"Hier werden Äpfel mit Birnen verglichen"
Kostenvergleich der norddeutschen Hochschulen gibt Anlass zu
vielen Missverständnissen
Anfang Januar 2003 stellte die Hochschulinformationssystem GmbH
(HIS) ihren "Ausstattungs-, Kosten- und Leistungsvergleich
(AKL) norddeutscher und Berliner Universitäten 2000" vor.
Verglichen wurden Universitäten und Fachhochschulen der Bundesländer
Berlin, Bremen, Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen und
Schleswig-Holstein. Man wolle damit aktuelle, länderübergreifend
vergleichbare Kosten- und Ausstattungskennzahlen für alle Lehreinheiten
und Studiengänge dieser Hochschulen vorlegen, teilte die HIS
der Presse mit. Doch das Zahlenwerk führt in die Irre.
Die Berliner Öffentlichkeit sog diese Zahlen sofort interessiert
auf, bewiesen sie doch scheinbar, wie teuer die Berliner Universitäten
seien und dass man also doch noch erheblich sparen könne. In
mehreren Presseorganen erschienen Artikel mit Spekulationen, Interpretationen
und unangemessenen Schlussfolgerungen. Sie zwangen die drei großen
Berliner Universitäten zu einer entsprechenden Stellungnahme
und Richtigstellung. Ergebnis: Hier werden Äpfel mit Birnen
verglichen!
In der Studie selbst erscheint die eindeutige Warnung: "Die
Resultate des AKL erlauben keine unmittelbare Aussage über
die Qualität von Lehre und Forschung und sollten ebenso nicht
unmittelbar für Zwecke der Hochschulfinanzierung herangezogen
werden." Es werden zwar die Kosten verglichen, nicht jedoch
die erbrachten Leistungen analysiert. Dieses Unterfangen wäre
auch schwierig, denn es ließe sich allenfalls die Zahl der
ausgebildeten Absolventinnen und Absolventen erfassen, nicht deren
Qualität. Und über den Wert eines Absolventen der Physik
(Ausbildung teuer) gegenüber dem eines Romanisten (Ausbildung
billig) lässt sich nur streiten.
Strukturunterschiede der Hochschulen und deren sehr unterschiedliche
Aufgaben wurden zumeist völlig ignoriert. Diese verbieten aber
geradezu einen unmittelbaren Vergleich. Dennoch wurden Mittelwerte
gezogen
- in Berlin für eine große technische und zwei große
klassische Universitäten
- in Mecklenburg-Vorpommern für zwei kleine klassische Universitäten
- in Hamburg für eine große klassische und eine kleine
technische Universität (in erster Linie eine Forschungsuniversität
und nur nachgeordnet eine Lehruniversität)
- in Schleswig-Holstein für eine mittelgroße klassische
Universität, den nicht-medizinischen Teil (im Wesentlichen
Informatik) einer medizinischen Hochschule und eine pädagogische
Hochschule
- in Bremen für eine mittelgroße, stark naturwissenschaftlich-technisch
ausgerichtete Universität.
Beispielsweise ist die Ausstattung mit technischem Personal in
den technisch-ingenieurwissenschaftlichen Fächergruppen ungleich
größer und die von Geräten und Laboratorien ungleich
kostenintensiver als in den nicht-technischen Fächergruppen.
Eine erhebliche Verzerrung ist vorprogrammiert, vergleicht man ungewichtet
die Kosten eines Landes mit großer technischer Universität
oder Fakultäten mit Ländern, die diese Fächer nicht
vorhalten. So hat von den beteiligten Bundesländern nur Hamburg
eine technische Universität, doch diese ist deutlich kleiner
als die TU Berlin.
Die Hamburger Universität für Wirtschaft und Politik
(HWP) bietet als einziges Angebot einen sozialökonomischen
Studiengang mit verschiedenen Schwerpunkten an, Nachwuchsförderung
ist kaum vorhanden (weder Promotionen noch Habilitationen in den
Jahren 2000 und 2001), die Universität Flensburg ist fast ausschließlich
auf die Lehramts- und Erwachsenenausbildung spezialisiert, und so
weiter. Dieses erfordert natürlich auch eine ganz andere Personalstruktur.
Die verglichenen Hochschulen sind nach Größe, Leistung,
Reputation und Internationalität weder repräsentativ für
deutsche Universitäten noch mit denen in Berlin gleichrangig.
Die führenden Universitäten lassen sich durchaus benennen.
Außer Hamburg fällt keine der anderen norddeutschen Hochschulen
in diese Kategorie. Alle drei großen Berliner Universitäten
tauchen ungleich häufiger in den kursierenden Rankinglisten
auf, auch bei Berufungen konkurrieren sie mit national und international
führenden Institutionen und weniger mit den genannten norddeutschen
Hochschulen. Ein derartiger Vergleich der norddeutschen Hochschulen,
zumal als Grundlage politischer Entscheidungen, ist alles in allem
irreführend und unzulässig.
tui
www.his.de
www.tu-berlin.de/presse/tui/03apr/tu_akl.pdf
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