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Nr. 5, Mai 2003
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Auch Einstein zweifelte manchmal

Zur empfangenen Kollegenschelte

Als Bergingenieur und Lagerstättenmann, der mit der Bildung und Nutzung von mineralischen Rohstoffen zu tun hat, interessieren mich neben der Schwerkraft in hohem Maße auch die elektro-magnetischen Phänomene bei der Lagerstättenbildung. Ich bin überzeugt, dass die Wirkung der natürlichen schwachen Feldkräfte in der Natur weit unterschätzt wird. Seit vielen Jahren bin ich durch theoretische und experimentelle Zusammenarbeit mit Physikern den Fragen nach der Strukturbildung in mineralischen Systemen unter den Bedingungen eines elektrisch induzierten thermo-dynamischen Nichtgleichgewichts auf der Spur. Es bleibt aber oft dem Zufall überlassen, ob sich Erkenntnisse durchsetzen, dass zum Beispiel mineralische Ablagerungen nicht allein durch die Schwerkraft, sondern auch in erheblichem Maße durch Feldkräfte strukturiert werden können.

Wer entscheidet denn in einer freien Wissenschaft darüber, ob oder welche wissenschaftliche Fragen diskutiert werden dürfen? Zum Beispiel über eine expandierenden Erde und über abtauchende Ozeanplatten, oder über die Selbstorganisation und ihren Einfluss auf die Gebirgs- und Lagerstättenbildung?

Am Ende meiner aktiven Berufszeit muss ich ein wenig traurig erkennen, welch viel versprechende Chancen dem Anwendungsfortschritt verloren gehen, weil im theoretischen Teil unseres Wissenschaftsgebäudes, das von der Physik zu Recht dominiert wird, seit langer Zeit Grundsatzfragen offen sind, welche die elektro-magnetischen Felder, die Gravitation oder die Massenträgheit betreffen. Für mich ist das eine Tatsache, deren Bedeutung und hemmende Ausstrahlung auf Nachbardisziplinen sich die sonst im hohen Ansehen stehende Zunft der Physiker m. E. zu wenig bewusst ist.

Mein Beitrag in "tu-intern" 4/03 "Hilgenberg und der Äther" ist ein Hilferuf an diese Adresse: man möge bitte zügiger vorankommen. Verletzen wollte ich niemanden. Sollte es dennoch geschehen sein, dann bedaure ich das ausdrücklich. Den Begriff Äther - von dem man viel zu wenig weiß - verwende ich in meinem Text als Sammelbegriff für bisher vermutete Kräfte oder Substanzen im Raum, der absolut leer sein soll, weil unsere bisherige Messtechnik nichts nachweisen kann.

Einstein sagte in einer Rede am 5. Mai 1920 an der Reichsuniversität Leiden: "Über die Rolle, welche der neue Äther im physikalischen Weltbild der Zukunft zu spielen berufen ist, sind wir noch nicht im Klaren. Wir wissen, dass er die metrischen Beziehungen im raum-zeitlichen Kontinuum, z. B. die Konfigurationsmöglichkeiten fester Körper sowie die Gravitationsfelder bestimmt; aber wir wissen nicht, ob er am Aufbau der die Materie konstituierenden elektrischen Elementarteilchen einen wesentlichen Anteil hat. Und weiter: Gemäß der allgemeinen Relativitätstheorie ist ein Raum ohne Äther undenkbar." Angeregt und ermutigt wurde ich u. a. durch das Buch "Pushing Gravity", dessen Autoren noch unbekanntere Wissenschaftler sind - aber es sind eben doch ausgewiesene Wissenschaftler - , sowie von Joao Magueijo mit seinem Buch "Schneller als die Lichtgeschwindigkeit". Magueijo ist Professor für Theoretische Physik am Imperial College/London, und er schildert darin die Denk- und Arbeitsweise von Wissenschaftlern aus Cambridge, London und Sussex. Die New York Times urteilt über dieses Buch: "Roll over, Einstein". Einstein selbst ist natürlich auch für mich der bedeutendste Wissenschaftler des 20. Jahrhunderts. Aber es wird oft vergessen, dass er Zeit seines Lebens immer wieder von Zweifeln geplagt wurde, auch alles richtig erkannt und dargestellt zu haben.

Gelegentlich habe ich den beklemmenden Eindruck, dass die Ängste in den Wissenschaften zunehmen, Ängste vor freier Meinungsäußerung und der möglichen Tatsache, doch nicht alles wissen zu können. Wissenschaft kann sich aber nur in einer garantiert zwanglosen und angstfreien Atmosphäre weiter entwickeln.

K.-H. Jacob,
Fakultät VI

www.lettere.unimi.it/filosofiacontemporanea/magazzino/testi/einstein.htm
www.pressdepartment.de/Pages/co/pi/2003/02/pi_MagueijoLicht.html

 

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