"Innovationswerkstatt" der TU Berlin schließt die Lücke zwischen Ausbildung und Praxis und verhilft damit jungen Technologiefirmen zu Marketingkonzepten
Ein Kreis, der sich geschlossen hat. Vor wenigen Jahren studierte ein leitender Angestellter des Flugzeugherstellers Stemme GmbH in Strausberg noch selbst am Institut für Betriebswirtschaftslehre/Marketing I und nahm an der "Innovationswerkstatt" teil. Nun entwickelt die nächste Generation von Studierenden ihm ein Vertriebskonzept für ein neuartiges Modul-System zum Flugzeugbau. Günstig für beide Seiten: Die Studenten proben "den Ernstfall" und das Unternehmen rückt seinem Ziel vielleicht ein Stück näher: In einem Jahr will es doppelt so viele Segelflieger wie bisher verkaufen.
Schon seit über 15 Jahren ist die "Innovationswerkstatt" des Fachbereichs Wirtschaft und Management der TU Berlin unter der Leitung von Prof. Dr. Volker Trommsdorff erfolgreich. Ein bewährtes Konzept, das doch immer wieder Neues bietet. Das verrät schon der Name. In Zusammenarbeit mit jungen Technologiefirmen qualifiziert die vierwöchige Blockveranstaltung Studierende aus Wirtschaft, Naturwissenschaft und Technik im Hauptstudium für die Vermarktung neuartiger, technischer Produkte und führt sie in typische Abläufe des Innovationsmanagements ein.
Projektpartner sind kleine und mittlere Unternehmen, meist aus den Branchen Meß- und Regeltechnik, Umwelttechnik, Medizintechnik, Informations- und Medientechnik. Viele dieser kleinen Technologiefirmen haben gute Techniken und Produkte entwickelt. Was ihnen fehlt, sind die notwendigen Marketingkompetenzen, also Kenntnisse über Märkte, Methoden der Marktforschung, Käuferverhalten und betriebswirtschaftliche Planungsmethoden. Hier bietet sich den Studierenden die Möglichkeit, unter realistischen Bedingungen wie Fristen, Ergebnisdruck und Arbeiten in einem Team aus unterschiedlich ausgebildeten Leuten professionelles Projektmanagement zu trainieren. Die Unternehmen stellen Material zur Verfügung und sie stellen Fragen, die als Zielvorgabe formuliert werden: Wie kann ich mein Produkt am effektivsten verkaufen? Welche Anforderungen stellt eigentlich der Kunde? Welchem Wettbewerb bin ich mit meinem Unternehmen auf den Absatz- und Beschaffungsmärkten ausgesetzt? Eine Woche haben die Studenten Zeit, sich Basiswissen anzueignen. Strategische Marketingplanung, Marktforschung und Kostenrechnung stehen genauso auf dem Programm wie Präsentationstechniken, Teamarbeit und Projektmanagement. Außerdem beschäftigen sie sich bereits mit ihrem speziellen Projekt, das von Vertretern des kooperierenden Unternehmens vorgestellt wird.
In den drei folgenden Wochen wird acht Stunden am Tag telefoniert, gefaxt, im Internet geforscht, es werden Daten erhoben, interpretiert, dokumentiert und präsentiert. Ergebnis ist eine strategische Analyse und Empfehlung zur Markteinführung, zu Kommunikation und Vertrieb, zu Preis- und Produktgestaltung. Sie gibt dem Unternehmen wertvolle Hinweise für sein weiteres Vorgehen. Im Gegenzug stattet das Unternehmen die Studenten mit dem notwendigen Material aus und übernimmt Kosten für Telefonate, Faxe, Porto und ähnliches. Bislang entstanden pro Unternehmen maximal Kosten von 10.000 DM wie die beiden Diplom-Kaufleute Robert Knack und Jens Gärtner vorrechnen. Sie sind wissenschaftliche Mitarbeiter und Assistenten von Prof. Trommsdorff und leiten das aktuelle Projekt der Innovationswerkstatt. "Das Training ist hart und fordert die Studenten manchmal bis an die Grenze der Erschöpfung", verraten die beiden Wissenschaftler. Das sei auch der Grund für das aufwändige Bewerbungsverfahren. "Wir müssen natürlich sichergehen, dass die Kandidaten motiviert und zuverlässig genug sind, die vier Wochen harter Arbeit durchzuhalten. Schließlich wollen wir unserem Projektpartner greifbare Ergebnisse präsentieren. Außerdem müssen wir den sorgfältigen Umgang mit Betriebsinterna gewährleisten." Auf diese Weise hat aber auch das Unternehmen die Sicherheit, dass man es mit leistungsstarken Studenten zu tun hat. So manche Firma hat daraufhin einzelnen Studenten schon Praktikum oder Job angeboten.
Und noch etwas macht die Innovationswerkstatt für Studenten attraktiv. Astrid Lemke, 27, Studentin der Umweltschutztechnik, arbeitet normalerweise in den Semesterferien. Für die "Innowerkstatt" hat sie jedoch vier Wochen Geldverdienen hergegeben: "Das konzentrierte, tägliche Arbeiten an einem Problem ist enorm effektiv. Man nimmt den Stoff viel intensiver auf und orientiert sich stärker auf ein Ergebnis hin, als wenn man sich ein Semester lang einmal die Woche dem Thema widmet". Über Segelflieger hat sie auch ganz viel gelernt.
Patricia Pätzold-Algner