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Nr. 11, November 2003
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Sehnsucht nach Vollendung

Das Genie Friedrich Gilly und die Entdeckung der Denkmalpflege

Gillys Grabmal in Karlsbad

Am 1. Oktober 1799 zog die erste staatliche Architektenschule, die 1799 gegründete Berliner Bauakademie, in das gerade fertig gestellte Haus, die Münze am Werderschen Markt. Dieses Gebäude war mehr als nur ein Domizil, es war der Gründungsbau des Berliner Klassizismus und somit ein Manifest des "Neuen Bauens". Heinrich Gentz hatte das Haus entworfen, der junge Friedrich Gilly assistierte ihm. Gentz lehrte "Stadtbaukunst", Gilly, mit 27 Jahren der jüngste Professor dieser Hochschule, "Optik und Perspektive". Tragischerweise war Friedrich Gilly zugleich derjenige, der sein Lehramt - bedingt durch seinen frühen Tod - nur wenige Monate ausüben konnte. Dennoch machte dieser junge Mann eine erstaunliche Karriere.

Friedrich Gilly wurde am 16.2.1772 in Altdamm bei Stettin als Sohn des pommerschen Oberbaurates David Gilly geboren. Er absolvierte eine Maurer-, Zimmerer- und Steinschneiderlehre, zusammen mit anderen Baueleven bei seinem Vater im Privatunterricht. 1787 setzte er seine Ausbildung an der Berliner Akademie der Künste fort. Zu seinen Lehrmeistern gehörten Daniel Chodowiecki und Johann Gottfried Schadow. Im Jahre 1794 begleitete Friedrich seinen Vater bei einer Dienstreise zur ostpreußischen Marienburg. Gilly senior sollte die bauliche Substanz dieser Ordensburg begutachten. In den Augen des jungen Gilly aber verwandelte sich die Ruine in ein wahres Wunderwerk. Er fertigte mehrere Rötelzeichnungen an. Diese Zeichnungen hatten einen sensationellen Erfolg. Sie wurden nicht nur in der Berliner Akademie gezeigt, sondern bewirkten auch die Wiederentdeckung des gotischen Stils. Während der ältere Gilly für den Abriss des "maroden Gemäuers" eintrat, bewirkten die Zeichnungen seines Sohnes die Etablierung einer neuen Disziplin in Preußen - die Denkmalpflege. Jahre später wird Gillys Freund, Karl Friedrich Schinkel, die Marienburg sanieren. Die Begeisterung für den "altdeutschen Stil" ging einher mit der Faszination für die Klassik. Der junge Gilly studierte die antiken Sehenswürdigkeiten Italiens und den Revolutionsstil der jungen französischen Republik. Zusammen mit C. G. Langhans wirkte er an der Gestaltung der neuen Turmspitze der Berliner Marienkirche mit. Und gegen den Meister konkurrierte er um das Projekt eines neuen Theaters auf dem Gendarmenmarkt. Aber der junge Gilly beteiligte sich auch am Wettbewerb um ein Denkmal für Friedrich II. Sein Mausoleumsentwurf für den Leipziger Platz war eine geniale Synthese aller Baustile der klassischen Antike. Vieles, was Gilly entwarf, blieb Projekt. Man sagt, er sei das größte architektonische Genie seiner Zeit gewesen. Seine Entwürfe gelten noch heute als maßstabsetzend. Schinkel war nicht nur ein guter Freund Friedrich Gillys, sondern er hat auch viel von ihm gelernt, zum Bespiel die Pflege und Restauration historischer Bauwerke.

Am 3. August 1800 starb Friedrich Gilly während einer Kur in Karlsbad an Lungentuberkulose. Seine Berliner Freunde errichteten ihm in der Fremde, auf dem Karlsbader St.-Andreas-Kirchhof, ein altrömisches Grabmal.

Hans Christian Förster

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