Sehnsucht nach Vollendung
Das Genie Friedrich Gilly und die Entdeckung der Denkmalpflege
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Gillys Grabmal in Karlsbad |
Am 1. Oktober 1799 zog die erste staatliche Architektenschule,
die 1799 gegründete Berliner Bauakademie, in das gerade fertig
gestellte Haus, die Münze am Werderschen Markt. Dieses Gebäude
war mehr als nur ein Domizil, es war der Gründungsbau des Berliner
Klassizismus und somit ein Manifest des "Neuen Bauens".
Heinrich Gentz hatte das Haus entworfen, der junge Friedrich Gilly
assistierte ihm. Gentz lehrte "Stadtbaukunst", Gilly,
mit 27 Jahren der jüngste Professor dieser Hochschule, "Optik
und Perspektive". Tragischerweise war Friedrich Gilly zugleich
derjenige, der sein Lehramt - bedingt durch seinen frühen Tod
- nur wenige Monate ausüben konnte. Dennoch machte dieser junge
Mann eine erstaunliche Karriere.
Friedrich Gilly wurde am 16.2.1772 in Altdamm bei Stettin als Sohn
des pommerschen Oberbaurates David Gilly geboren. Er absolvierte
eine Maurer-, Zimmerer- und Steinschneiderlehre, zusammen mit anderen
Baueleven bei seinem Vater im Privatunterricht. 1787 setzte er seine
Ausbildung an der Berliner Akademie der Künste fort. Zu seinen
Lehrmeistern gehörten Daniel Chodowiecki und Johann Gottfried
Schadow. Im Jahre 1794 begleitete Friedrich seinen Vater bei einer
Dienstreise zur ostpreußischen Marienburg. Gilly senior sollte
die bauliche Substanz dieser Ordensburg begutachten. In den Augen
des jungen Gilly aber verwandelte sich die Ruine in ein wahres Wunderwerk.
Er fertigte mehrere Rötelzeichnungen an. Diese Zeichnungen
hatten einen sensationellen Erfolg. Sie wurden nicht nur in der
Berliner Akademie gezeigt, sondern bewirkten auch die Wiederentdeckung
des gotischen Stils. Während der ältere Gilly für
den Abriss des "maroden Gemäuers" eintrat, bewirkten
die Zeichnungen seines Sohnes die Etablierung einer neuen Disziplin
in Preußen - die Denkmalpflege. Jahre später wird Gillys
Freund, Karl Friedrich Schinkel, die Marienburg sanieren. Die Begeisterung
für den "altdeutschen Stil" ging einher mit der Faszination
für die Klassik. Der junge Gilly studierte die antiken Sehenswürdigkeiten
Italiens und den Revolutionsstil der jungen französischen Republik.
Zusammen mit C. G. Langhans wirkte er an der Gestaltung der neuen
Turmspitze der Berliner Marienkirche mit. Und gegen den Meister
konkurrierte er um das Projekt eines neuen Theaters auf dem Gendarmenmarkt.
Aber der junge Gilly beteiligte sich auch am Wettbewerb um ein Denkmal
für Friedrich II. Sein Mausoleumsentwurf für den Leipziger
Platz war eine geniale Synthese aller Baustile der klassischen Antike.
Vieles, was Gilly entwarf, blieb Projekt. Man sagt, er sei das größte
architektonische Genie seiner Zeit gewesen. Seine Entwürfe
gelten noch heute als maßstabsetzend. Schinkel war nicht nur
ein guter Freund Friedrich Gillys, sondern er hat auch viel von
ihm gelernt, zum Bespiel die Pflege und Restauration historischer
Bauwerke.
Am 3. August 1800 starb Friedrich Gilly während einer Kur
in Karlsbad an Lungentuberkulose. Seine Berliner Freunde errichteten
ihm in der Fremde, auf dem Karlsbader St.-Andreas-Kirchhof, ein
altrömisches Grabmal.
Hans Christian Förster
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