Medieninformation Nr. 75 vom 28. März 2006 - Bearbeiter/in: caba |
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Internationaler Workshop am 31. März und 1. April 2006 / Einladung
Ganztägige Betreuung und Bildung in Grund- und Vorschulen sind in fast allen europäischen Wohlfahrtsstaaten der Normalfall. Im Vergleich zu Ländern wie Dänemark, Frankreich und Schweden ist in der Bundesrepublik das ganztägige Angebot für Vor- und Grundschulkinder außerordentlich gering. Nicht mehr als 5 Prozent aller Kinder im Grundschulalter besuchen derzeit eine Ganztagsschule und nur weitere 5 Prozent haben einen Hortplatz. Damit stellt sich das Problem der Vereinbarkeit von Familie und Beruf in der Bundesrepublik in besonderem Maße.
Wie und warum sich der bundesdeutsche Weg zum Halbtagsmodell in der öffentlichen Bildung von der Entwicklung anderer europäischer Länder unterscheidet, ist Gegenstand des internationalen und interdisziplinären Workshops „Welfare State Regimes, Public Education and Child Care – Theoretical Concepts for a Comparison of East and West”. Dieser Workshop ist die erste von zwei Veranstaltungen im Rahmen eines internationalen und interdisziplinären Forschungsprojektes zum Thema "Das deutsche Halbtagsmodell: Ein Sonderweg in Europa? Eine Analyse der Zeitpolitiken öffentlicher Bildung im Ost-West-Vergleich (1945 - 2000)". Organisiert und durchgeführt wird der Workshop von Prof. Dr. Karen Hagemann (Projektleitung, Institut für Geschichte und Kunstgeschichte der TU Berlin, Zentrum für Interdisziplinäre Frauen- und Geschlechterforschung, und der University of North Carolina at Chapel Hill), Prof. Dr. Christina Allemann-Ghionda (Pädagogisches Seminar der Universität Köln), und Prof. Dr. Konrad Jarausch (Zentrum für Zeithistorische Forschung Potsdam). Wir möchten Sie herzlich dazu einladen und bitten Sie, auch in Ihrem Medium auf diese Veranstaltung hinzuweisen:
Zeit: Freitag, 31. März, und Samstag, 1. April 2006
Ort: Zentrum für Zeithistorische Forschung Potsdam, Am Neuen Markt 1, 14467 Potsdam
Beginn: am 31. März, um 9.15 Uhr
Hinweis: Um Anmeldung per E-Mail wird gebeten (hagemann@kgw.tu-berlin.de)
Vor allem Frauen, die im Alltag nach wie vor überwiegend für die Betreuung und
Erziehung ihrer Kinder zuständig sind, haben erhebliche Probleme, ihre
berufliche Karriere mit den Familienpflichten zu vereinbaren. Eine Konsequenz
ist der dramatische Rückgang der Geburtenzahlen, der in der Bundesrepublik
stärker ausgeprägt ist als in den meisten anderen Ländern Europas, vor allem bei
Frauen mit einer akademischen Ausbildung. Da diese Entwicklung weitreiche
Konsequenzen für die Zukunft des Sozialstaates hat, wird das bundes-deutsche
Halbtagssystem in den sozialpolitischen Debatten zunehmend in Frage gestellt.
Doch auch in den bildungspolitischen Diskussionen wird es immer häufiger
kritisiert. Da deutsche Schulkinder in den internationalen Vergleichsstudien des
Program for International Student Assessment (PISA) im Durchschnitt deutlich
schlechter abschnitten als Kinder vergleichbarer Industriestaaten, wird als eine
strukturelle Lösung neben einer obligatorischen Vorschulerziehung die Einführung
des ganztägigen Schulsystems diskutiert. Mittlerweile sprechen sich alle
Parteien für einen Ausbau des Ganztagsangebots aus. Einer flächendeckenden
Realisierung steht aber bislang nicht nur das finanzielle Argument, sondern auch
die ausgeprägte Tradition der (west-)deutschen Halbtagsschule selbst entgegen.
Aktuelle Reformansätze treffen hierzulande auf erhebliche kulturelle und
politische Blockaden, die eine lange Geschichte haben.
Im Zentrum des Projekts steht die Analyse von Zeitpolitiken öffentlicher
Bildung im Vor- und Grundschulbereich seit Ende des Zweiten Weltkriegs im
europäischen Ost-West-Vergleich. Gefragt wird nach den historischen und
soziokulturellen Voraussetzungen für eine Harmonisierung der Bildungssysteme
innerhalb Europas. Welche Ursachen gibt es für die weit reichenden Differenzen,
aber auch grenz- und systemüberschreitenden Gemeinsamkeiten in den nationalen
Diskursen und Politiken zur Zeitstruktur der öffentlichen Bildung im Vor- und
Grundschulbereich? Welche Bedingungen hemmen oder fördern ihre Reform? Inwieweit
und warum konnte sich das im deutschsprachigen Raum nach wie vor vorherrschende
Halbtagssystem zu einem Sondermodell in Europa entwickeln? Und welche Chancen
vor dem Hintergrund der ausgeprägten Tradition des Halbtagsmodells haben
aktuelle Reformversuche? Diese Fragen können nur beantwortet werden, wenn
gleichermaßen ökonomische, politische, soziale, kulturelle und pädagogische
Faktoren in die Analyse einbezogen und multiperspektivisch interpretiert werden.
Der Workshop wird von der Volkswagen-Stiftung gefördert. Die Tagungssprache ist
Englisch. Ein vollständiges Programm finden Sie im Internet unter
http://www.time-politics.com.