Am Rande der Möglichkeiten
Beschäftigte zum Tarifbeschluss und was sie der Uni raten
Die erste Reaktion war zumeist ein Schock. Andere nahmen es
mit stoischer Ruhe, mit einer gewissen Resignation hin: Das Ergebnis
der Tarifverhandlungen im Berliner Öffentlichen Dienst, auf
das sich Gewerkschaft und Senatsvertreter am 1. Juli überraschend
geeinigt hatten. Gehaltskürzungen, Freizeitausgleich, Lebensarbeitszeitkonten
sind die Schlagwörter. Doch nicht alle können damit etwas
anfangen. Die Universitäten bilden ihre eigene Tarifgemeinschaft
und sind bislang von dem Tarifergebnis nicht wirklich betroffen.
Sie müssen sich entscheiden, ob sie sich dem anschließen
wollen. Was halten die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter davon? TU
intern fragte nach:
Dipl.-Ing.
Wulf-Holger Arndt,
wissenschaftlicher Mitarbeiter im Fachgebiet Integrierte Verkehrsplanung
Für den Universitätsbetrieb ist das
Ergebnis kontraproduktiv. Insbesondere für WiMis würde
das eine eklatante Verschlechterung bedeuten. Die Lohnkürzung
hätten sie zwar, den Freizeitausgleich könnten sie
jedoch nicht nutzen, weil die Arbeitsdichte viel zu hoch ist.
Die Lehrverpflichtungen und Verwaltungsaufgaben werden ja
nicht weniger. Im Gegenteil plant der Senat jetzt, die LVS,
die Lehrveranstaltungsstunden, noch um eine Stunde zu erhöhen.
Wie das gehen soll, ist mir schleierhaft. Lebensarbeitszeitkonten
sind für uns noch sinnloser. Die meisten haben ja nur
einen befristeten Vertrag. Wenn sie mit einem gut gefüllten
Lebensarbeitszeit-Konto beim nächsten Arbeitgeber anklopfen,
wird der begeistert sein. Mein Vorschlag: Der Präsident
soll wieder in die Arbeitgeberverbände eintreten und
dort konsequent die Interessen der TU Berlin vertreten. Das
wäre ein Motivationsschub für die Mitarbeiter und
er hätte nur noch den Kampf an einer Front.
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Dipl.-Ing.
Gisela Hoffmann,
wissenschaftliche Mitarbeiterin bei der Zentraleinrichtung
Kooperation, "kubus"
Grundsätzlich bin ich für eine Übernahme
des Ergebnisses. Allerdings müssen die genauen Modalitäten
für die Universitäten ja noch verhandelt werden
und besondere Bedingungen für sie geschaffen werden.
Den Freizeitausgleich für die WiMis sehe ich nicht. Unsere
WiMi-Studie hat ja eindeutig ergeben, dass die WiMis bereits
20 Prozent an unbezahlten Überstunden leisten. Dafür
gibt es viele, die, wie ich, nur eine 2/3-Stelle haben. Wir
teilen uns hier zu dritt zwei Stellen. Ich bekomme also sowieso
nur 66 Prozent des Gehalts. Wenn das jetzt noch gekürzt
wird, wird es ganz schön eng. Wenn der Freizeitausgleich
stattfinden soll, muss es Zusatzvereinbarungen für Neueinstellungen
geben, damit Freizeit überhaupt möglich ist. Denn
die Arbeit muss ja doch gemacht werden. Ich könnte mir
für die WiMis folgendes Modell vorstellen: die Verkürzung
auf 37 Stunden nicht vorzunehmen und die daraus resultierenden
Überstunden anzusparen für einen mehrwöchigen
oder -monatigen Freizeitblock. Das würde sicher auch
die Rate der abgeschlossenen Promotionen steigern. Solche
Vereinbarungen müssen auch in die Hochschulverträge
mit einfließen.
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Annette
Albrecht,
Verwaltungsangestellte beim Personalrat der studentischen
Beschäftigten
Der Tarifergebnis ist schon ziemlich heftig.
Vor allem sehe ich nicht, wie der Freizeitausgleich umzusetzen
ist. Ich bin hier in meinem Bereich zum Beispiel allein, sieht
man von teilzeitbeschäftigten studentischen Hilfskräften
einmal ab. Die Aufgaben werden wegen des Tarifbeschlusses
aber nicht weniger. Problematisch ist das Ergebnis noch mal
besonders in den unteren Gehaltsgruppen. Meine Kinder sind
zum Beispiel noch in der Ausbildung. Da reicht das Geld vorn
und hinten nicht, da braucht man jeden Cent. Natürlich
sehe ich ein, dass gespart werden muss. Wenn ich aber lese,
dass die Aktionärsversammlung der Bankgesellschaft morgen
über eine Anhebung der Vorstandsgehälter beschließen
will, dann platzt mir der Kragen. Das ist eine Unverschämtheit!
Für Universitäten passt ein solcher Abschluss sowieso
nicht: Die WiMis sind jetzt schon zeitlich am Rande ihrer
Möglichkeiten. Wenn sie Freizeit ausgleichen sollen,
müssen sie doch notgedrungen an der Betreuung der Studierenden
sparen. Wie das unserem Anspruch nach Ausbildung von mehr
Akademikern förderlich sein soll, ist mir ein Rätsel.
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Erich
Conrad,
Verwaltungsfachwirt in der Fakultät VI Bauingenieurwesen
und Angewandte Geowissenschaften
Ich bin entsetzt über das Tarifergebnis!
Und gleichzeitig tagt der Aufsichtsrat der Bankgesellschaft,
um über die Erhöhung der Bezüge seiner Mitglieder
zu debattieren. Das ist ein Schlag ins Gesicht für die
Beschäftigten des öffentlichen Dienstes. Ich bin
schließlich nicht schuld daran, dass das Land Berlin
in diese Bitternis gekommen ist. Außerdem ist mir unklar,
wie das mit der Arbeitszeitreduzierung ablaufen soll. Die
Arbeit wird ja nicht weniger, im Gegenteil. Wir befinden uns
mitten in einer Strukturreform. Immer mehr Aufgaben werden
von der Verwaltung in die Fakultäten verlagert. Ich frage
mich zudem, wie ich denn meine mehr gewonnene Freizeit mit
weniger Geld finanzieren soll? Und die Verhandlungsparteien
gehen schließlich auch nicht zum Vermieter und verhandeln
über eine geringere Miete. Wir dürfen uns rundum
als Sklaven fühlen!
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Marion
Shafai,
Verwaltungsangestellte am Fachgebiet für konstruktives
Entwerfen und Klimagerechtes Bauen,
Fakultät VII Architektur Umwelt Gesellschaft
Wir haben natürlich auch im Kollegenkreis
darüber gesprochen, und viele haben festgestellt, sie
hätten lieber eine Kürzung des Weihnachtsgeldes
in Kauf genommen als die monatliche Kürzung des Nettolohnes.
Ich finde, es ist zu schnell entschieden worden. Es gab auch
keine Umfragen unter den Betroffenen. Ich selbst gehe nächstes
Jahr in Rente, und die Kürzungen wirken sich auch darauf
aus. Für mich entsteht zum Beispiel eine Kürzung
von 50 Euro. Mein Mann ist bereits Rentner, und zwar Kleinrentner.
Es macht uns also schon etwas aus. Natürlich mussten
wir uns darauf einstellen, dass irgendetwas anders wird, und
zwar nicht besser. Begrüßenswert ist, dass zumindest
die betriebsbedingten Kündigungen ausgeschlossen sind,
davon profitieren wenigstens noch die anderen.
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Dipl.-Ing.
Florian Böhm,
Assistent am Institut für Luft- und Raumfahrt,
Fakultät V Verkehrs- und Maschinensysteme, Vertreter
der WiMis im Kuratorium
Ich halte den aktuellen Tarifabschluss für
äußerst zwiespältig. Positiv finde ich, dass
sich Berlin mit der Übernahme der Potsdamer Einigung
wieder in die aktuellen bundesweiten Tarife einklinkt und
dass für die Beschäftigten eine Arbeitsplatzsicherung
bis 2009 erzielt werden konnte. Problematisch ist jedoch die
Reduktion der wöchentlichen Arbeitszeit, die in einem
erheblich geringeren Realeinkommen resultiert. Dies träfe
die WiMis auf Qualifikationsstellen, die aufgrund der Befristung
der Stellen ja keinen Gewinn von der Arbeitsplatzgarantie
haben, besonders hart. Eine Absenkung der Wochenarbeitszeit
im Umfang von 12 Prozent erscheint bei der gegenwärtigen
untragbaren Überlastsituation des Mittelbaus wie blanker
Hohn. Die durch das Land gleichzeitig beabsichtigte Erhöhung
des Lehrdeputats würde die Lage zusätzlich verschärfen.
Bei einer Übernahme der Arbeitszeitregelung muss daher
die besondere Situation der TU Berlin, die nicht mit anderen
Bereichen des Landes Berlin vergleichbar ist, unbedingt berücksichtigt
werden.
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Dr.
Wolfgang Neef,
Leiter der Zentraleinrichtung Kooperation (ZEK)
Der unveränderlich gesteckte Rahmen, nämlich
"Berlin hat kein Geld", ist so nicht akzeptabel. Die
Aktionärsversammlung der Bankgesellschaft Berlin hat heute
die Erhöhung ihrer Vorstandsbezüge auf der Tagesordnung.
Das ist absolut grotesk. Es fehlt also nicht an Geld, es fließt
nur in die falschen Ecken. Die einen sollen bluten, und den
anderen schiebt man die Millionen nur so rein. Bemerkenswerterweise
haben die Arbeitnehmervertreter erstmalig darüber verhandelt,
um wieviel die Löhne abgesenkt werden sollen, dankenswerterweise
sozial gestaffelt. Und hier sieht man, dass die TU Berlin mit
dem Klammerbeutel gepudert war beim Austritt aus den Arbeitgeberverbänden.
Jetzt haben sie den Salat. Wie soll sie jetzt in der Tarifgemeinschaft
als Verhandlungspartner auftreten? Die Uni braucht wenigstens
einen Einstellungskorridor, denn es arbeiten ja schon alle am
Anschlag, nicht nur die Verwaltung, sondern besonders die WiMis.
Sie sollten die Arbeitszeitverkürzung en bloc für
ihre Dissertation nutzen können. |
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