Ungeahnte Langzeit-Nachwirkungen - ein Schock
Wie in Lissabon Berliner Traditionen gepflegt werden
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Francisco Caldeira Cabral,
Ende der 30er-Jahre an seinem Arbeitsplatz an der TH Charlottenburg.
Aus: Ausstellungskatalog "Vom Nationalstadium zum Gulbenkian
Park", Lissabon, 2003 |
Die diesjährige Konferenz des Europäischen
Rates der Ausbildungsstätten für Landschaftsarchitektur
(ECLAS) fand vom 23. bis 26. Oktober 2003 in Lissabon statt. Den
festlichen Rahmen für den Konferenzbeginn bot die Eröffnungsfeier
einer großen, engagiert und kenntnisreich von Professor Teresa
Andresen vorbereiteten Ausstellung über den auch international
berühmten "Vater der portugiesischen Landschaftsarchitektur",
Francisco Caldeira Cabral. Für Angehörige der TU Berlin
hält diese Ausstellung im fernen Lissabon einen Überraschungsschock
bereit: Ein großer Teil der Ausstellung ist der TU Berlin
und ihrer Vorgänger-Institution, der Technischen Hochschule
Charlottenburg, gewidmet, als einer der weltweit ältesten Ausbildungsstätten
auf diesem Gebiet mit ihrer internationalen Ausstrahlung.
Die Ausstellung dokumentiert mit Sorgfalt und Liebe, was am Entstehungsort
Berlin längst zerstört, vergessen, verschüttet ist:
Übungsaufgaben, Fotos, Musterpläne, Prüfungsaufgaben,
typische studentische und professionelle Problemlösungen für
die Landschafts- und Freiraumgestaltung der damaligen nicht unproblematischen
Zeit, nämlich der Dreißigerjahre. Ein Foto zeigt den
in Ausstellung und Katalog, vor allem aber von seinen heutigen Nachfolgerinnen
und Nachfolgern glühend verehrten Meister Cabral an seiner
ersten Wirkungsstätte in Berlin. Der Ort ist unverkennbar:
Der Schreibtisch steht im oberen Stockwerk des TU-Gebäudes
AT am Albrecht-Thaer-Weg. Die heutigen Nachfolger Cabrals reden
auf den überraschten Besucher aus dem fernen Berlin ein: Die
Wiege der portugiesischen Landschaftsarchitektur stand nicht in
Harvard, sie stand in Berlin. Das Erbe lebt fort! Tut etwas, würdigt,
aber versteckt nicht eure historischen Verdienste!
Der so Angesprochene, dem bewusst ist, dass die in Lissabon dokumentierte
Berliner Wirkungsstätte Cabrals soeben zum Verkauf steht -
die letzten TU-Angehörigen bereiten dort gerade ihren Abzug
vor -, kann dem Überschwang nicht folgen und bleibt nachdenklich.
Auch die gegenwärtigen Entscheidungen im Berliner Hochschulbereich,
wie auch immer sie letztlich ausfallen, werden ungeahnte Langzeit-Nachwirkungen
haben. Dass sie aber Verehrung, Begeisterung, gar die Entstehung
großer Werke auslösen könnten, ist im Moment schwer
vorstellbar.
Prof. Dr. Hartmut Kenneweg
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