Das Maulwurf-Prinzip
Online-Journale unterlaufen die Macht der Wissenschaftsverlage
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Gedruckt oder virtuell? Online-Publikationen
kämpfen um Anerkennung in der Wissenschaft |
Am 22. Oktober 2003 wurde in der Hauptstadt die "Berliner
Erklärung über den offenen Zugang zu wissenschaftlichem
Wissen" (Open Access) unterzeichnet, eine Art Willensbekundung
deutscher Wissenschaftsorganisationen, Forschungsergebnisse jedem
frei zugänglich zu machen. Das Internet soll der Ort sein,
wo wissenschaftliche Kommunikation und Publikation revolutioniert
werden. Aber auch Bibliotheken und Archive sollen digital zugänglich
sein.
Die Vorteile des Online-Publishing in frei zugänglichen Online-Journalen
liegen auf der Hand: Der behäbige Prozess herkömmlicher
Veröffentlichungspraxis wird rasant verkürzt, die Ergebnisse,
weil kostenlos, sind mit einem Klick weltweit und sofort zugänglich,
teure Abonnements für gedruckte Zeitschriften entfallen, und
das Ärgernis, dass Wissenschaftler für den Download eines
eigenen Artikels im Netz zu zahlen haben, hätte ein Ende.
Der Entwicklungspsychologe Dr. Günter Mey von der TU Berlin
ist einer der Gründer des seit 1999 existierenden Online-Journals
"Forum Qualitative Sozialforschung/Forum: Qualitative Social
Research" (FQS), einem Projekt, das sich dem Gedanken des Open
Access verpflichtet fühlte und direkt mit der Budapest Open
Access Initiative verbunden ist. FQS als DFG-gefördertes und
an der FU Berlin angesiedeltes Projekt, das unter anderem mit dem
Zentrum Technik
und Gesellschaft der TU Berlin kooperiert, ist mittlerweile
die weltweit führende Online-Zeitschrift für qualitative
Sozialwissenschaften. FQS wird als internationales Forum in Deutsch,
Englisch und Spanisch angeboten, ist interdisziplinär ausgerichtet
und erfüllt damit Forderungen an die Wissenschaft, die sich,
so Mey, mit dem Internet als Kommunikationsort schneller umsetzen
lassen.
Für Mey ist nicht nur die Schnelligkeit und globale Verfügbarkeit
des Wissens Grund, als Herausgeber von FQS zu arbeiten, ihn reizt
vor allem, dass per Internet unmittelbar Ergebnisse diskutiert und
interpretiert werden können, und sich die Autoren "dem
Urteil der Kollegen direkt stellen".
Damit das Internet als Publikationsort überhaupt akzeptiert
wird, ist es notwendig, so Mey weiter, dass jeder Text, der in FQS
veröffentlich wird, einem qualitätssichernden Begutachtungsprozess,
dem Peer-Review-Verfahren, ausgesetzt wird, wie es bei naturwissenschaftlichen
Veröffentlichungen üblich ist. Zwei unabhängige Gutachter
beurteilen die Arbeit. Diese kennen den Verfasser nicht, der Autor
wiederum kennt die Gutachter nicht. Dieses unbedingte Bekenntnis
des FQS-Teams zu höchster wissenschaftlicher Qualität
hat dazu geführt, dass die Online-Zeitschrift weltweit anerkannt
ist, und sich nicht mehr mit jenem "Schmuddel-Image" herumplagen
muss, das Internet-Publikationen anhaftet - "junk science",
unseriös und bestenfalls drittklassig zu sein.
Sybille Nitsche
www.qualitative-research.net/fqs
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