Der Kommentar
Tarifabschluss übernehmen
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Gert G. Wagner |
Auf Basis von Zeitungsmeldungen sollte man vorsichtig mit einer
Einschätzung von komplizierten Tarifabschlüssen sein.
Aber: für die Berliner Universitäten kann es sich jetzt
als Segen erweisen, dass sie aus dem Tarifverbund ausgetreten sind.
Der "Tausch von Einkommen gegen Freizeit" würde
die Universitäten hart treffen, da - bei ohnehin ungezählten
Überstunden - der Tarifabschluss des Senats eine enorme Lohnkürzung
bedeutet. Das Ansparen auf "Arbeitszeitkonten" ist für
Mitarbeiter, die nicht ihr Leben lang an derselben Universität
bleiben wollen, sinnlos. Diese Strategie mag im öffentlichen
Dienst im engeren Sinne - also beim Senat und in den Bezirksämtern
- mit dem Verzicht auf betriebsbedingte Kündigungen noch "motivierbar"
sein - aber auch dort wird der gute Nachwuchs abgeschreckt. In Universitäten
und anderen Forschungsseinrichtungen würden aber Lohnkürzungen
von 12 Prozent - im Vergleich zum Rest der Republik - Berlin für
den wissenschaftlichen Nachwuchs unattraktiv machen. Dies gilt erst
recht für den internationalen Stellenmarkt.
Ich persönlich rate, dass die TU Berlin und die anderen Universitäten
dem Beispiel der BSR oder BVG folgen: Übernahme des Tarifvertrages
wie zwischen Tarifgemeinschaft und Gewerkschaften verhandelt. Wenn
der Senat die Zuwendung nach Auslaufen der Hochschulverträge
kürzen wird, ist das mit Lohnkürzungen ohnehin nicht vernünftig
aufzufangen. Vielmehr müssen sich die Universitäten verstärkt
nach anderen Geldquellen umsehen. Und dazu gehören auch Studiengebühren.
Diese sollte der Senat uneingeschränkt zulassen (oder zumindest
hinnehmen). Die Universitäten werden aus Eigeninteresse diese
Gebühren ohnehin nicht zu hoch ansetzen und sie sozialverträglich
gestalten.
Prof. Dr. Gert G. Wagner,
Lehrstuhlinhaber für Volkswirtschaftslehre an der TU Berlin,
Forschungsdirektor am DIW Berlin und Mitglied des Wissenschaftsrates
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