Medieninformation Nr. 269 - 25. Oktober 2004 - Bearbeiter/in: sn |
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An der TU suchen Wissenschaftler nach Wegen, das Treibhausgas Kohlendioxid in Gesteinen zu speichern. Wenn die fossilen Brennstoffe der Erde einmal endgültig zur Neige gegangen sind, könnte es als Kohlenstoffquelle genutzt werden.
2005 ist es soweit. Als Folge des Kyoto-Protokolls tritt der in der EU vereinbarte Handel mit CO2-Emissionsrechten in Kraft. Die Emission von Kohlendioxid soll – im Sinne des Klimaschutzes – um 25 Prozent gegenüber 1990 reduziert werden. Rund 10.000 europäische Anlagen sind zur Teilnahme am Zertifikat-Handel verpflichtet, darunter allein 2.500 in Deutschland. Betroffen sind in erster Linie die öffentlichen Stromversorger, aber auch Mineralölraffinerien, Kokereien, Roheisen- und Stahlindustrie sowie die Hersteller von energieintensiven Produkten wie Zement, Kalk, Glas, Keramik, Zellstoff und Papier. Der Wirtschaftsstandort Deutschland ist mit Abstand der größte CO2-Verursacher in Europa. Um den CO2-Ausstoß in die Atmosphäre zu verringern, gibt es die Überlegung, das Treibhausgas direkt vor, während oder nach dem Verbrennungsprozess abzutrennen und Untertage zu speichern.
Prof. Wilhelm Dominik vom Institut für Angewandte Geowissenschaften der TU Berlin erforscht geeignete Speichertechniken und orientiert sich dabei unter anderem an der traditionellen Erdgasspeicherung. Anders als Erdgas ist Kohlendioxid weder brennbar noch explosiv und lässt sich gefahrlos über Pipelines oder mit Tankwagen transportieren. Bei der Speicherung in großen Tiefen – optimal zwischen 700 und 1.200 Metern – wird es flüssig und zeigt, insbesondere im so genannten überkritischen Zustand in geeigneten geologischen Strukturen, kaum die Tendenz zu entweichen.
Bestens geeignet für die geologische Speicherung ist poröses Gestein, idealerweise Kalk- oder Sandstein wie zum Beispiel der mehr als 240 Millionen Jahre alte Buntsandstein aus der Trias, wie er unter Berlin vorherrscht. Als weitere Speicheroptionen gelten ehemalige Öl- oder Gasfelder oder Hohlräume (Kavernen) im Gestein. Die Versenkung ins Meer, dem einzigen natürlichen Speicher für CO2 – jährlich lösen sich ca. 8,4 Gigatonnen Kohlendioxid in den Ozeanen – stößt aufgrund der Umweltproblematik heute noch auf Ablehnung.
Dominiks Team analysiert die Gesteinseigenschaften im Labor und simuliert die Wechselwirkungen mit der fluiden Phase. Untersucht werden Adsorption und Absorption von CO2 an Tonminerale, spezifische Eigenschaften von Reservoirsteinen und deren Abdichtung. Die Geometrie geeigneter Gesteinsstrukturen wird auf Basis seismischer Daten rekonstruiert. In Kooperation mit TU-Mathematikern werden daraus virtuelle 3D-Darstellungen erstellt, um den Gesteinsbestand im Detail zu visualisieren und die ablaufenden Prozesse zu simulieren.
Neue Kraftwerke mit hoher CO2-Emission sollten nach Ansicht von Dominik künftig nur noch dort entstehen, wo der Untergrund sich auch für die CO2-Speicherung eignet. Denn das spart Transportkosten und damit wiederum Energie. Denkbar sind Anlagen, die an Einzelstandorten bis zu 500 Millionen Tonnen Kohlendioxid zur Einspeisung ins Gestein vorbereiten und an Ort und Stelle versenken. Pro Tonne CO2 wird mit Kosten von etwa fünf Euro zu rechnen sein – deutlich unter den Preisen für CO2-Zertifikate.
Die Energieversorgung der Zukunft wird nach Dominiks Ansicht "ein Mix aus Erdgas, Geothermie, Kernkraft, alternativen Energien – wo sie sinnvoll sind – und vielem mehr" sein. Das restliche Erdöl wird bald zu kostbar sein, um es einfach "in Rauch aufgehen" zu lassen und nur noch zur Produktion hochwertiger Kunststoffe und als Basis der chemischen und pharmazeutischen Industrie dienen. Für Deutschland könnte dann – mit geeigneter CO2-Abscheide und -Speichertechnik – sogar eine Energiequelle wieder interessanter werden, die momentan noch als "größte Dreckschleuder" angeprangert wird: Braunkohle. Die Bundesrepublik verfügt über die drittgrößten Weichbraunkohle-Ressourcen der Welt, in den Revieren des Rheinlands, in der Lausitz und dem Mitteldeutschen Revier. Davon werden circa 40 Milliarden Tonnen als gewinnbare Reserven klassifiziert. Das ist ein kostengünstiges Potenzial zur langfristigen Absicherung gegen Versorgungs- und Preisrisiken.
Kohlendioxid langfristig zu speichern ist für Dominik mehr als eine halbherzige Notlösung, als welche Umweltorganisationen es kritisieren. Es ist in gewisser Weise "Vorratshaltung". Wenn die fossilen Brennstoffe der Erde einmal endgültig zur Neige gegangen sind, könnten künftige Generationen das Gas wieder aus den Tiefen hoch holen und es als Kohlenstoffquelle nutzen.
Catarina Pietschmann