Schutzwand kostet die Bahn jetzt schon 1000 Mark."

Michael Möser ist Geschäftsführender Direktor des Instituts für Technische Akustik der TU Berlin und experimentiert mit seinen Kollegen in den Laboren der Akustischen Prüfhalle am Berliner Einsteinufer. Auf die obere Kante der Abschirmwände montierten die Wissenschaftler beispielsweise durchlöcherte Zylinder, die im Innenteil durch Kammern unterteilt sind. Oder sie befestigten an der Rückseite Kästen, in denen zahlreiche Rohre stecken. "Wir verlängern damit den Weg der Schallwellen und die Lärmbelästigung verringert sich", so Prof. Möser. Auch eine Oberflächenstruktur mit Löchern und Hohlräumen "schluckt" die Geräusche. Bei einem anderen Experiment wurden lärmmindernde Schürzen an Zugräder angebracht. Setzt man sie und die Schallwände ein, wird der Lärm um bis zu 20 Dezibel vermindert.

Einen weiteren Trick wollen die Berliner Wissenschaftler anwenden. "Schall als Luftdruckschwankung breitet sich ähnlich wie eine Wasserwelle mit Tälern und Bergen aus. Dort, wo zwei Wellenberge aus verschiedenen Lärmquellen aufeinandertreffen, verstärkt sich der Schall. Überlagern sich jedoch Berg und Tal, hört man nichts mehr. Um einen verringerten Gesamtschall zu erreichen, soll die störende Lärmquelle mit einem künstlichen, durch elektronische Steuerung hergestellten Sekundärschall überlagert werden. Dieses aussichtsreiche Gebiet der Anti-Schall-Forschung wurde erst durch die Entwicklung hochleistungsfähiger Rechner und Signalprozessoren möglich. Auch im Verkehrsbereich oder bei der Lärmminderung am Arbeitsplatz könnte das Anti-Schall-Prinzip Anwendung finden.

Dass Handlungsbedarf besteht, zeigen aktuelle Statistiken: In der Hauptstadt beispielsweise nahm der Schienenverkehr gegenüber 1983 zu, da neue Strecken in den vergangenen Jahren hinzugekommen sind und andere Gleisanlagen heute mit wesentlich höheren Zugzahlen betrieben werden. Außerdem zählte die Umweltabteilung der Berliner Senatsverwaltung für Stadtentwicklung mehr als 260.000 Betroffene, die zur Straße gelegene Wohnräume nutzen und nachts einer Lärmbelästigung von 55 Dezibel (dB/A) ausgesetzt sind. Hinzu kommen 200.000 Wohnungen an Hauptverkehrsstraßen, bei denen tagsüber ein Lärmpegel von über 64 Dezibel (dB/A) gemessen wurde - ein Wert, den Mediziner als gesundheitsgefährdend einstufen.

Stefanie Terp

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Kontakt: Prof. Michael Möser, Institut für Technische Akustik der TU Berlin, Tel.: 030/314-22932, Fax: 030/314-25135, steht Ihnen für weitere Fragen nach den Weihnachtsferien ab 3. Januar 2000 zur Verfügung. Weitere Informationen über das Institut für Technische Akustik der TU Berlin finden Sie im Internet unter: http://www.tu-berlin.de/fb6/ita/index.html.