Dopingliste verführt zu "Menschenversuchen"
TU-Gesundheitsökonom Gert G. Wagner fordert Medikamentenpass
für Spitzensportler
Ein
Doping-Skandal ungeahnten Ausmaßes überzieht die Sportwelt.
Zu bekannten Wirkstoffen wie Ephedrin, Coffein und Erythropoietin
(EPO) ist jetzt das Designer-Steroid Tetrahydrogestrinon (THG) gekommen.
Die Liste der im Sport verbotenen Arzneimittel wird immer länger.
Aber Athleten sind schwer vom Doping abzubringen - mit THG haben
sich viele offenbar sogar zu menschlichen Versuchskaninchen gemacht.
Ethische Argumente wie etwa "Doping ist ungesund" ziehen
bei Spitzen-Athleten nicht. "Doping ist unfair" ist ein
beliebtes Argument der Sportfunktionäre. Aber gibt es überhaupt
Chancengleichheit im Sport? In reichen Ländern haben Sportler
optimale Trainingsmöglichkeiten und bessere medizinische Betreuung
als in ärmeren. Zudem hängt der Erfolg in den meisten
Disziplinen heute wesentlich von Ausrüstung und Material ab.
Athleten glauben längst nicht mehr an Fairness im Sport - die
Norm vom "sauberen Sport" ist auch deswegen zerstört,
weil die Dopingliste mit zur Zerstörung beigetragen hat.
Die bestehende Liste ist eine "Negativliste", und die
setzt falsche Anreize. Prof. Dr. Gert G. Wagner, TU Berlin, und
das Berliner Zentrum
für Public Health schlagen deshalb vor, die Dopingliste
ersatzlos zu streichen und stattdessen einen Medikamentenpass einzuführen,
in dem alle Substanzen aufgeführt sind, die der Sportler einnimmt.
Damit entfällt der Anreiz, ständig neue Mittel zu verwenden,
bis diese auf die Dopingliste kommen. Probiert ein Athlet etwas
Neues aus, wird es sofort öffentlich, und auch die Konkurrenz
kann davon profitieren. Kontrollen müssten weiterhin stattfinden.
Bestraft würde künftig derjenige, der heimlich etwas einnimmt,
das er nicht deklariert, um sich einen Vorteil zu verschaffen. Ein
sinnvoller Beitrag zu Fairness. Ohne diese radikale Transparenz,
so Professor Wagner, habe "sauberer Sport" keine Chance.
Denn die Dopingliste habe faktisch zu der Norm geführt, dass
Sportler überzeugt sind, alles nehmen zu können, was nicht
auf der Liste steht und/oder nicht nachgewiesen werden kann. "Ohne
eine radikale Änderung der Regeln wird THG nicht die letzte
Designer-Droge sein, mit der sich Sportler schädigen",
so Professor Wagner.
Stefanie Terp
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