TU intern
11/2003 als
pdf-Datei
(1,3 MB)
Nr. 11, November 2003
 Themenseiten 
Titel
Inhalt
Aktuell
Zukunftsmarkt
Technik
Innenansichten
Lehre & Studium
Forschung
Alumni
Internationales
Menschen
Vermischtes
Impressum
TU-Homepage

Ankunft der schönen Corumbella

TU-Forscher auf der Spur des Lebens - Bausteine der "Kambrischen Explosion" werden untersucht

Detlef Walde (l.) und Bernd-Dietrich Erdtmann erforschen das Fossil Corumbella nun gemeinsam

Unbemerkt von der Öffentlichkeit sind Wesen nach Deutschland eingereist, die weltweit zu Stars avancieren könnten. Schon der Name ist eine Verheißung - Corumbella nennen sie sich, was so viel bedeutet wie die "Schöne aus Corumbá". Eine der attraktivsten ist zehn Zentimeter lang und fünf Millimeter breit. Ihr Alter - geschätzte 552 bis 550 Millionen Jahre.

Die Corumbella ist ein Fossil, und ihr Abdruck in dem Sedimentgestein sieht aus wie eine Röhre aus übereinander gelagerten Ringen. Aus Brasilien kam sie nun in die wissenschaftliche Obhut von Prof. Dr. Bernd-Dietrich Erdtmann, Leiter des Fachgebietes Paläontologie & Historische Geologie am Institut für Angewandte Geowissenschaften der TU Berlin. Entdeckt worden war die Corumbella aber schon im März 1980 von dem Geologie-Professor Detlef Walde von der Universität Brasília. Er hatte sie damals in einem Kalksteinbruch nahe der brasilianischen Stadt Corumbá aufgespürt.

Professor Walde brachte die seltenen Fossilien nun an die TU, weil einerseits seit mehreren Jahren zwischen der Universität Brasília und der TU Berlin enge Forschungskooperationen im Bereich der Geowissenschaften bestehen, zum Beispiel auf dem Gebiet der Hydrogeologie, und weil andererseits an der TU die wissenschaftlichen Möglichkeiten gegeben sind, das Geheimnis der versteinerten Corumbella zu lüften.

Professor Erdtmann will die Kohlenstoff-Zusammensetzung der Röhrenabdrücke im Gestein untersuchen, um deren mineralischen Charakter (ob vom Organismus gebildet oder vielleicht später umgewandelt) nachzuweisen. Dies wird der Schlüssel dafür sein, sagen zu können, was die Corumbella eigentlich war. Vielleicht war sie eine Verwandte der Koralle. Aber noch ist nicht einmal klar, ob die Abdrücke tierischer und nicht vielleicht doch pflanzlicher Herkunft sind.

Professor Erdtmann vertritt die Hypothese, dass die Corumbella ein "Schalentier" war, dessen Schale (das Material ist wahrscheinlich vergleichbar mit dem eines Fingernagels oder eines Haars) sozusagen ein Skelett darstellt. "Sollte sich beweisen lassen, dass die Corumbella tierischer Herkunft ist, dann haben wir hier den Ursprung der mehrzellig organisierten Tierwelt vor uns", so Erdtmann. Und sie wäre ein zusätzlicher Baustein, um die so genannte "Kambrische Explosion" weiter zu erklären.

Darunter wird aufgrund der als Skelette fossilisierten Organismen die "plötzliche Erscheinung" einer vielfältigen Fauna vor etwa 545 Millionen Jahren verstanden. Die letzte Eiszeit war vor ca. 600 Millionen Jahren. Diese Zwischenzeit von 55 Millionen Jahren, als letzte Stufe noch dem Präkambrium zugeordnet, erforscht Professor Erdtmann. Lange Zeit konnten die Wissenschaftler nicht sagen, woher vor 545 Millionen Jahren plötzlich diese vielen Lebewesen kamen. Im vergangenen Jahr erst hatten Erdtmann und sein wissenschaftlicher Mitarbeiter Dr. Michael Steiner eine neue Erklärung für die "Kambrische Explosion" gegeben und international veröffentlicht, wonach Organismen während der letzten Eiszeit in der Tiefe des Ur-Ozeans im Umfeld von Hydrothermalquellen überwinterten. Eine Sensation! "Die Corumbella könnte im Zusammenhang mit den Hydrothermalquellen ein Indiz dafür sein", so Professor Erdtmann, "dass mehrzelliges tierisches Leben schon vor der 'Kambrischen Explosion' existierte."

Gelingt Erdtmann der Nachweis, dass die Corumbella ein Tier war, wäre das eine weitere Sensation.

Sybille Nitsche

© TU-Pressestelle 11/2003 | TU intern | Impressum | Leserbriefe