TU-Wissenschaftler entwickelten neues Schweißverfahren
Der Volkswagen-Konzern hat an dem Projekt "Ultraleichtbau" so großes Interesse, dass er gleich als Kooperationspartner einstieg. Wissenschaftler vom Fachgebiet Füge- und Beschichtungstechnik, Fachbereich Maschinenbau und Produktionstechnik, der TU Berlin entwickelten ein neues Schutzgas-Schweißverfahren: Sogar 0,2 mm dünnes Feinstblech kann man, wenn das System ausgereift ist, verschweißen. Das war bislang aus technischen Gründen nicht möglich. Die Bleche schmolzen einfach dahin. Sven-Frithjof Goecke und sein Team kamen durch einen Prozessfehler auf die Idee. Sie ist so vielversprechend, dass auch das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) drei Millionen Mark Forschungsgelder investieren wird.
Wer kennt nicht die Nachteile des Schweißens: hohe Nachbearbeitungskosten durch Spritzer, grobe Nahtoberfläche, ungleichmäßigen Einbrand und starken Verzug? Und an diesen Problemen arbeiteten die TU-Wissenschaftler ursprünglich. Monatelang standen sie in ihrem Labor und versuchten, etwa die Spritzerbildung zu reduzieren. Zahlreiche Prozessstörungen ließen einen besonders frustrierenden Tag erwarten. Der Lichtbogen wurde immer wieder unterbrochen. Wie sollte man da zu vernünftigen Ergebnissen kommen?
Da hatten Dipl.-Ing. Sven-Frithjof Goecke und Dr.-Ing. Kaveh Momeni eine zündende Idee, aus der ein neues Projekt entstand: Vielleicht ließe sich das Schweißverfahren ja so modifizieren, dass man durch kontrollierte Lichtbogenunterbrechung den Wärmeeintrag weit unter bisherige Grenzen reduziert. Und damit beschäftigten sich die TU-Wissenschaftler weitere Monate - mit Erfolg. Mit einer neuartigen programmgesteuerten Energiezufuhr ermöglicht das neue Verfahren einen minimalen Wärmeeintrag im Kurzlichtbogen, d. h. einen periodischen Wechsel aus Lichtbogen- und Kurzschlussphase. Mit dem Chopärc, wie das neue Schweißverfahren getauft wurde, wird es erstmals möglich, die bisherige Blechdickengrenze beim Schutzgas-Schweißen von 0,5 mm auf 0,2 mm zu erweitern.
Zunächst wurde nach einer Analyse des herkömmlichen MAG-Prozesses eine phasenselektive Stromregelung für die Kurzschlussphase entwickelt, die wesentliche Vorgänge des Prozesses erkennt und in jeder Phase nur die jeweils benötigte Energiezufuhr bereitstellt. Das Problem: Weil der Prozess nur unregelmäßig ablief, waren sie von einer sauberen Schweißnaht noch weit entfernt. In einem weiteren Schritt sollte also eine größere Regelmäßigkeit des gesamten Prozesses erreicht werden. Sie versuchten, ein gesteuert definiertes aufschmelzen des Schweißdrahtes in der Lichtbogenphase hinzubekommen. ausgehend von der bekannten Impulstechnik senkte Sven-Frithjof Goecke zur Reduzierung des Wärmeeintrags den Lichtbogenstrom von einem Hoch- in einen niedrigen Basisstrom impulsartig ab. Während im höheren Niveau ein definiertes aufschmelzen der Elektrodenspitze erzeugt wird, soll der Basisstrom auf möglichst "kleiner Flamme" lediglich ein Erlöschen des Lichtbogens ausschließen. Hierdurch verbesserte sich die Gleichförmigkeit des Schweißprozesses ganz erheblich.
Doch der Forscherdrang war noch nicht befriedigt. In einem letzten Schritt folgte die völlige Abschaltung des niedrigen Basisstroms nach einer ebenfalls definierten Brenndauer mit anschließendem Warten bis zum nächsten Kurzschlusseintritt ohne jeden Energieeintrag. So kann das Schmelzvolumen mit der Hochstromphase definiert eingestellt und die Kurzschlussfrequenz über die Basisstromphase gesteuert werden. Durch dieses Choppen des Lichtbogens wird der bisher gekoppelte Prozess aus Wärmeeintrag und Werkstofftransport quasi entkoppelt. Das verblüffende Resultat, auch für die TU-Wissenschaftler: ein so starkes absenken des Gesamtwärmeeintrags, dass 0,2 mm dünnes Feinstblech problemlos geschweißt werden kann. Und: Die Schweißnaht kann nun erstmalig gezielt beeinflusst werden. Ihr neues Schutzgas-Schweißverfahren stellten die TU-Wissenschaftler erstmals auf der Hannover-Messe im Frühjahr dieses Jahres vor. Hieraus ergaben sich zahlreiche Kontakte, sowohl zu anderen Forschungseinrichtungen als auch zur Industrie. Sven-Frithjof Goecke hat inzwischen alle an der Weiterentwicklung seines Systems Interessierten zu einem Konsortium zusammengefasst. Ziel ist es, das ChopArc-Verfahren bis zur Anwendungsreife zu bringen.
Zusammen mit dem Volkswagen-Konzern, kleineren und mittleren Berliner Unternehmen sowie dem TU-Fachgebiet Luftfahrzeugbau und Leichtbau, Institut für Luft- und Raumfahrt, wird eine ultraleichte PKW-Bodengruppe entwickelt werden. Das neue Schutzgas-Schweißverfahren ChopArc ist dabei der Dreh- und Angelpunkt. Denn: Nur mit diesem Verfahren ist, das erwarten jedenfalls alle an dem Projekt Beteiligten, der Ultraleichtbau wirtschaftlich interessant.
Thomas Schulz