Medieninformation Nr. 22 - 26. Januar 2004 - Bearbeiter/in: sn |
Der schwierige Prozess der Hauptstadtwerdung und der Umgang der Berliner Republik mit dem historisch-symbolischen Raum zwischen Reichstag und Schlossplatz nach 1989
Nach
Verpackungsevent und architekto- |
"Berlin ist das nationale Symbol und die Klammer für ganz Deutschland.“ Solche Statements haben mittlerweile jegliche Provokation verloren. Das war vor 15 Jahren noch anders. Erbittert wurde über die Rolle Berlins im wieder vereinigten Deutschland gestritten. Fast vergessen ist, dass die Bundestagsentscheidung für Berlin als neue, alte Hauptstadt mehr als knapp ausging. Nur mit 18 Stimmen Mehrheit siegte Berlin vor Bonn. Die "Ängste und Sorgen, für die dieses knappe Ergebnis steht, sind ein Grund dafür, dass die symbolische Hauptstadtgestaltung eine solche Gratwanderung wurde und für so viele Debatten sorgte“, sagt Cornelia Siebeck. Mit diesem schwierigen, bisweilen quälenden Prozess der Hauptstadtwerdung hat sich die TU-Absolventin u. a. in ihrer Magisterarbeit beschäftigt: "Inszenierung von Geschichte in der ‚Berliner Republik‘. Der Umgang mit dem historisch-symbolischen Raum zwischen Reichstagsgebäude und Schlossplatz nach 1989“, so das Thema. Geschrieben wurde die Magisterarbeit bei Prof. Dr. Heinz Reif, Leiter der "Arbeitsstelle für europäische Stadtgeschichte“ am Institut für Geschichte und Kunstgeschichte der Technischen Universität Berlin. Über die Hauptstadtdebatte Anfang der 1990er-Jahre und die sich daran anschließende zur |
"Berliner Republik“ näherte sich Cornelia Siebeck dem Gegenstand ihrer Arbeit. In beiden Diskursen widerspiegele sich der Wunsch nach "Versöhnung von Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft“, der Wunsch nach Aufbruch in eine neue Zukunft, ohne sich der Vergangenheit zu entledigen. Cornelia Siebeck ging der Frage nach, wie sich dieses Verlangen in dem geschichtsträchtigen Stadtraum zwischen Reichstag und Schlossplatz seit 1989 niederschlug und auf welche Weise das neue Deutschland diesen Raum prägte. In drei Kapiteln sucht sie eine Antwort darauf.
Im ersten Abschnitt "Die ‚Berliner Republik‘ gibt sich ein Gesicht. Der Reichstag“ skizziert sie die "merkwürdige Metamorphose“ dieses Gebäudes "von einer Geschichtsruine zur Ikone der ‚neuen‘ Bundesrepublik“. Das Parlamentsgebäude mit seiner gläsernen, transparenten Kuppel sei zum Symbol für das neue Deutschland geworden. Siebeck beschreibt, wie diese Wandlung geschah. Plädierten die Konservativen für die historische Rekonstruktion der Kuppel, so wiesen andere dies als "wilhelminisch“ und "unangemessene Machtdemonstration“ zurück. Mit der Glaskuppel, auf die man sich einigte, sei schließlich eine "idealtypische Synthese aus Alt und Neu“ gelungen. In all den dazu geführten Auseinandersetzungen inszenierten die verschiedenen politischen Eliten des Landes ihr jeweils eigenes Geschichtsbild, so Siebeck.
Aber nicht nur die politisch Agierenden suchten nach einem Mittelpunkt. Der Stadt selbst war quasi über Nacht am 9. November 1989 die alte Identität als eine geteilte Stadt abhanden gekommen. Siebeck konstatiert in ihrem zweiten Kapitel äDie Sehnsucht nach der heilen Stadt“, dass Berlin nach der Wende nur noch als zerstörte Stadt wahrgenommen wurde, die es nun zu heilen galt. Auf dieser Vorstellung fuße das gesamte Projekt der äkritischen Rekonstruktion“ des historischen Zentrums. Der Neubau des Hotels Adlon, die "Rückkehr“ des Pariser Platzes, der Abriss von DDR-Bauten in der Straße Unter den Linden wurde, so Siebeck, als Anschluss an das "gute“ und "bürgerliche“ Berlin gefeiert.
Im dritten Kapitel beschäftigt sich Cornelia Siebeck mit der "Last der Vergangenheit“ und dem
"richtigen Gedenken“. Dabei verweist sie auf einen Konflikt, mit dem die Hauptstadt immer wieder zu kämpfen haben wird und den der amerikanische Publizist Michael Z. Wise als ein Dilemma zwischen dem Wunsch nach der Rekonstruktion positiver historischer Bilder und dem Erinnerungsgebot an die
dunklen Kapitel der deutschen Geschichte beschreibt. Eine Auseinandersetzung, die sich in der Debatte des Holocaust-Mahnmal spiegelte und die ihren Fortgang nimmt in der Diskussion um den Bau eines Zentrums gegen Vertreibung in Berlin.