TU intern - November 2000 - Studium
Eine Kreuzfahrt über Berlin im Luftschiff
Studierende der TU Berlin entwickeln Konzepte für einen
neuen Traum
Moderne Luftschiffe wollen an die Faszination der alten Zeppeline
anknüpfen |
Eine Reise im Luftschiff - davon träumen viele Menschen.
Dies ist das Fazit aus zahlreichen Anfragen, die die Projektwerkstatt
Luftffisch auf den Artikel in TU-intern vom Juni (http://archiv.pressestelle.tu-berlin.de/tui/00jun/zeppelin.htm)
bekommen hat. Auch auf der Luftfahrtausstellung ILA
2000 in Schönefeld zog das Experimentalluftschiff "Luftffisch
N°. 1" der TU Berlin, das dort als einziges Luftschiff
ausgestellt war, die Aufmerksamkeit der Besucher an.
Viele wollten wissen, wann es möglich sein würde, eine
Reise im Luftschiff zu buchen. Der sprichwörtliche Reisekomfort
der alten Zeppeline mit Kabinen, Speise- und Aussichtssaal bewegt
auch heute noch die Fantasie. Aufgrund dieses großen Interesses
an dem Thema Luftschiffreise hat sich eine Gruppe von Studierenden
entschlossen, eine neue Projektwerkstatt hierzu einzurichten.
Dank der schnellen Beschlüsse der Kommission für Lehre und Studium
(LSK) und des Präsidiums konnte die Projektwerkstatt "Aerostatische
Luftfahrt" zum Beginn des Wintersemesters ihre Arbeit aufnehmen.
Dort beschäftigen sich derzeit 18 Studierende von drei Berliner
Hochschulen mit der Entwicklung von Konzepten für die Luftschiffkreuzfahrt.
Hierbei werden sowohl die wirtschaftlichen und kulturellen Aspekte
dieses Themas als auch technische Lösungen für diese
Aufgabe untersucht. Im Bereich der Luftschifftechnik sind neue
Entwurfskonzepte erforderlich, um die für ein Kreuzfahrtluftschiff
erforderliche Sicherheit und einen extrem hohen Passagierkomfort
zu gewährleisten. Bisherige Luftschiffentwürfe sind
aufgrund ihrer geringen Größe und der komplizierten
Betriebsprozeduren hierfür wenig geeignet.
Unterstützt werden die Studierenden durch das Fachgebiet Luftfahrzeugbau und Leichtbau.
Unter Leitung von Prof. Jürgen Thorbeck wird dort ein Hybridansatz
als ein denkbares neues Konzept für ein Kreuzfahrt-Luftschiff
untersucht. Dieses Hybridluftschiff stellt eine Verbindung der
Eigenschaften von Luftschiff, Flugzeug und Hubschrauber dar. Vorteil
ist dabei, dass dieses Luftschiff im Gegensatz zu den alten Zeppelinen
keinen Ankermast und keine Landemannschaften mehr benötigt.
Wie ein Hubschrauber kann es auf jeder ausreichend großen
Fläche vertikal starten und landen. Bei der Form wurde die
klassische Zigarrenform zugunsten der aerodynamisch günstigeren
Kontur eines Auftriebskörpers verlassen. Dadurch kann das
Luftschiff im Reiseflug erheblich mehr aerodynamischen Auftrieb
produzieren, wodurch das Außenvolumen bei gleicher Nutzlast
und damit auch der Luftreibungswiderstand gegenüber einem
klassischen Zeppelin deutlich verringert werden kann. Dabei werden
Prinzipien genutzt, die sich in der Luftfahrt bewährt haben.
So werden Auftriebskörper - so genannte Lifting-Bodys - seit
mehreren Jahrzehnten in der Raumfahrttechnik untersucht. Die dort
erzielten Erkenntnisse werden nun für den Einsatz in der
Luftschifftechnik weiterentwickelt. Ein Regelungskonzept auf Basis
von Schwenkrotoren, die für Senkrechtstartflugzeuge entwickelt
worden sind, ermöglicht einen hohen Reisekomfort und optimale
Manövrierfähigkeit des Kreuzfahrtluftschiffes. Eine
Schlüsseltechnologie zur Alltagstauglichkeit von Luftschiffen
ist die Auftriebsregelung. Bei diesem Entwurf werden die lange
bekannten und in Zehntausenden von Flugzeugen erprobten Prinzipien
der Aerodynamik hierzu verwendet. Die Hybridtechnologie schafft
so die Möglichkeit, diverse Probleme der alten Luftschiffe
zu umgehen. In die Entwicklung dieses Fahrzeugs flossen die Erkenntnisse
der Projektwerkstatt Luftffisch (http://www.tu-berlin.de/~luftffisch/)
ein.
Bei der Entwicklung des Konzeptentwurfs wird damit der erfolgreiche
Ansatz des "forschenden Lernens" der Projektwerkstatt
Luftffisch sinnvoll weitergeführt. Im Rahmen der Projektwerkstatt
werden sowohl das beschriebene Hybridkonzept als auch weitere
Konzeptentwürfe für Kreuzfahrtluftschiffe evaluiert
und weiterentwickelt. Die Studierenden haben zudem die Möglichkeit,
an einem praxisorientierten Projekt den Luftschiffentwurf zu studieren,
was in dieser Form derzeit an keiner anderen Universität
im deutschsprachigen Raum möglich ist. Als Anschauungsobjekt
und für praktische Flugversuche steht dabei der Technologieträger
"Luftffisch N°. 1" zur Verfügung. Dies stellt
für das Begreifen der spezifischen Flugphysik von aerostatischen
Luftfahrzeugen eine wichtige Hilfe dar.
Florian Böhm
Die Sitzungen der Projektwerkstatt "Aerostatische Luftfahrt"
finden jeweils am Montagabend um 18 Uhr im Raum F 224 (Flugtechnische
Institute in der Marchstrasse 12-14) statt. Interessierte "Neueinsteiger"
aus allen Fachrichtungen sind herzlich willkommen.
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