[TU Berlin] Medieninformation Nr. 200a - 24. September 2002 - Bearbeiter/in: stt
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Professor der TU Berlin bekommt höchste russische Auszeichnung

Forschergruppe um Dieter Bimberg und Nobelpreisträger Zhores Alferov werden von Vladimir Putin mit dem Staatspreis geehrt / Mit Dieter Bimberg wird seit 1950 erstmals ein nicht in Russland lebender Wissenschaftler ausgezeichnet

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Prof. Dieter Bimberg - Foto: TU BerlinManchmal werden Leistungen im Kleinsten ganz groß belohnt - so ist es jetzt im Fall der deutsch-russischen Arbeitsgruppe um die Wissenschaftler Prof. Dr. Zhores Alferov, dem Physik-Nobelpreisträger von 2000, und Dieter Bimberg (FOTO), Physikprofessor an der TU Berlin. Seit Jahren haben sie gemeinsam in der Quantenpunkt-Laserforschung Zeichen gesetzt. Durch Erlass des russischen Staatspräsidenten Vladimir Putin werden die beiden Wissenschaftler sowie Prof. Dr. Nicolai Ledentsov und Dr. Vitaly Shchukin, die zur Zeit als Gastwissenschaftler des DAAD und der Humboldt-Stiftung an der TU Berlin forschen, mit dem Staatspreis der Russischen Föderation für Wissenschaft und Technik geehrt. Anerkannt wird damit die "Grundlagenforschung der Bildungsprozesse und Eigenschaften von Heterostrukturen mit Quantenpunkten und die Herstellung der Laser auf dieser Basis“.

Mit der Verleihung an Prof. Dr. Dieter Bimberg wird zum ersten Mal seit 1950 ein nicht in Russland lebender Wissenschaftler ausgezeichnet.

Bereits seit 1993 kooperieren die Forscher sehr eng auf dem Gebiet der Nanotechnologie. Dieter Bimberg, Direktor des Instituts für Festkörperphysik der TU Berlin, und Zhores Alferov, Leiter des Abraham Ioffe Instituts der Russischen Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg, erforschen gemeinsam die neuen und bis vor kurzem völlig unbekannten Dimensionen von Halbleiternanostrukturen. Der synergetische Effekt dieser langanhaltenden Kooperation ist nicht zu übersehen und wird nunmehr weltweit anerkannt. Außerdem setzt er deutliche Zeichen für die Wichtigkeit des Ausbaus wissenschaftlicher Beziehungen zwischen Ost und West.

Die Forschungsleistung und ihre Marktanwendung
Der wissenschaftliche Durchbruch basiert auf der Anwendung von Phänomenen der Selbstorganisation auf Halbleiteroberflächen. Den Forschern ist es gelungen, beim Wachstum weniger Atomlagen eines Halbleiters eine spontane parallele Bildung von Trillionen von Inseln pro Quadratzentimeter und Sekunde zu initiieren. Diese Erfindung veränderte die Halbleitertechnologie grundlegend. 

Einer dieser typischen Quantenpunkte besteht aus weniger als 10.000 Atomen und hat eine typische Ausdehnung von 10 nm. Diese Quantenpunkte haben die Form einer Pyramide. Sie ähnelt den alten ägyptischen Vorbildern, ist allerdings 10 Milliarden mal kleiner in ihrer Ausdehnung. Auf Selbstorganisation basierende Quantenpunkte haben einzigartige Eigenschaften. Die Funktionalität der Bauelemente wird hier von den Gesetzen der Quantenmechanik gesteuert. Es greifen andere physikalische Konzepte. Sie erlauben die Herstellung von neuartigen Lasern, die eine sehr niedrige Schwellenstromdichte haben, eine stabile Leistung in extrem großen Temperaturbereichen (von -273 Grad Celsius bis +80 Grad Celsius) aufzeigen und die Ausstrahlung in neuen Wellenlängenbereichen ermöglichen, die bei klassischen Lasern undenkbar wären. 

Derartige, auf Quantenpunkten basierende Halbleiterlaser sind für das Speichern auf DVDs, für das neuartige Laserprojektionsfernsehen – das TV von morgen - oder den Informationsfluss im Internet auf fortschrittlichen Glasfasern einsetzbar. Um den ökonomischen Erfordernissen des Verbrauchermarktes zu genügen, muss der Preis jedes einzelnen Bauelementes auf wenige Euro gesenkt werden. Die Quantenpunkt-Technologie gewährleistet das.

Enge Verflechtung deutsch-russischer Wissenschaft
Es ist bemerkenswert, dass der russische Staatspreis die eng verflochtene Zusammenarbeit der zwei Teams anerkennt. Professor Dr. Nikolai Ledentsov vom Ioffe Institut arbeitet an der TU Berlin als Gastprofessor im Rahmen eines Programms des Deutschen Akademischen Austauschdienstes (DAAD) und entwickelte einen neuen Vorlesungszyklus in der Halbleitertechnologie. Dr. Vitaly Shchukin vom Ioffe Institut besucht als Alexander von Humboldt-Stipendiat die TU Berlin. Shchukin, Ledenstsov und Bimberg sind Autoren des neuen Buches “Epitaxy of Nanostructures", das im Frühjahr 2003 im Springer Verlag erscheinen wird. Das Team des Ioffe Instituts bekam auch Forschungsgelder aus Deutschland, so von der VolkswagenStiftung und dem Bundesministerium für Bildung und Forschung. Professor Bimberg und seine jüngeren deutschen Kollegen sind häufig am Ioffe Institut zu Gast.

Die facettenreiche Zusammenarbeit zwischen Russland und Deutschland dient den Interessen beider Länder. Heutzutage, da ein wirtschaftlicher Aufschwung in Russland schon zweifellos sichtbar ist, könnten derartige technologische Innovationen auch für die Gründung gemeinsamer Firmen genutzt werden. Dass dies in der Berliner Arbeitsgruppe um Prof. Bimberg schon mehrmals Erfolg gezeigt hat, beweisen nicht nur die Auszeichnungen durch den Businessplan-Wettbewerb Berlin-Brandenburg für Spin offs aus seinem Bereich. Auch als Sprecher eines Sonderforschungsbereiches und Koordinator eines bundesweiten Kompetenzzentrums bündelt Dieter Bimberg nicht nur Spitzenforschung am Berliner Standort, sondern fördert auch die Entwicklung marktfähiger Produkte in Zukunftsgebieten wie dem Laser-TV oder dem schellen Internet.

Mit deutscher Hilfe: Durchbruch für Wissenschaftlerausbildung in St. Petersburg
Die vielschichtige Kooperation beider Länder macht sich nicht nur in der Forschung, sondern auch in der Ausbildung bemerkbar. Das neue von Professor Zhores Alferov gegründete Wissenschafts- und Ausbildungszentrum in St. Petersburg, einschließlich des Ioffe-Lyzeums, ist vielen ausländischen Gästen bekannt. Ein Pionierkonzept kohärenter Ausbildung, welches die letzten vier Jahre eines Gymnasienbesuchs, sechs Jahre der Universität und drei Jahre der Doktorarbeit umfasst und mit der Forschung am renommierten Ioffe Institut stark verbunden wird, ist ein großer Durchbruch für die Ausbildung von Wissenschaftlern und Ingenieuren für das 21. Jahrhundert. Das moderne Gebäude des Ioffe–Lyzeums beherbergte u.a. den Gipfel zwischen dem russischen Staatspräsidenten Vladimir Putin und dem deutschen Bundeskanzler Gerhard Schröder im April 2001. 

Alter Tradition des großen deutschen Konzerns Siemens folgend, der in St. Petersburg bereits im 19. Jahrhundert mehrere Betriebe gegründet hatte, beschloss dieser zwei neue Förderungsprogramme zu initiieren. Einerseits wurde eine Reihe von Stipendien für die Lehrer am Ioffe-Lyzeum aufgelegt. Andererseits unterstützt Siemens die Ausbildung der besten Studenten nach dem Lyzeumsabschluss. Das Lyzeum und die neue International Post-Graduate School of Engineering and Advanced Technologies der TU Berlin arbeiten zur Zeit an einem Projekt für die Ausbildung internationaler Postdoktoranden.

Der Preis wird den Wissenschaftlern in Kürze in Moskau durch russischen Staatspräsidenten Vladimir Putin überreicht.

Kurzlebenslauf

Dieter Bimberg wurde am 10. Juli 1942 in Schrozberg, Deutschland, geboren. Er erhielt sein Diplom in Physik und seinen Doktortitel an der Goethe-Universität in Frankfurt/Main (1968 bzw. 1971). Von 1972 bis 1979 war er wissenschaftlicher Mitarbeiter am Max-Planck-Institut für Festkörperforschung und leitete den Aufbau des deutsch-französischen Hochfeld-Magnetlabors in Grenoble. Von 1979 bis 1981 war er Professor am Institut für Halbleitertechnik der RWTH Aachen. Seit 1981 ist er Inhaber des Lehrstuhls für Angewandte Physik an der TU Berlin und Leiter einer Arbeitsgruppe von ca. 40 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Seit 1990 ist er außerdem Geschäftsführender Direktor des TU-Instituts für Festkörperphysik. Er ist Autor bzw. Mitautor von mehr als 800 Veröffentlichungen, zahlreichen Patenten und Büchern. Seine Forschungstätigkeit konzentriert sich zur Zeit auf die Physik von Nanostrukturen, nanostrukturierte Bauelemente sowie ultraschnelle Photonik. Er ist Sprecher des Sonderforschungsbereiches 296 "Wachstumskorrelierte Eigenschaften niederdimensionaler Halbleiterstrukturen“ der DFG und des nationalen Kompetenzzentrums für "NanoOptoelektronik“ des Bundesministeriums für Bildung und Forschung. Seine Arbeiten wurden u.a. in Japan und Russland mit hohen Preisen gewürdigt.


Weitere Informationen erteilt Ihnen gern: Prof. Dr. Dieter Bimberg, Institut für Festkörperphysik, TU Berlin, Tel.: 030/314-22783, Internet: http://sol.physik.tu-berlin.de/,  E-Mail: bimberg@physik.tu-berlin.de. Ein Pressefoto von Prof. Dr. Dieter Bimberg ist unter der Internetadresse www.tu-berlin.de/presse/pi/2002/bimberg.zip verfügbar.