Ohne Anbiederung an das 19. Jahrhundert
Sanierung des alten Chemiegebäudes nahezu abgeschlossen
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Lichtdurchflutet: Die wiederhergestellte
und behutsam modernisierte Eingangshalle des alten Chemiegebäudes |
Lange war es eingerüstet, es wurde gehämmert und gebohrt.
Nun ist die Sanierung des alten Chemiegebäudes bis auf einen
Seitenflügel abgeschlossen. Vor fast 120 Jahren, 1885, wurde
das alte "Chemische Laboratorium" mit annähernd quadratischem
Grundriss fertig gestellt. Doch davon, genauso wie vom Innenkonzept,
war nach 100 Jahren des An- und Umbauens und der Kriegseinwirkungen
nicht mehr viel erkennbar. Funktion und Eindruck des gesamten Flursystems
und der beiden Innenhöfe waren durch Anfügungen und Schließungen
erheblich gestört.
Laborgebäude, Materialschuppen und Chemikalienlager, die später
in die Höfe gebaut wurden, riegelten das Erdgeschoss vollständig
ab. Dadurch fehlte dem gesamten Eingangsbereich und den im Norden
und Osten angrenzenden Korridoren im Erdgeschoss das natürliche
Licht, die Höfe waren nicht mehr wahrnehmbar. Mitte des 20.
Jahrhunderts war die ursprüngliche spätbarocke Treppenanlage
im Eingangsbereich durch eine gerade Treppe ersetzt worden. Eine
umlaufende Galerie, am Rundbogenportal eingezogen, zerschnitt den
ehemals zweigeschossigen Eingangsbereich in zwei Einzelgeschosse.
Ein zu enger Windfang machte die Situation noch komplizierter. Auch
die Labore genügten den heutigen Anforderungen an Lehr- und
Forschungsinstitute nicht mehr.
Die Sanierung sollte dann neben zeitgemäßer technischer
Modernisierung hauptsächlich das ursprüngliche Architekturkonzept
wieder freilegen und aufspüren. Verkrustungen wurden entfernt,
die das Gebäude bis zur Unkenntlichkeit verändert hatten,
das Haupttreppenhaus wurde wieder großzügig verglast.
Die ursprünglich vorhandene Zweigeschossigkeit des Eingangs
ist durch die gerundete Öffnung der Galerie bis zum Hauptportal
wiederhergestellt, und die anschließenden Korridore öffnen
sich wieder zu den entkernten und nutzbaren Innenhöfen. In
der Mitte des Gebäudes entstand ein lichtdurchfluteter Aufenthaltsbereich,
der sich beidseitig zu den neuen Terrassen und den Gärten öffnet.
Das innere Wegenetz ist wieder für die Nutzer nachvollziehbar
und durchgängig geworden. Labore und Hörsäle wurden
nach neuesten Erkenntnissen eingerichtet.
Die Lichtgestaltung der Flure unterstützt heute neben ihrer
Funktionalität die vorhandene räumliche Struktur aus Rundbögen
und Kreuzgewölben. Bei der Fußbodengestaltung orientierte
man sich an den Resten des Steinzeugfliesenbodens von 1885. Die
gerade Treppe aus den Fünfzigerjahren musste aus Kostengründen
erhalten bleiben. Neue Geländer folgen dem Treppenlauf und
führen bogenförmig bis zur vorhandenen Rundbogenkonstruktion
des Eingangs.
Die zwölf Jahre dauernden Sanierungsarbeiten bei laufendem
Lehr- und Forschungsbetrieb stellten hohe logistische Anforderungen.
So mussten Teile der Institute um- und ausgelagert werden, bestimmte
Arbeiten wurden jedoch auch bei laufendem Betrieb anderer Institute
und Hörsäle ausgeführt. Doch: Ende gut, alles gut.
Das Gebäude erstrahlt in neuem Glanz. Manfred Schiedhelm vom
durchführenden Architekturbüro Schiedhelm und Partner:
"Wir wollten ohne stilistische Anbiederung an das 19. Jahrhundert
mit heutigen Gestaltungsmitteln und mit moderner Bautechnik ein
voll funktionsfähiges Institutsgebäude schaffen."
Das Ergebnis ist an der Straße des 17. Juni zu besichtigen.
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