Medieninformation Nr. 167 vom 21. Juli 2005 - Bearbeiter/-in: stt |
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Wissenschaftler der TU Berlin entwickeln drahtlose Übertragungstechnik für Messstationen in der Tiefsee
Bilder vom Meeresgrund, Messdaten für Tsunami-Warnsysteme oder seismische Fühler für Seebeben: Um solche Informationen möglichst schnell und störfrei an die Meeresoberfläche zu leiten, können Wissenschaftler von Delfinen lernen. Einem Team der TU Berlin um den ukrainischen Forscher Dr. Konstantin Kebkal ist es gelungen, die von den Meeressäugern genutzte komplexe Kommunikation in technische Systeme umzusetzen. Damit wird es möglich, auch große Datenmengen wie beispielsweise für Videosequenzen kabellos aus der Tiefe zu übertragen. "Aus Beobachtungen und Experimenten am Schwarzen Meer wissen wir, dass die Delfine in der Lage sind, ihre Informationen im Ultraschallbereich komplex zu modulieren", erläutert Dr. Konstantin Kebkal. "Sie können ihre Frequenzbänder spreizen und die Signale derart modulieren, dass Störungen ausgeschaltet werden. Delfine können zum Beispiel erkennen, ob sie ein Signal direkt oder nur auf Umwegen erreicht, etwa durch Reflexion an Klippen oder dem Meeresgrund." Die Delfine verständigen sich untereinander in einem Frequenzbereich von vier bis 80 Kilohertz. Am empfindlichsten hören sie zwischen 40 und 80 Kilohertz. In diesem oberen Frequenzbereich können sie zwei bis 2,5 Kilometer überbrücken. Mit tieferen Frequenzen zwischen vier und 16 Kilohertz schaffen sie sogar bis zu zehn Kilometer.
Aufbauend auf Erkenntnissen aus der Delphinforschung entwickelten die TU- Forscher ein Übertragungsmodem, mit dem sich elektronische Daten bis zu zwei Kilometer weit im Meer verbreiten lassen. Foto: Kebkal, honorarfrei |
Aufbauend auf diesen Erkenntnissen entwickelten die Berliner Forscher ein Übertragungsmodem, mit dem sich elektronische Daten bis zu zwei Kilometer weit im Meer verbreiten lassen. "Ein industriereifer Prototyp existiert bereits", bestätigt Konstantin Kebkal, der die fünfköpfige Arbeitsgruppe bei den TU-Bionikern leitet. "Unsere Tests unter den akustischen Bedingungen der Ostseeküste und in der Nordsee haben erwiesen, dass es allen anderen technischen Systemen deutlich überlegen ist. Derzeit arbeiten wir an einem zweiten Modem, das noch robuster sein wird und Distanzen zwischen sechs und acht Kilometern überbrücken kann." Damit wären auch große Teile der Tiefseegräben direkt erreichbar, deren seismische und vulkanische Aktivität immer wieder die gefürchteten Tsunami herauf beschwört. So hatte im Dezember des vergangenen Jahres vor Sumatra die Erdkruste gebebt, in rund 30 Kilometern Tiefe. Dadurch hob sich der Meeresboden auf rund 1000 Kilometern Länge um bis zu 30 Metern. Die Folge war eine verheerende Flutwelle, die Hunderttausende Tote kostete; sogar an weit entfernten Küsten von Indien, den Malediven und Ostafrika waren Opfer zu beklagen. "Will man in diesen instabilen Zonen ein effektives Frühwarnsystem installieren, ist es nicht damit getan, Messsonden in den Meeresboden zu versenken", sagt Konstantin Kebkal. "Entscheidend wird sein, die Daten schnell und zuverlässig nach oben zu den Informationszentralen zu leiten."
Bisher müssen Tieftauchsysteme, Messfühler auf dem Meeresgrund oder Inspektionsgeräte für Pipelines verkabelt werden, da die Funkverbindungen im Meerwasser sehr störanfällig sind. Schon oft ging deshalb teure Spezialtechnik im Einsatz verloren. Außerdem wären bei einem Warnsystem im Indischen Ozean unzählige Messfühler und Zigtausende Kilometer teure Spezialkabel erforderlich – mit ausufernden Kosten. Das neue Unterwassermodem der TU Berlin, das in einen handlichen Metallzylinder passt, macht diese physische Vernetzung überflüssig. "Wir nutzen auch aus, wie die Delfine ihre Verwandten und Artgenossen innerhalb einer größeren Gruppe erkennen", meint Konstantin Kebkal. "Dazu modifizieren sie ihre Signale auf eine spezielle Weise, indem sie eine zweifache Frequenzmodulation anwenden. Das können wir Menschen in unserer Kommunikation überhaupt nicht."
Um das erste Modem zu entwickeln, gründeten die TU-Wissenschaftler vor fünf Jahren die Firma EvoLogics, die bereits neun Mitarbeiter hat. Sie wurde seinerzeit mit 1,5 Millionen DM aus dem Futour-Programm des Bundesforschungsministeriums (BMBF) unterstützt. Die zweite und deutlich leistungsfähigere Generation des Ultraschallmodems wird das BMBF innerhalb des Bionik-Wettbewerbs mit weiteren 200.000 Euro unterstützen. Das gab das Ministerium im März 2005 bekannt.
Heiko Schwarzburger