Arbeitgeber legen Eckpunkte für Tarifvertrag vor

Verhandlungen für den öffentlichen Dienst Berlins haben begonnen

Außerordentliche Personalversammlung im Audimax der TU Berlin am 24. Januar 2003: Im Feuer der Kritik standen die Politik des Berliner Senats und der Austritt der Berliner Hochschulen aus den Arbeitgeberverbänden. Präsident Kurt Kutzler stand Rede und Antwort

Nachdem die vier Berliner Universitäten (FU, HU, TU, UdK) sowie die Fachhochschulen ASFH, FHW und TFH ihre Mitgliedschaft in den Arbeitgeberverbänden zum 10. 1. 2003 aufgekündigt hatten (wir berichteten), stehen sie nun vor erneuten Tarifverhandlungen auf lokaler Ebene. Dabei bilden sie mit dem Berliner Senat unter Federführung von Innensenator Dr. Erhard Körting eine Verhandlungsgemeinschaft. Ver.di, Gewerkschaft für Erziehung und Wissenschaft (GEW) sowie die Gewerkschaft der Polizei (GdP) bilden die andere Tarifgemeinschaft. Die erste Verhandlungsrunde für den Berliner öffentlichen Dienst fand am 17. Januar statt. Bei dieser ersten Sondierung legte der Verhandlungsführer der Arbeitgeber Eckpunkte des Landes für einen Berliner Tarifvertrag vor, der zur Beschäftigungssicherung im öffentlichen Dienst, zur Angleichung der Arbeitsbedingungen in Ost und West und zur Sicherung eines Ausbildungskorridors und Einstellungskorridors für die Jugend dienen soll. Im Folgenden die 10 Punkte:

  1. Das Land Berlin hat die extreme Haushaltsnotlage erklärt und wird vor dem Bundesverfassungsgericht klagen, um Hilfen des Bundes zur Tragung der Zinslasten und zur Tilgung von über 45 Milliarden Euro Schulden zu erhalten. Das Land Berlin kann schon heute seine Schulden nicht aus eigener Kraft abtragen. Von daher sind die auf Bundesebene vereinbarten Tarifsteigerungen von 4,4 Prozent für 2003 und 2004 durch das Land Berlin nicht leistbar.
    Das Land Berlin hat für rund 36 Prozent seiner Angestellten und Arbeiter im Ostteil der Stadt Vorleistungen gebracht (Zahlung von 98,59 Prozent der Westvergütung), die über den jetzt bundesweit vereinbarten Leistungen liegen (bundesweit 92,5 Prozent ab 2004 zuzüglich 4,4 Prozent Tarifsteigerung). Diese Vorleistungen werden unverändert bleiben, müssen aber für eine Gesamtbetrachtung berücksichtigt werden.
  2. Das Land Berlin strebt für seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im öffentlichen Dienst keinen tariflosen Zustand, sondern eine tarifliche Regelung bei den Verhandlungen mit den Gewerkschaften an. Grundlagen sollen auch künftig der bundeseinheitliche Bundesangestelltentarifvertrag und der Manteltarifvertrag sein. Angestrebt wird nicht ein Dauerausstieg aus diesen Tarifverträgen, sondern eine Sonderregelung für das Land Berlin für die Dauer der extremen Haushaltsnotlage.
  3. Wir verhandeln über einen Tarifvertrag für den Zeitraum 2003 bis 2006.
  4. In diesem Zeitraum werden Tarifsteigerungen aufgrund der extremen Haushaltsnotlage einvernehmlich ausgeschlossen. Ab 2007 nimmt Berlin uneingeschränkt wieder an der allgemeinen Tarifentwicklung teil. Die für 2003 bis 2006 ausgenommenen Tarifsteigerungen werden zu einem Zeitpunkt nachgeholt, zu dem Berlin sich nicht mehr in einer extremen Haushaltsnotlage befindet.
  5. Zur Beschäftigungssicherung und zur Verhinderung betriebsbedingter Kündigungen werden einerseits der Verzicht auf Urlaubsgeld und die Kürzung des Weihnachtsgeldes für die Jahre 2003 bis 2005 vereinbart. Die Kürzung des Weihnachtsgeldes soll sozial gestaffelt werden, sodass Mitarbeiter bis zur Vergütungsgruppe VII den vollen Anspruch auf Weihnachtsgeld behalten. Andererseits werden im unmittelbaren Landesdienst betriebsbedingte Kündigungen bis zum Jahre 2006 einschließlich ausgeschlossen.
  6. Die Arbeitszeiten der Mitarbeiter im Osten der Stadt werden an die Arbeitszeiten des Westteils der Stadt herangeführt (stufenweise Absenkung von jetzt 40 Wochenarbeitsstunden Ost auf 38,5 Wochenarbeitsstunden), sodass in Ost und West einheitliche Wochenarbeitszeiten im unmittelbaren Landesdienst gelten.
  7. Allen Mitarbeitern werden weitere, noch auszuhandelnde Arbeitszeitvergünstigungen gewährt.
  8. Die Unterrichtserhöhung, die sich aus der Veränderung der Arbeitszeitverordnung ergibt, wird für die angestellten Lehrer rückgängig gemacht.
  9. Das Land Berlin wird in den Jahren 2003 bis 2006 jährlich für die allgemeine Verwaltung eine noch zu verhandelnde Zahl von Auszubildenden aufnehmen (Einstellungskorridor für Auszubildende in der allgemeinen Verwaltung) und diesen sowie den jetzt in der Ausbildung befindlichen eine Anschlussbeschäftigung im Angestelltenverhältnis von mindestens einem Jahr gewährleisten.
  10. Die Hochschulen (und gegebenenfalls sonstige öffentliche Arbeitgeber des Landes Berlin) werden durch Anschlusstarifverträge die für den unmittelbaren Landesdienst ausgehandelten Regelungen übernehmen.

Stand: 17. 1. 2003

Wer verhandelt für wen?

Die Seite des Berliner Senats wird durch den Verhandlungsführer, Innensenator Dr. Ehrhart Körting, Finanzsenator Dr. Thilo Sarrazin (beide SPD) und Wirtschaftssenator Harald Wolf (PDS) sowie einige Beamte vertreten. Zur Verhandlungsgemeinschaft gehören ebenso die Kanzler der Technischen Universität Berlin und der Freien Universität Berlin, Wolfgang Bröker und Peter Lange. Auf Gewerkschaftsseite verhandeln ver.di-Bezirksgeschäftsführer Roland Tremper, Ulrich Thöne, Vorsitzender der Gewerkschaft für Erziehung und Wissenschaft Berlin (GEW), und Eberhard Schönberg, Berliner Landesvorsitzenden der Gewerkschaft der Polizei (GdP), sowie weitere Mitglieder ihrer Tarifgemeinschaft, darunter die TU-Mitarbeiterin Hannelore Reiner.

Nach den Austritten aus den Arbeitgeberverbänden sind die unmittelbaren Landesbeschäftigten wie Verwaltungsangestellte und Erzieherinnen sowie die Mitarbeiter der Hochschulen und anderer Einrichtungen wie Lette-Verein, Pestalozzi-Fröbel-Haus, Studentenwerk und Jugendaufbauwerk betroffen. Das sind inklusive Auszubildende zirka 80000 Beschäftigte (Angestellte/Arbeiter, Arbeiterinnen); an der TU Berlin 3290 Angestellte, 294 Arbeiter/Arbeiterinnen und 139 Auszubildende.

stt


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