Ankunft der schönen Corumbella
TU-Forscher auf der Spur des Lebens - Bausteine der "Kambrischen
Explosion" werden untersucht
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Detlef Walde (l.) und Bernd-Dietrich
Erdtmann erforschen das Fossil Corumbella nun gemeinsam |
Unbemerkt von der Öffentlichkeit sind Wesen nach Deutschland
eingereist, die weltweit zu Stars avancieren könnten. Schon
der Name ist eine Verheißung - Corumbella nennen sie sich,
was so viel bedeutet wie die "Schöne aus Corumbá".
Eine der attraktivsten ist zehn Zentimeter lang und fünf Millimeter
breit. Ihr Alter - geschätzte 552 bis 550 Millionen Jahre.
Die Corumbella ist ein Fossil, und ihr Abdruck in dem Sedimentgestein
sieht aus wie eine Röhre aus übereinander gelagerten Ringen.
Aus Brasilien kam sie nun in die wissenschaftliche Obhut von Prof.
Dr. Bernd-Dietrich Erdtmann, Leiter des Fachgebietes
Paläontologie & Historische Geologie am Institut für
Angewandte Geowissenschaften der TU Berlin. Entdeckt worden war
die Corumbella aber schon im März 1980 von dem Geologie-Professor
Detlef Walde von der Universität
Brasília. Er hatte sie damals in einem Kalksteinbruch
nahe der brasilianischen Stadt Corumbá aufgespürt.
Professor Walde brachte die seltenen Fossilien nun an die TU, weil
einerseits seit mehreren Jahren zwischen der Universität Brasília
und der TU Berlin enge Forschungskooperationen im Bereich der Geowissenschaften
bestehen, zum Beispiel auf dem Gebiet der Hydrogeologie, und weil
andererseits an der TU die wissenschaftlichen Möglichkeiten
gegeben sind, das Geheimnis der versteinerten Corumbella zu lüften.
Professor Erdtmann will die Kohlenstoff-Zusammensetzung der Röhrenabdrücke
im Gestein untersuchen, um deren mineralischen Charakter (ob vom
Organismus gebildet oder vielleicht später umgewandelt) nachzuweisen.
Dies wird der Schlüssel dafür sein, sagen zu können,
was die Corumbella eigentlich war. Vielleicht war sie eine Verwandte
der Koralle. Aber noch ist nicht einmal klar, ob die Abdrücke
tierischer und nicht vielleicht doch pflanzlicher Herkunft sind.
Professor Erdtmann vertritt die Hypothese, dass die Corumbella
ein "Schalentier" war, dessen Schale (das Material ist
wahrscheinlich vergleichbar mit dem eines Fingernagels oder eines
Haars) sozusagen ein Skelett darstellt. "Sollte sich beweisen
lassen, dass die Corumbella tierischer Herkunft ist, dann haben
wir hier den Ursprung der mehrzellig organisierten Tierwelt vor
uns", so Erdtmann. Und sie wäre ein zusätzlicher
Baustein, um die so genannte "Kambrische Explosion" weiter
zu erklären.
Darunter wird aufgrund der als Skelette fossilisierten Organismen
die "plötzliche Erscheinung" einer vielfältigen
Fauna vor etwa 545 Millionen Jahren verstanden. Die letzte Eiszeit
war vor ca. 600 Millionen Jahren. Diese Zwischenzeit von 55 Millionen
Jahren, als letzte Stufe noch dem Präkambrium zugeordnet, erforscht
Professor Erdtmann. Lange Zeit konnten die Wissenschaftler nicht
sagen, woher vor 545 Millionen Jahren plötzlich diese vielen
Lebewesen kamen. Im vergangenen Jahr erst hatten Erdtmann und sein
wissenschaftlicher Mitarbeiter Dr. Michael Steiner eine neue Erklärung
für die "Kambrische Explosion" gegeben und international
veröffentlicht, wonach Organismen während der letzten
Eiszeit in der Tiefe des Ur-Ozeans im Umfeld von Hydrothermalquellen
überwinterten. Eine Sensation! "Die Corumbella könnte
im Zusammenhang mit den Hydrothermalquellen ein Indiz dafür
sein", so Professor Erdtmann, "dass mehrzelliges tierisches
Leben schon vor der 'Kambrischen Explosion' existierte."
Gelingt Erdtmann der Nachweis, dass die Corumbella ein Tier war,
wäre das eine weitere Sensation.
Sybille Nitsche
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