TU intern - Erstsemester-Special WS 2000/2001 - Aktuelles

Schöne neue Hochschulwelt

Die TU Berlin nach der gentechnischen Revolution

Die TU Berlin im Jahre 2050: Der AStA hat sich mit seiner Forderung durchgesetzt, dass an der Körpergröße der Lehrenden die gesellschaftliche Bedeutung eines Faches ablesbar sein muss. Die heutige Leitung -abwesende Mitglieder lassen sich wegen der Vielfalt ihrer Aufgaben gerade klonen - bietet Lösungen für alle auftretenden Probleme an

Seit meinem letzten Aufenthalt auf dem Campus hat sich eine Menge verändert. Der Hausmeister in seinem blau-grauen Kittel guckt wesentlich freundlicher als vor 75 Jahren. Vielleicht liegt das daran, dass er heute nur noch für die Wartung der Automatikmensa zuständig ist und sich nicht länger mit lästigen Anfragen nervender Studenten herumplagen muss. Selbst der Kaffee ist besser geworden. Das liegt wohl auch daran, dass neben Koffein nun auch Plankton und "brain-gen" zu den Hauptbestandteilen gehört. OK, ich bin bedeutend leistungsfähiger geworden, seit man mir vor mehr als vierzig Jahren das neue Herz implantiert hat. Sorgfalt ist trotzdem geboten: Mein Klon "Ersatzi Eins", schwimmt zwar friedlich in seiner Wasserstofflösung in der Charité. Unbegrenzt nutzen lässt er sich aber auch nicht. Außerdem muß ich die Kosten fest im Auge behalten. Seitdem der Euro gegenüber der nigerianischen Naira um mehr als 40 Prozent gefallen ist, haben sich die Wasserstoff-Importe extrem verteuert. Und ohne ein Bad in seiner H-Lösung fühlt Ersatzi sich nicht wirklich wohl.

"Gentechnologie ist, wenn sie mit Respekt vor dem Leben und Verantwortung gegenüber der Natur gehandhabt wird, die bislang größte Chance der Menschheit, Hunger und Krankheit weltweit einzudämmen, möglicherweise auch zu überwinden."
Prof. Dr. Hans-Jürgen Ewers, Präsident der TU Berlin
Die Uni hat sich wirklich zu einem kundenorientierten Dienstleister entwickelt. Einen wesentlichen Anteil daran haben sicher die neuen Biotechnologien. Dass das Internet in den 30er Jahren außer Dienst gestellt wurde - "Wegen Überfüllung geschlossen" titelte damals die Boulevardpresse -, führte auch an den Hochschulen zu einer Rückbesinnung auf traditionelle Formen des wissenschaftlichen Arbeitens. Mit ganzer Kraft ins Genzeitalter war das Motto einer ganzen Generation junger Wissenschaftler. Seitdem ist einiges besser und vor allem einfacher geworden. Das leidige Rumrennen im Fachbereich, um endlich einen prüfungsberechtigten Prof zu finden, hat ein Ende. Heute erkennt man die Pharmakologen daran, dass sie alle blonde Haare und grüne Augen haben. Bei den Chemikern haben sich die Geningenieure für blaue Haare und gelbe Augen entschieden. Nur die Philosophen sind ziemlich schlecht weg gekommen: Mit Glatze und roten Augen entsprechen sie nicht gerade dem Schönheitsideal unserer Tage.

Damals, als es darum ging, den genetischen Bauplan von Berliner Professoren zu entwerfen, waren auch Studenten gefragt worden. Der AStA hatte sich dabei mit seiner Forderung durchgesetzt, dass an der Körpergröße der Lehrenden die gesellschaftliche Bedeutung eines Faches ablesbar sein müsste. Anfangs gab es massive Zwietracht zwischen den Wirtschaftswissenschaften, die mit einem Meter und fünfundsechzig auf ihre zehn Zentimeter größeren Kollegen von der historischen Abteilung aufschauen mussten. Die Aufregung hat sich aber mittlerweile gelegt.

Weniger umstritten war die Entscheidung, jedem Erstsemester einen Bio-Chip zu implantieren, auf dem alle lebenswichtigen Begriffe aus dem Unialltag abgespeichert waren. Wann welche Cafeteria öffnet, und selbst abstrakte Begriffe wie st oder ct, die den Beginn von Vorlesungen erläutern, waren nun ohne große Mühe abrufbar. Dass der akademische Nachwuchs trotzdem weiterhin nach eigenem Gutdünken erschien, kann nicht der Technik zur Last gelegt werden. Verwirrt umherirrende Erstsemester ("Wo geht's denn hier zur Mensa?") gehörten dank eingespeistem Lageplan aller Hochschulgebäude und Hörsäle aber der Vergangenheit an.

"Das 21. Jahrhundert wird das Jahrhundert der Lebenswissenschaften."
Prof. Dr.-Ing. Jürgen Sahm, Vizepräsident für Lehre und Studium der TU Berlin
Früher versprühten zahlreiche Walkmen auf den Fluren der Hochschule ihr monotones Techno-Hämmern, als wollten sie Mozart und Kollegen final den Garaus machen. Heute hört man bisweilen, wenn es ganz ruhig ist, weil die Studenten sich in ihre Schlafcontainer begeben haben, das leise Brummen der Plankton-Tanks und Bioreaktoren im Keller. Mittlerweile verfügen alle öffentlichen Gebäude über solche Produktionsstätten im Miniaturformat. Hier, am Ort der reinen und wahren Lehre aber würdigt man weithin sichtbar die Anfänge der genetischen Revolution: Rechts und links der Reaktortür stehen in Kohlenfaserstoff gemeißelt die vergrößerten Abbilder von Schaf Dolly und Lucy, der weißen Maus. Sie war das erste Säugetier, das ein künstliches Chromosom hatte und dieses auch an ihren Nachwuchs weitervererben konnte. Dieser gigantischen Leistung des kleinen kanadischen Nagers wurde auch von Hochschulseite angemessen Rechnung getragen: Die Technische Universität Berlin heißt seit über 50 Jahren "Lucy-Maus-Hochschule".

Volker Engels


Leserbriefe

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