Auch Einstein zweifelte manchmal
Zur empfangenen Kollegenschelte
Als Bergingenieur und Lagerstättenmann, der mit der Bildung
und Nutzung von mineralischen Rohstoffen zu tun hat, interessieren
mich neben der Schwerkraft in hohem Maße auch die elektro-magnetischen
Phänomene bei der Lagerstättenbildung. Ich bin überzeugt,
dass die Wirkung der natürlichen schwachen Feldkräfte
in der Natur weit unterschätzt wird. Seit vielen Jahren bin
ich durch theoretische und experimentelle Zusammenarbeit mit Physikern
den Fragen nach der Strukturbildung in mineralischen Systemen unter
den Bedingungen eines elektrisch induzierten thermo-dynamischen
Nichtgleichgewichts auf der Spur. Es bleibt aber oft dem Zufall
überlassen, ob sich Erkenntnisse durchsetzen, dass zum Beispiel
mineralische Ablagerungen nicht allein durch die Schwerkraft, sondern
auch in erheblichem Maße durch Feldkräfte strukturiert
werden können.
Wer entscheidet denn in einer freien Wissenschaft darüber,
ob oder welche wissenschaftliche Fragen diskutiert werden dürfen?
Zum Beispiel über eine expandierenden Erde und über abtauchende
Ozeanplatten, oder über die Selbstorganisation und ihren Einfluss
auf die Gebirgs- und Lagerstättenbildung?
Am Ende meiner aktiven Berufszeit muss ich ein wenig traurig erkennen,
welch viel versprechende Chancen dem Anwendungsfortschritt verloren
gehen, weil im theoretischen Teil unseres Wissenschaftsgebäudes,
das von der Physik zu Recht dominiert wird, seit langer Zeit Grundsatzfragen
offen sind, welche die elektro-magnetischen Felder, die Gravitation
oder die Massenträgheit betreffen. Für mich ist das eine
Tatsache, deren Bedeutung und hemmende Ausstrahlung auf Nachbardisziplinen
sich die sonst im hohen Ansehen stehende Zunft der Physiker m. E.
zu wenig bewusst ist.
Mein Beitrag in "tu-intern" 4/03 "Hilgenberg
und der Äther" ist ein Hilferuf an diese Adresse:
man möge bitte zügiger vorankommen. Verletzen wollte ich
niemanden. Sollte es dennoch geschehen sein, dann bedaure ich das
ausdrücklich. Den Begriff Äther - von dem man viel zu
wenig weiß - verwende ich in meinem Text als Sammelbegriff
für bisher vermutete Kräfte oder Substanzen im Raum, der
absolut leer sein soll, weil unsere bisherige Messtechnik nichts
nachweisen kann.
Einstein sagte in einer Rede am 5. Mai 1920 an der Reichsuniversität
Leiden: "Über die Rolle, welche der neue Äther im
physikalischen Weltbild der Zukunft zu spielen berufen ist, sind
wir noch nicht im Klaren. Wir wissen, dass er die metrischen Beziehungen
im raum-zeitlichen Kontinuum, z. B. die Konfigurationsmöglichkeiten
fester Körper sowie die Gravitationsfelder bestimmt; aber wir
wissen nicht, ob er am Aufbau der die Materie konstituierenden elektrischen
Elementarteilchen einen wesentlichen Anteil hat. Und weiter: Gemäß
der allgemeinen Relativitätstheorie ist ein Raum ohne Äther
undenkbar." Angeregt und ermutigt wurde ich u. a. durch das
Buch "Pushing Gravity", dessen Autoren noch unbekanntere
Wissenschaftler sind - aber es sind eben doch ausgewiesene Wissenschaftler
- , sowie von Joao Magueijo mit seinem Buch "Schneller als
die Lichtgeschwindigkeit". Magueijo ist Professor für
Theoretische Physik am Imperial College/London, und er schildert
darin die Denk- und Arbeitsweise von Wissenschaftlern aus Cambridge,
London und Sussex. Die New York Times urteilt über dieses Buch:
"Roll over, Einstein". Einstein selbst ist natürlich
auch für mich der bedeutendste Wissenschaftler des 20. Jahrhunderts.
Aber es wird oft vergessen, dass er Zeit seines Lebens immer wieder
von Zweifeln geplagt wurde, auch alles richtig erkannt und dargestellt
zu haben.
Gelegentlich habe ich den beklemmenden Eindruck, dass die Ängste
in den Wissenschaften zunehmen, Ängste vor freier Meinungsäußerung
und der möglichen Tatsache, doch nicht alles wissen zu können.
Wissenschaft kann sich aber nur in einer garantiert zwanglosen und
angstfreien Atmosphäre weiter entwickeln.
K.-H. Jacob,
Fakultät VI
www.lettere.unimi.it/filosofiacontemporanea/magazzino/testi/einstein.htm
www.pressdepartment.de/Pages/co/pi/2003/02/pi_MagueijoLicht.html
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