Forschung TU Berlin

Rechenschaftsbericht 1997/98


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3.3 Nachwuchsgruppen der Volkswagen­Stiftung

eigenständige Forschung

Die Volkswagen­Stiftung hat 1996 ein Programm zur gezielten Förderung des wissenschaftlichen Nachwuches eingerichtet. Ziel des Programmes ist es, jungen, herausragend qualifizierten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern frühzeitig eigenständige Forschung zu ermöglichen. Sie sollen eine mit Stellen für wissenschaftliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie mit Sachmitteln ausgestattete Arbeitsgruppe selbständig leiten. Der Antrag muß von zwei Hochschullehrern/innen gestellt werden, die Stelle der Leiterin oder des Leiters der Nachwuchsgruppe wird dann nach Bewilligung international ausgeschrieben. Die Forschung der Nachwuchsgruppe soll auf ein interdisziplinäres, innovatives Gebiet gerichtet sein. Dafür stellt die Volkswagen­Stiftung pro Nachwuchsgruppe 1,5 bis maximal 2,5 Millionen DM für fünf Jahre bereit. In den Jahren 1997 und 1998 wurden an der TU drei Nachwuchsgruppen von der Volkswagen­Stiftung eingerichtet. Damit liegt die TU an der Spitze der bundesdeutschen Hochschulen. Insgesamt förderte die VW­Stiftung seit1996 zweiundzwanzig Nachwuchsgruppen.

  • Arbeitsgruppe für mathematische Musiktheorie: "Computergestützte Repräsentation, Analyse und Vermittlung musikalischer und musiktheoretischer Strukturen"

musikalische Zeichenkomplexe verstehen

Die Menschen verständigen sich nicht alleine durch Sprache, sondern auch durch nichtsprachliche Zeichensysteme und Kommunikationsformen wie etwa Musik. Um musikalisches "Verstehen" in adäquater Weise erforschen zu können, müssen zunächst einmal die musikalischen und musiktheoretischen Zeichenkomplexe modelliert werden.
Doch Modellierung allein hilft nicht weiter. Um etwa die Struktur eines kleinen Musikstückes von vielleicht 60 Takten zu repräsentieren und zu analysieren, hat man es schnell mit zehn­ bis hunderttausend Motiven aus drei bis fünf Tönen zu tun. In diesen Größenordnungen ist ohne Computertechnologie nichts zu machen. Diese hat in der Musikwissenschaft bislang nur in einigen Bereichen Einzug gehalten: zum Beispiel in der Archivierung, Musikstatistik oder Klangverarbeitung. Die rechnergestützte Erforschung musikalischer und musiktheoretischer Strukturen ist neu und führt mit ihren komplexen Fragen auch an die Grenzen heutiger Rechnerleistung.

mathematische Musiktheorie

Die theoretischen Ansätze der Arbeitsgruppe sind in der mathematischen Musiktheorie verankert. Die Nachwuchsgruppe wird bei ihrem Vorhaben an die Forschungsergebnisse und Sofwaretechnologie des Forschungsprojektes RUBATO anknüpfen, das von dem Schweizer Mathematiker und Musiker Guerino Mazzola geleitet wurde. Für die rechnergestützte Repräsentation, Analyse und Vermittlung der musikalischen Strukturen wird ein Zeichensystem entwickelt und in Datenformaten, Browsern und Analyseprogrammen umgesetzt, da das gängige MIDI­Format komplexere musikalische Inhalte nicht abbilden kann.

Beteiligte TU­Institute: Institut für Kommunikations­ und Sofwaretechnik (Prof. Mahr), Institut für Kommunikationswissenschaft, Medienwissenschaft und Musikwissenschaft (Prof. Krause), Institut für Linguistik (Prof. Posner);
Beteiligte externe Partner: Institut für Musikwissenschaft der HUB (Prof. Auhagen); Fördervolumen der VW­Stiftung: 1,5 Mio. DM für fünf Jahre.

  • Nachwuchsgruppe "Bedienermodelle in dynamischen Mensch­Maschine­Systemen"

Modellbildung und Simulation menschlichen Verhaltens

Dank der fortgeschrittenen Rechentechnik kann heute das Verhalten technischer Systeme schon in der Entwurfsphase mit hoher Genauigkeit vorhergesagt werden. Die Modellbildung wird mehr und mehr zu einer Schlüsseltechnologie, die Entwicklungszeiten und ­kosten drastisch reduzieren hilft und viele Entwicklungen erst ermöglicht. Beispielsweise werden Verkehrsflugzeuge heute fast ausschließlich im Rechner entwickelt und ihr Flugverhalten mit Hilfe der Simulation vorhergesagt. Indessen gibt es bislang kaum Modelle, die auch den Einfluß des Menschen in dynamischen Mensch­Maschine­Umgebungen bei komplexen Aufgaben ausreichend genau vorausbestimmen können. Insbesondere für Notfallsituationen ist deshalb eine Vorhersage des Gesamtsystemverhaltens noch nicht möglich. Die Nachwuchsgruppe an dem fachbereichsübergreifenden Forschungsschwerpunkt "Zentrum Mensch­Maschine­Systeme" wird sich mit der Modellbildung und Simulation menschlichen Verhaltens in dynamischen Mensch­Maschine­Umgebungen beschäftigen. In Zusammenarbeit mit Arbeitsgruppen der Kognitionspsychologie, Flugführung, Fahrzeugtechnik, Künstlichen Intelligenz und der Anlagentechnik an der TU wird die Nachwuchsgruppe ­ orientiert an den Ausrichtungen dieser Arbeitsgruppen ­ die Modellierung des Verhaltens von Fluglotsen, Piloten, Kraftfahrzeugführern und Operateuren chemischer Anlagen aus übergeordneter Sicht untersuchen. Es sollen hierbei Methoden der ingenieurwissenschaftlichen Modellbildung dynamischer Systeme mit den Erkenntnissen und Theorien der Psychologie und Künstlichen Intelligenz zusammengeführt werden.

Beteiligte TU­Arbeitsgebiete: Kognitionspsychologie (Prof. Eyferth), Flugführung (Prof. Hüttig), Fahrzeugtechnik (Prof. Willumeit), Künstliche Intelligenz (Prof. Wysotzki), Anlagentechnik (Prof. Wozny);
Fördervolumen der VW­Stiftung: 1,94 Mio. DM für fünf Jahre.

  • Nachwuchsgruppe "Geschlecht, Ressourcen und Gesundheit in der Erwerbs­ und Familienarbeit"

Wahl­ und Handlungsfreiheiten

Vor einigen Jahren stand in der Gesundheitswissenschaft noch das Risikofaktorenkonzept im Vordergrund: Über sogenannte Einflußfaktoren wurde versucht herauszufinden, wie hoch das Risiko ist, an einer bestimmten Krankheit zu leiden. Heute fragt man eher nach der ganzen Lebensweise eines Menschen, wenn man seine gesundheitliche Lage beurteilen möchte. Neben Faktoren wie Entstehung und Verhütung einer Krankheit sollen auch soziale und psychische Bedingungen mit einbezogen werden. Eine entscheidende Rolle bei diesem Konzept spielen die gesundheitsbezogenen Ressourcen. Darunter verstehen Forscher die Vielfalt und Chancen bzw. Wahl­ und Handlungsmöglichkeiten, die ein Mensch hat, um seine Gesundheit zu erhalten.

Frauenarbeit

Die Nachwuchsgruppe wird sich in diesem Zusammenhang mit dem Themenkomplex "Arbeit, Beruf und Familie" unter der Berücksichtigung sozialer, arbeitsprozeßbezogener und technologischer Aspekte der Frauenarbeit beschäftigen. Frauen haben eine deutlich höhere Lebenserwartung als Männer, fühlen sich jedoch häufiger gesundheitlich beeinträchtigt und nehmen mehr und häufiger gesundheitliche Vorsorgeleistungen in Anspruch.

geschlechtsspezifische Gesundheitsforschung

Ziel der Nachwuchsgruppe ist es, einen Forschungsbereich zum Thema "Geschlecht, Ressourcen und Gesundheit in der Erwerbs­ und Familienarbeit" aufzubauen und damit die wissenschaftliche Etablierung der geschlechtsspezifischen Gesundheitsforschung in Deutschland voranzutreiben.

Gleichzeitig sollen die für die "Public Health"­Wissenschaften notwendigen interdisziplinären Arbeitszusammenhänge intensiviert werden. Dadurch wird ein die Fachgrenzen überschreitendes, geschlechtsspezifisches Modell des Zusammenhanges von Gesundheit und Ressourcen angestrebt. Auf diese Weise möchte die Nachwuchsgruppe neue Impulse für eine Verbesserung der gesundheitlichen Vorsorge der Bevölkerung bieten.

Beteiligte TU­Institute: Institut für Gesundheitswissenschaften (Prof. Maschewsky­Schneider), Zentrum für Inerdisziplinäre Frauen­ und Geschlechterforschung (Prof. Hausen), Institut für Angewandte Informatik (PD Dr. Oesterreich);
Fördervolumen der VW­Stiftung: 1,58 Mio. DM für fünf Jahre.


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