[Kapitel 5]

[TU Berlin]


TU Berlin - Rechenschaftsbericht des Präsidenten 1995/96

Kapitel 5 - Ausstattungsdefizite und Planungsunsicherheit in den Fachbereichen


5. Ausstattungsdefizite und Planungsunsicherheit in den Fachbereichen

Die in Kapitel 1 geschilderten Einschnitte in den TU-Haushalt und die instabilen hochschulpolitischen Rahmenbedingungen des Berliner Senats haben in allen Fachbereichen zu deutlichen Ausstattungsdefiziten und strukturellen Unsicherheiten bei der Entwicklungsplanung geführt sowie zu einer kontrovers geführten Diskussion über das zukünftige Profil der Universität in Forschung und Lehre. Die Haushaltskürzungen wirken sich besonders negativ im Bereich des akademischen Mittelbaus und bei der Betreuung der Studierenden aus. Die instabilen politischen Rahmendaten über die zukünftige Berliner Hochschul- und Wissenschaftslandschaft schwächen den TU-internen Impuls zur strukturellen Weiterentwicklung der Universität. Die TU-internen Konflikte über Leitlinien der Entwicklungsplanung und zukünftige TU-Schwerpunkte in Forschung und Lehre lähmen weitgehend die positiven Reformkräfte in der Universität.

Vor diesem Hintergrund sollen im folgenden einige Beispiele die schwierige Problemlage in den Fachbereichen beleuchten. Es geht dabei nicht um eine vollständige Situationsbeschreibung für alle Fachbereiche, sondern vielmehr um die Verdeutlichung der vorherrschenden Grundmuster, die mehr oder weniger für alle Fachbereiche zutreffen und als Gesamtphänomen zur wachsenden Sorge über die Zukunftschancen der TU Berlin Anlaß geben. Im Vordergrund stehen dabei die Folgen aus den mehrfach verfügten Wiederbesetzungssperren für wissenschaftliche Mitarbeiter und Tutoren in 1994/95 sowie aus dem generellen Einstellungsstopp im Jahre 1996.

In den ingenieurwissenschaftlichen Fachbereichen erschweren die Haushaltskürzungen zunehmend die intensiven Bemühungen zur qualifizierten Verjüngung der Professorenschaft. Durch den generellen Stellenabbau und durch verzögerte Stellenbesetzungen entstehen teilweise nicht mehr aufholbare Nachteile im Berufungs- und Drittmittelwettbewerb. Die damit verbundenen Risiken sind von besonderer Bedeutung für die TU Berlin, da die Ingenieurwissenschaften über die forschungs- und drittmittelintensivsten Fachgebiete verfügen. Die Schwierigkeiten bei der Besetzung der Professuren hängen insbesondere damit zusammen, daß die berechtigten Forderungen der zu berufenden Professoren hinsichtlich der Ausstattung mit wissenschaftlichem, technischem und Verwaltungspersonal sowie der Erneuerung der teilweise veralteten Geräteausstattung der Fachgebiete in immer geringerem Umfang befriedigt werden können.

Insbesondere im Fachbereich Maschinenbau und Produktionstechnik (FB 11) gibt die Berufungssituation zur Sorge Anlaß, da es sich bei den vakanten Professuren durchweg um TU-profilbestimmende Professuren handelt. Dazu kommt das fast noch größere Problem der sinkenden Zahl der wissenschaftlichen Mitarbeiter mit den bekannten negativen Folgen für die Qualität der Lehre und die wissenschaftliche Nachwuchsförderung. Zur Zeit bemühen sich die Fachgebiete, den entstehenden Mangel durch freiwillige Hilfe ihrer wissenschaftlichen Drittmittelmitarbeiter wenigstens teilweise aufzufangen. Wenn der generelle Einstellungsstopp bis Ende 1997 andauert, ist zu erwarten, daß die Ausstattung mit besetzten Stellen im wissenschaftlichen Mittelbau für den ingenieurwissenschaftlichen Bereich im Mittel auf etwa 50 % absinkt. Mit dieser Ausstattung kann das bestehende Ausbildungsniveau und das bisherige Volumen der Drittmitteleinwerbung in Zukunft kaum noch gehalten werden. Im Institut für Werkzeugmaschinen und Fabrikbetrieb sind zum Beispiel zur Zeit 25 % der Planstellen für Hochschullehrer, wissenschaftliche Mitarbeiter und sonstige Mitarbeiter nicht besetzt. Daraus resultieren vielfältige Behinderungen der laufenden Institutsarbeit, so daß die vorgesehenen Aufgaben im Bereich von Lehre und Forschung mit den verbliebenen Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen nicht mehr in der gewohnten Qualität zu bewältigen sind.

Des weiteren fehlt im gesamten Fachbereich 11 vielfach bereits die personelle Grundausstattung für die laufenden Sonderforschungsbereiche. Zusätzlich haben die bereitgestellten Investitionsmittel einen Tiefstand erreicht, so daß die Ingenieure von morgen teilweise an Geräten von vorgestern ausgebildet werden müssen.

Auch im Fachbereich Informatik (FB 13) wurden die Neuberufungen und Wiederzuweisungen von Professuren mit Ausnahme der durch Kooperationsverträge geschaffenen Stellen (GMD, TELEKOM) bis auf weiteres ausgesetzt. Die Hoffnung des Fachbereichs, nach Jahren der Überlast nunmehr angesichts zurückgehender Studiennachfrage die Bedingungen von Lehre und Studium unter normaler Auslastung konsolidieren zu können, wurden durch die Stellenbesetzungssperren zunichte gemacht. Insbesondere im Grundstudium verschlechtern sich die Arbeitsbedingungen zunehmend. Allerdings konnten in der Drittmittelforschung bisher noch Steigerungsraten verzeichnet werden. Erstmals überstieg in 1996 die Zahl der aus Drittmitteln finanzierten wissenschaftlichen Mitarbeiter die Zahl der aus TU-Mitteln beschäftigten wissenschaftlichen Mitarbeiter, da 29 Planstellen wegen der Sparmaßnahmen nicht besetzt werden konnten.

Im Fachbereich Lebensmittelwissenschaft und Biotechnologie (FB 15) sind bis heute immer noch nicht alle Probleme aus der Fusion mit Teilen der HU Berlin bearbeitet und aufgelöst. Auf der einen Seite hat sich der Lehr- und Forschungsbetrieb zwar konkretisiert, jedoch sind mit den Stellenstreichungen aufgrund des bestehenden HU-Personalüberhangs starke Irritationen entstanden.

In den planungs- und sozialwissenschaftlichen Fachbereichen (FB 7 und FB 8) werden fast ausschließlich NC-Studiengänge betreut, so daß wegen Besetzungssperren ausfallende Lehrkapazität in der Regel durch Lehraufträge abgedeckt wird. Dies führt jedoch auf die Dauer zu Qualitätsverlusten in der Lehre und zu Defiziten in der Forschung. Bei der Architektur treten deutliche Defizite in der Lehr- und Lernsituation insbesondere dadurch auf, daß die nach dem Hochschulentwicklungsplan vorgesehene Studienanfängerzahl durch die Rechtssprechung des Oberverwaltungsgerichts noch immer um etwa ein Drittel erhöht wird. Dieser Erhöhung steht keine reale Lehrkapazität gegenüber. Dazu kommt ein Abbau von Tutorenstellen im Rahmen des neuen Tutorenausstattungsplans, so daß nach dem Auslaufen des Sonderprogramms die Überlastausstattung mit Tutorenstellen nicht mehr im bisherigen Umfang zugewiesen werden kann.

Die Belastung der Naturwissenschaften ist insbesondere geprägt durch die noch umzusetzende Einsparungsforderung von insgesamt 14 Mio. DM im naturwissenschaftlichen Bereich der Berliner Hochschulen. Die damit verbundenen strukturellen Eingriffe und die bereits verfügten Stellenstopps haben in der Mathematik bereits zu empfindlichen Ausfällen im Lehrbereich bei gleichzeitig permanenter Überlastung des Lehrpersonals geführt. Zum 1.10.1996 sind knapp 40 % der Stellen für wissenschaftliche Mitarbeiter unbesetzt. Aus diesem Grunde müssen Mathematikeinführungskurse und Programmierkurse ersatzlos ausfallen und Seminare können nicht mehr von wissenschaftlichen Mitarbeitern betreut werden. Die fehlende Ausfinanzierung des bewährten Tutorenmodells verschlechtert auch die Qualität der mathematischen Grundausbildung für Ingenieure. Weiterhin kann die fachdidaktische Mathematikausbildung für angehende Studienräte mangels fehlender Lehrkapazität an der TU Berlin nur noch mit Hilfe von personellen Sondermaßnahmen geleistet werden. Darüber hinaus fehlt die personelle Grundausstattung zur Betreuung der Rechenanlagen im Fachbereich sowie eine Bibliotheksausstattung, die wenigstens minimalen Versorgungsansprüchen genügt.

In der Physik hat sich durch personelle Engpässe bei wissenschaftlichen Mitarbeitern und Tutoren die Situation in den betreuungsintensiven Lehrveranstaltungen des Grundstudiums außerordentlich verschärft. Auch im Haupt- und Aufbaustudium können durch fehlende wissenschaftliche Mitarbeiter aufwendige Forschungsapparaturen teilweise nicht weiterbetrieben und Forschungsprojekte nicht weitergeführt werden. Die Nichtbesetzung von Stellen für wissenschaftliche Mitarbeiter hat auch hier zur Folge, daß die für Drittmittelanträge erforderliche personelle Grundausstattung vielfach nicht mehr zur Verfügung steht. Durch die geringe Personalkapazität in den Institutswerkstätten ist darüber hinaus die Durchführung von experimentalintensiven Forschungsprojekten gefährdet. In der Lehre leidet das erfolgreiche Projektlabor - eine Alternative zum Anfängerpraktikum im Physikgrundstudium - ebenfalls an der Nichtwiederbesetzung freiwerdender Tutorenstellen, so daß die Zahl der im Projektlabor aufnehmbaren Studierenden weiter eingeschränkt werden muß. In der Lehrerbildung führt die Reduzierung der Personalausstattung bei den Lehrveranstaltungen mit praktischen Übungen zu einer deutlichen Verringerung der Betreuung.

Auch in den Erziehungs- und Unterrichtswissenschaften (FB 2) hat sich die in den meisten Bereichen bestehende Überlast (bzw. die NC-Auslastung) durch die Nichtbesetzung von Stellen im Hochschullehrerbereich sowie im Bereich der Akademischen Mitarbeiter zunehmend verschärft. Schwerwiegende personelle Probleme entstehen insbesondere für die Fachdidaktik Englisch und Deutsch sowie die Grundschulpädagogik. Spezifische Probleme und Unsicherheiten ergeben sich für den Fachbereich 2 aus den bisher noch ungelösten Fragen zur Zukunft der Lehrerbildung an der TU Berlin.


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