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Nr. 7-9, Juli 2003
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Am Rande der Möglichkeiten

Beschäftigte zum Tarifbeschluss und was sie der Uni raten

Die erste Reaktion war zumeist ein Schock. Andere nahmen es mit stoischer Ruhe, mit einer gewissen Resignation hin: Das Ergebnis der Tarifverhandlungen im Berliner Öffentlichen Dienst, auf das sich Gewerkschaft und Senatsvertreter am 1. Juli überraschend geeinigt hatten. Gehaltskürzungen, Freizeitausgleich, Lebensarbeitszeitkonten sind die Schlagwörter. Doch nicht alle können damit etwas anfangen. Die Universitäten bilden ihre eigene Tarifgemeinschaft und sind bislang von dem Tarifergebnis nicht wirklich betroffen. Sie müssen sich entscheiden, ob sie sich dem anschließen wollen. Was halten die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter davon? TU intern fragte nach:

Dipl.-Ing. Wulf-Holger Arndt,
wissenschaftlicher Mitarbeiter im Fachgebiet Integrierte Verkehrsplanung
Für den Universitätsbetrieb ist das Ergebnis kontraproduktiv. Insbesondere für WiMis würde das eine eklatante Verschlechterung bedeuten. Die Lohnkürzung hätten sie zwar, den Freizeitausgleich könnten sie jedoch nicht nutzen, weil die Arbeitsdichte viel zu hoch ist. Die Lehrverpflichtungen und Verwaltungsaufgaben werden ja nicht weniger. Im Gegenteil plant der Senat jetzt, die LVS, die Lehrveranstaltungsstunden, noch um eine Stunde zu erhöhen. Wie das gehen soll, ist mir schleierhaft. Lebensarbeitszeitkonten sind für uns noch sinnloser. Die meisten haben ja nur einen befristeten Vertrag. Wenn sie mit einem gut gefüllten Lebensarbeitszeit-Konto beim nächsten Arbeitgeber anklopfen, wird der begeistert sein. Mein Vorschlag: Der Präsident soll wieder in die Arbeitgeberverbände eintreten und dort konsequent die Interessen der TU Berlin vertreten. Das wäre ein Motivationsschub für die Mitarbeiter und er hätte nur noch den Kampf an einer Front.

 

Dipl.-Ing. Gisela Hoffmann,
wissenschaftliche Mitarbeiterin bei der Zentraleinrichtung Kooperation, "kubus"
Grundsätzlich bin ich für eine Übernahme des Ergebnisses. Allerdings müssen die genauen Modalitäten für die Universitäten ja noch verhandelt werden und besondere Bedingungen für sie geschaffen werden. Den Freizeitausgleich für die WiMis sehe ich nicht. Unsere WiMi-Studie hat ja eindeutig ergeben, dass die WiMis bereits 20 Prozent an unbezahlten Überstunden leisten. Dafür gibt es viele, die, wie ich, nur eine 2/3-Stelle haben. Wir teilen uns hier zu dritt zwei Stellen. Ich bekomme also sowieso nur 66 Prozent des Gehalts. Wenn das jetzt noch gekürzt wird, wird es ganz schön eng. Wenn der Freizeitausgleich stattfinden soll, muss es Zusatzvereinbarungen für Neueinstellungen geben, damit Freizeit überhaupt möglich ist. Denn die Arbeit muss ja doch gemacht werden. Ich könnte mir für die WiMis folgendes Modell vorstellen: die Verkürzung auf 37 Stunden nicht vorzunehmen und die daraus resultierenden Überstunden anzusparen für einen mehrwöchigen oder -monatigen Freizeitblock. Das würde sicher auch die Rate der abgeschlossenen Promotionen steigern. Solche Vereinbarungen müssen auch in die Hochschulverträge mit einfließen.

 

Annette Albrecht,
Verwaltungsangestellte beim Personalrat der studentischen Beschäftigten
Der Tarifergebnis ist schon ziemlich heftig. Vor allem sehe ich nicht, wie der Freizeitausgleich umzusetzen ist. Ich bin hier in meinem Bereich zum Beispiel allein, sieht man von teilzeitbeschäftigten studentischen Hilfskräften einmal ab. Die Aufgaben werden wegen des Tarifbeschlusses aber nicht weniger. Problematisch ist das Ergebnis noch mal besonders in den unteren Gehaltsgruppen. Meine Kinder sind zum Beispiel noch in der Ausbildung. Da reicht das Geld vorn und hinten nicht, da braucht man jeden Cent. Natürlich sehe ich ein, dass gespart werden muss. Wenn ich aber lese, dass die Aktionärsversammlung der Bankgesellschaft morgen über eine Anhebung der Vorstandsgehälter beschließen will, dann platzt mir der Kragen. Das ist eine Unverschämtheit!
Für Universitäten passt ein solcher Abschluss sowieso nicht: Die WiMis sind jetzt schon zeitlich am Rande ihrer Möglichkeiten. Wenn sie Freizeit ausgleichen sollen, müssen sie doch notgedrungen an der Betreuung der Studierenden sparen. Wie das unserem Anspruch nach Ausbildung von mehr Akademikern förderlich sein soll, ist mir ein Rätsel.

 

Erich Conrad,
Verwaltungsfachwirt in der Fakultät VI Bauingenieurwesen und Angewandte Geowissenschaften
Ich bin entsetzt über das Tarifergebnis! Und gleichzeitig tagt der Aufsichtsrat der Bankgesellschaft, um über die Erhöhung der Bezüge seiner Mitglieder zu debattieren. Das ist ein Schlag ins Gesicht für die Beschäftigten des öffentlichen Dienstes. Ich bin schließlich nicht schuld daran, dass das Land Berlin in diese Bitternis gekommen ist. Außerdem ist mir unklar, wie das mit der Arbeitszeitreduzierung ablaufen soll. Die Arbeit wird ja nicht weniger, im Gegenteil. Wir befinden uns mitten in einer Strukturreform. Immer mehr Aufgaben werden von der Verwaltung in die Fakultäten verlagert. Ich frage mich zudem, wie ich denn meine mehr gewonnene Freizeit mit weniger Geld finanzieren soll? Und die Verhandlungsparteien gehen schließlich auch nicht zum Vermieter und verhandeln über eine geringere Miete. Wir dürfen uns rundum als Sklaven fühlen!

 

Marion Shafai,
Verwaltungsangestellte am Fachgebiet für konstruktives Entwerfen und Klimagerechtes Bauen,
Fakultät VII Architektur Umwelt Gesellschaft
Wir haben natürlich auch im Kollegenkreis darüber gesprochen, und viele haben festgestellt, sie hätten lieber eine Kürzung des Weihnachtsgeldes in Kauf genommen als die monatliche Kürzung des Nettolohnes. Ich finde, es ist zu schnell entschieden worden. Es gab auch keine Umfragen unter den Betroffenen. Ich selbst gehe nächstes Jahr in Rente, und die Kürzungen wirken sich auch darauf aus. Für mich entsteht zum Beispiel eine Kürzung von 50 Euro. Mein Mann ist bereits Rentner, und zwar Kleinrentner. Es macht uns also schon etwas aus. Natürlich mussten wir uns darauf einstellen, dass irgendetwas anders wird, und zwar nicht besser. Begrüßenswert ist, dass zumindest die betriebsbedingten Kündigungen ausgeschlossen sind, davon profitieren wenigstens noch die anderen.

 

Dipl.-Ing. Florian Böhm,
Assistent am Institut für Luft- und Raumfahrt,
Fakultät V Verkehrs- und Maschinensysteme, Vertreter der WiMis im Kuratorium
Ich halte den aktuellen Tarifabschluss für äußerst zwiespältig. Positiv finde ich, dass sich Berlin mit der Übernahme der Potsdamer Einigung wieder in die aktuellen bundesweiten Tarife einklinkt und dass für die Beschäftigten eine Arbeitsplatzsicherung bis 2009 erzielt werden konnte. Problematisch ist jedoch die Reduktion der wöchentlichen Arbeitszeit, die in einem erheblich geringeren Realeinkommen resultiert. Dies träfe die WiMis auf Qualifikationsstellen, die aufgrund der Befristung der Stellen ja keinen Gewinn von der Arbeitsplatzgarantie haben, besonders hart. Eine Absenkung der Wochenarbeitszeit im Umfang von 12 Prozent erscheint bei der gegenwärtigen untragbaren Überlastsituation des Mittelbaus wie blanker Hohn. Die durch das Land gleichzeitig beabsichtigte Erhöhung des Lehrdeputats würde die Lage zusätzlich verschärfen. Bei einer Übernahme der Arbeitszeitregelung muss daher die besondere Situation der TU Berlin, die nicht mit anderen Bereichen des Landes Berlin vergleichbar ist, unbedingt berücksichtigt werden.

 

Dr. Wolfgang Neef,
Leiter der Zentraleinrichtung Kooperation (ZEK)
Der unveränderlich gesteckte Rahmen, nämlich "Berlin hat kein Geld", ist so nicht akzeptabel. Die Aktionärsversammlung der Bankgesellschaft Berlin hat heute die Erhöhung ihrer Vorstandsbezüge auf der Tagesordnung. Das ist absolut grotesk. Es fehlt also nicht an Geld, es fließt nur in die falschen Ecken. Die einen sollen bluten, und den anderen schiebt man die Millionen nur so rein. Bemerkenswerterweise haben die Arbeitnehmervertreter erstmalig darüber verhandelt, um wieviel die Löhne abgesenkt werden sollen, dankenswerterweise sozial gestaffelt. Und hier sieht man, dass die TU Berlin mit dem Klammerbeutel gepudert war beim Austritt aus den Arbeitgeberverbänden. Jetzt haben sie den Salat. Wie soll sie jetzt in der Tarifgemeinschaft als Verhandlungspartner auftreten? Die Uni braucht wenigstens einen Einstellungskorridor, denn es arbeiten ja schon alle am Anschlag, nicht nur die Verwaltung, sondern besonders die WiMis. Sie sollten die Arbeitszeitverkürzung en bloc für ihre Dissertation nutzen können.

 

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